zeissikonveb.de
Phototechnik aus Jena, Dresden und Görlitz
Carl Zeiss Jena 1970er
Die Einführung der Mehrschichtvergütung und die letzten Neukonstruktionen
In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre wurde die Stellung des VEB Carl Zeiss JENA innerhalb des wissenschaftlich-technischen Gerätebaus der DDR neu definiert. Das Zeisswerk sollte zum Zentrum der Forschung und Herstellung für Geräte der Rationalisierungs- und Automatisierungstechnik werden. Meß- und Analysegeräte sowie die Speichertechnik (Mikrofilmtechnik und oftmals unter dem Schlagwort „Kybernetik“ zusammengefaßte Binärrechentechnik) sollten nun im Vordergrund stehen. Demgegenüber sollte der Anteil der Astronomischen Geräte, der Ferngläser und auch der photographischen Objektive sukzessive in den Hintergrund gestellt werden [Vgl. Hellmuth/Mühlfriedel: Zeiss 1945-1990, S. 203ff.].
"Kybernetik-Wahn" in der DDR der späten Ulbricht-Ära. Der VEB Carl Zeiss JENA wird zu einem der Leitbetriebe dieses neuen Technologiefeldes gemacht und stellt beispielsweise solcherlei Bandspeichergeräte vom Typ ZMB61 her. Im Jahre 1975 machte die Produktion dieser Magnetbandspeicher fast 22 Prozent der Gesamten industriellen Warenproduktion des VEB Zeiss Jena aus [Vgl. Hellmuth/Mühlfriedel, Zeiss Jena 1945-1990, S. 374.]. Photographiert von Wolfgang Schröter im März 1973 [Deutsche Fotothek Nr. 71206769].
Allerdings änderte sich die Situation bereits Anfang der 70er Jahre wieder, weil der Machtwechsel an der Staatsspitze der DDR seinen Ausdruck auch in neuen wirtschaftspolitischen Prämissen fand. Um die Zufriedenheit der Bevölkerung mit dem System zu verbessern, wurde nun ein größeres Augenmerk auf gesteigerte Konsumgüterproduktion gelegt, um den „Bevölkerungsbedarf“ zu befriedigen. Von jetzt an waren bei gleichbleibender Qualität gesteigerte Quantitäten gefragt. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg hatte Carl Zeiss Jena mit der Optischen Anstalt Saalfeld eine Tochterfirma aufgebaut, in der auch ein Teil der Zeiss Objektivfertigung erfolgte (so zum Beispiel die Sucherobjektive der Rolleiflex). In den 50er und 60er Jahren wurden hier die OPREMA und der Nachfolger ZRA1 (Zeiss Rechenautomat auf Röhrenbasis) entwickelt und gefertigt. Spätestens seit Anfang der 60er Jahre – viel früher als ich das bislang vermutet habe – muß jedoch der gesamte Photoobjektivbau hier hin verlagert worden sein; Zitat:
"Längst sind die Fabrikationsgebäude in Jena zu klein geworden, es sind verschiedene Zweigwerke entstanden, so zum Beispiel eines in Saalfeld, in dem unter anderem die gesamte Fertigung der Fotoobjektive vor sich geht." [Krenz, Erich: Triumph der Fotografie, Leipzig/Jena/Berlin, 1963, S. 74.]
Zwei Ansichten des Zeiss-Werkes in Saalfeld; oben während des Ersten Weltkrieges, als das neu errichtete Gebäude als Lazarett genutzt wurde. Unten offenbar in der Zwischenkriegszeit.
Im Laufe des Geschäftsjahres 1973 wurden nun in diesem Zweigwerk die Kapazitäten für die Fabrikation photographischer Objektive stark erweitert, um die oben angesprochene Bedarfsbefriedigung auf dem Inlandsmarkt sicherstellen zu können. [Vgl. Hellmuth/Mühlfriedel: Zeiss 1945-1990, S. 225f.]. Vergleichbares fand im Bereich der Feldstecher statt, deren Produktion an den Standort Eisfeld ausgelagert wurde, wo bislang die Werra fabriziert worden war. Sowohl bei den Feldstechern als auch den Photoobjektiven fand von nun an eine merkliche Ausweitung der hergestellten Mengen statt. Im "Thiele" kann man das daran ablesen, daß selbst komplizierte Zusatzobjektive wie die Flektogone 4/20 oder 4/50 in Produktionslosen von 1000, 2000 oder gar 5000 Stück gefertigt wurden, anstatt wie zuvor lediglich ein paar hundert.
Gesamtansicht des ehemaligen Werks Saalfeld des VEB Carl Zeiss Jena auf einer Luftbildaufnahme aus dem Jahre 2008 [Bild: Gerhard Otto, Deutsche Fotothek, Datensatz 71404049].
AKOS
AMOS
CADOS
Ein Hauch von Silicon Valley im Saaletal?
Der VI. Parteitag der SED vom Januar 1963 ist mit zwei Schlagwörtern verknüpft: Dem "Neuen ökonomischen System der Planung und Leitung" und der "Kybernetik". Beide wurden als die Seiten ein und derselben Medaille gesehen. Grob zusammengefaßt glaubte man damals, die ganzen Probleme mit der Planwirtschaft wären nun endlich dadurch zu lösen, indem man mit hochmoderner Rechentechnik die Planung einfach derart perfektioniert, daß alle Widersprüche und Unzulänglichkeiten bisheriger Pläne auf diese Weise ausgemerzt werden könnten. Das blieb natürlich reine Illusion, weil eine Wirtschaftslenkung unter völliger Ignorierung der Marktgesetze einfach nicht funktionieren kann. Doch als Nebeneffekt war damals der Weg geöffnet worden für einen neuen Industriezweig in der DDR, der dann in den 1970er Jahren unter Honecker und Mittag noch stärker ausgeweitet wurde. Nur das Schlagwort wechselte von "Kybernetik" zu "Mikroelektronik". Diese damaligen Entwicklungen, mit denen sich das SED-Regime fast täglich brüstete, sind nach 1989 aufs Tiefste diskreditiert gewesen, weil der Bevölkerung auf einmal klar wurde, daß man in dem kleinen Land mit einem riesigen Aufwand Dinge selbst entwickelte, die auf dem internationalen Markt bereits im Discounter verschleudert wurden – und das, während zur selben Zeit auf den aus Schlaglöchern bestehenden Straßen ausschließlich Oldtimer fuhren, die Backanlage in der Brotfabrik Jahr um Jahr allein mit notdürftigen Reparaturen am Laufen gehalten wurde, usw. Ich umreiße hier die damalige Situation nur deshalb mit diesen wenigen Stichworten, um Ihnen, lieber Leser, klar zu machen, weshalb bemerkenswerte Einzelleistung innerhalb dieses großen Umfeldes "Mikroelektronik" nach 1990 in einer allgemeinen Beschämung darüber untergegangen sind, daß sich hochqualifizierte Ingenieure und Entwickler letzten Endes von einer vergreisten und vollkommen inkompetenten SED-Führung haben ausnutzen lassen. Zehntausende Beschäftigte standen jetzt auf einmal auf der Straße, weil kein Mensch diese völlig überdimensionierten Strukturen mehr brauchte. Und die übrigen DDR-Bürger waren außer sich, weil sie einsehen mußten, daß sie nur deshalb ihre Lebenszeit in einem auf den Stand der späten 60er Jahre stagnierenden Land verbringen mußten, weil die ohnehin knappen Ressourcen in Bereichen verschleudert wurden, die sich jetzt als reines Luftschloß herausstellten.
Diese Vorbemerkung wollte ich hier vorausschicken, um heutigen Lesern begreiflich zu machen, weshalb alles was in der DDR im Zusammenhang mit Computern sowie Industrierobotern stand ein hochgradig aufgeladenes Thema gewesen ist und wieso diese SED-Prestigeprojekte erst viele Jahre nach der Wende unter einem nüchternen, rein technikgeschichtlichen Blick betrachtet werden können. Daß der VEB Zeiss JENA in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre der erste Leitbetrieb in diesem neuen Industriezweig gewesen ist, wurde eingangs schon erwähnt. Doch auch außerhalb der reinen Geräteentwicklung – also dem, was man in der Fachsprache als "Hardware" bezeichnet – wurden aus heutiger Sicht sehr bemerkenswerte Fortschritte erzielt: Gemeint ist die Entwicklung hauseigener Optik-Rechenprogramme. Bereits für den Zeiss Rechenautomaten ZRA1 (oben) wurde ab 1961 ein Programm geschaffen, bei dem durch "Variablenkopplung" und Kombination von weitreichenden "Systemparametern" technologische Nebenbedingungen in die Konstruktionsarbeit einbezogen werden konnten [Vgl. Dietzsch, Retrofokusobjektive, 2002, S. 117f.]. Darunter sind Gesichtspunkte zu verstehen, die beachtet werden müssen, wenn ein theoretisch berechnetes optisches System unter praktischen Bedingungen gefertigt und montiert wird – also beispielsweise das Einbeziehen unvermeidlicher Zentriertoleranzen.
Ab den späten 60er Jahren wurden diese Ansätze weiter ausgebaut. Das Programm Automatische Korrektion Optischer Systeme (AKOS) brachte in den 70er Jahren die Objektiventwicklung noch einmal auf ein ganz neues Niveau. Dazu wurde jedoch deutlich leistungsfähigere Rechentechnik benötigt, die in der DDR damals nicht vorhanden war. Stattdessen wurde ein Großrechner der britischen Firma International Computers Limited (ICL) verwendet [Bild oben: Ein Rechner des Typs 1901 der damals noch ICT genannten Firma im Jahre 1967, Deutsche Fotothek, Datensatz 71882214].
"AKOS wurde in ALGOL60 geschrieben und lief auf dem Rechner ICL 1900. Irgendwie war es der DDR gelungen, diesen britischen Rechner in Jena im Hauptwerk aufzubauen." [Volker Tautz]
Gerade hinter diesem "irgendwie" verbirgt sich freilich ein besonders brisanter Punkt der DDR-Wirtschaftsgeschichte. Denn in diese Fragen der Hochtechnologie war frühzeitig das Ministerium für Staatssicherheit einbezogen – hier insbesondere mit der Hauptabteilung XVIII, die bei Zeiss Jena sogar eine eigene Objektdienststelle eingerichtet hatte, deren Aufgabenbereich neben der sog. "Kadersicherung" auch die "Embargoumgehung" beinhaltete [Vgl. Barkleit, Mikroelektronik in der DDR, 2000, S. 19.].
Auf dieser neuen Basis des Programmes AKOS gelang es nun beispielsweise Eberhard Dietzsch und Heinz-Dietrich Siegert, ausgehend von einem japanischen Vorbild, das Prakticar 1,4/50 mm zu berechnen, das bei vergleichsweise guter Bildleistung ohne jene schwersten Lanthan-Flintgläser auskam, die die Firma Olympus bei ihrem Zuiko 1,4/50 mm einsetzte. Jeder der ein wenig Gespür für das optische Handwerk hat, weiß, was für eine Leistung es bedeutet, ein gleichwertiges Ergebnis unter Verzicht auf den höchstmöglichen Materialeinsatz zu erreichen.
Die Vorteile dieser hochentwickelten binären Rechentechnik lag darin, daß sich der Computer nun selbst adaptiv steuern konnte, weshalb sich bei einer Minimierung der Bewertungsfunktionen der Korrektionsprozeß weitgehend automatisieren ließ. Dadurch wurde der Optikkonstrukteur von stupider Routinearbeit entlastet und er konnte sich vermehrt dem wissenschaftlich-schöpferischen Anteil seiner Tätigkeit der Optikentwicklung widmen [Vgl. Tautz, Volker: Rechentechnik und Bildgütebewertung bei der Entwicklung von Photoobjektiven, Jenaer Rundschau 3/1985, S. 122.]. In Bezug auf die Photoobjektive machten sich diese Fortschritte bemerkbar, als ab 1978 für die neue Praktica-B-Generation vom VEB Zeiss Jena neue Erzeugnisse erwartet wurden und ziemlich schnell klar wurde, daß vor allem im Tele-Bereich bisherige Konstruktionen ausgereizt waren. In ziemlich rascher Folge wurden 1978/79 zwei Prakticare 2,8/200 und 4/300 entwickelt, die sich völlig davon unterschieden, was in diesen Brennweitenbereichen bislang im VEB Zeiss Jena geschaffen worden war. Diese beiden genannten Neukonstruktionen repräsentieren dabei das Zeitalter von AKOS. Die Eingabe erfolgte zu jener Zeit noch auf Lochkarten!
Seit Anfang der 1980er Jahre zeigten sich die ersten Wirkungen des im Juni 1977 vom Zentralkomitee der SED beschlossenen "beschleunigten Aufbaus der Mikroelektronik". Nun erfolgte die Arbeit weitgehend an in der DDR gefertigten Bürocomputern wie beispielsweise dem oben gezeigten Robotron A5120 aus dem VEB Buchungsmaschinenwerk Karl-Marx-Stadt. Die Eingabe der Daten und Auswertung der Ergebnisse über Bildschirmanzeigen – heute völlig selbstverständlich – machte noch einmal ein gänzlich anderes Arbeiten möglich. Einhergehend damit wurde ein neues Optikrechenprogramm namens Automatische Modellierung Optischer Systeme (AMOS) geschaffen, bei dem neue Optimierungsverfahren umgesetzt werden konnten. Dazu war es notwendig, neue Kriterien für die Bewertung der resultierenden Bildgüte zu definieren um darauf den automatischen Korrekturprozeß fußen lassen zu können. Die theoretischen Grundlagen für eine solche verbesserte Bildgütebewertung sind mit den Begriffen "polares Gaußmoment als quadratischer Mittelwert der Queraberrationen" sowie der "Quadratsumme von Lukosz-Koeffizienten" umrissen [Vgl. ebenda, S. 124.]. Für nicht-beugungsbegrenzte optische Systeme, wie sie photographische Objektive darstellen, ist die Korrektur bei mittleren Ortsfrequenzen ausschlaggebend. Durch Rolf Wartmann war Anfang der 1980er Jahre ein Algorithmus geschaffen worden, "der mit wenigen Rechenoperationen und bei geringem Speicherbedarf die Berechnung des relativen Bildkontrastes für konkrete Ortsfrequenzen näherungsweise direkt aus den Aberrationen ausgewählter Strahlen ermöglicht" [Ebenda, S. 124].
Die Entwicklung dieses Programmes AMOS war das Ergebnis einer Zusammenarbeit eines Forschungs- und Entwicklungskollektivs des VEB Carl Zeiss Jena mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Mitarbeiter Georg Elsner, Peter Fichtner, Klaus Lösche, Eberhard Piehler, Dieter Schütze und Heinz-Dietrich Siegert bekamen für ihren "Anteil an der rechnergestützten Entwicklung optischer Systeme für Präzisionsgeräte" den Nationalpreises der DDR I. Klasse für Wissenschaft und Technik des Jahres 1986 zugesprochen.
In der Folgezeit hat sich das Gütekriterium des relativen Bildkontrastes gut als Grundlage der automatischen Optimierung bewährt. Mit noch leistungsfähigeren Rechnern wurde das Programm Computer Aided Development of Optical Systems (CADOS) geschaffen, das nach Aussage von Volker Tautz auch nach 1990, als er aus Jena wegging, noch anderen Optikrechenprogrammen überlegen war: "Um 1992 in Wetzlar vernünftig arbeiten zu können, habe ich mir aus Jena einen PC mit installiertem CADOS geholt", erinnert er sich mehr als 30 Jahre später.
Neue Objektive in neuen Fassungen
In der Zeit vor diesem Aufbruch Mitte der 70er Jahre hatte es aber durchaus einige Jahre der Stagnation im Jenaer bzw. Saalfelder Photoobjektivbau gegeben. Bis zur Mitte der 1960er Jahre war die Zeiss-Objektivpalette auf das einheitliche Zebra-Design und auf automatische Blendenschließmechanismen im Brennweitenbereich zwischen 20 und 300 mm umgestellt worden. Die Praktina war bereits zu Beginn dieses Umstellungsprozesses weggefallen und die Exakta Varex verlor währenddessen sukzessive ihre Konkurrenzfähigkeit. Schlimmer waren aber die herben Enttäuschungen, die der Dresdner Kamerabau dem Jenaer Objektivhersteller in den 60er Jahren bereitet hatte. So changierten mit viel Aufwand entwickelte Objektiv-Neukonstruktionen beispielsweise für die Pentina oder die Pentaflex auf dem Weltmarkt an der Schwelle zur Bedeutungslosgkeit. Auch die beiden gezielt für die gefloppte Profikamera Pentacon Super geschaffenen Pancolare 1,4/55 und 1,4/75 mm dürften nicht einmal ihre Entwicklungskosten eingespielt haben. Einzig die Objektive für den M42-Anschluß der Praktica erfreuten sich wachsenden Erfolges. Zeissobjektive wurden nach wie vor gern als gehobene Ausstattung für eine Kamera gekauft und mit den neuen Modellen Praktica nova, Praktica mat und Praktica Super TL wurde die Nachfrage weiter angefacht. Als aber im Herbst 1969 die neue L-Reihe eingeführt wurde, bekam allein das Normalobjektiv Pancolar 1,8/50 mm die für die Praktica LLC notwendige Einrichtung zur elektrischen Blendenwertübertragung ("electric") verpaßt. Alle übrigen Zeiss-Objektive wurden dagegen weiterhin nur mit der einfachen Druckblende ausgestattet, die nur eine Belichtungsmessung bei Arbeitsblende erlaubte. Deshalb waren ausgerechnet für diese Dresdner Spitzenkamera Praktica LLC mit dem Orestor 2,8/100 und dem Orestegon 2,8/29 nur zwei Görlitzer Zusatzobjektive mit der Blendenelektrik im Angebot.
Dieser Zustand war unbefriedigend – zumal Pentacon mit der Praktica VLC im Jahre 1974 noch eine weitere Spitzenkamera mit dieser elektrischen Offenblendenmessung herausgebracht hatte. Da sich auch die Vertreter der L-Reihe mit Arbeitsblendenmessung erfreulich gut verkauften, nahm man dies bei Zeiss Jena zum Anlaß, nicht nur generell an neuen Objektiven zu arbeiten, sondern auch das vorhandene Objektivprogramm insgesamt einer mechanischen Umgestaltung zu unterziehen.
Denn die Schlüsselfrage lag jetzt darin, wie die mechanische Konzeption der Objektivfassung sowohl in Hinblick auf ein Schritthalten mit der Weiterentwicklung der Kameras als auch mit der verlangten Ausweitung der produzierten Mengen optimal ausgestaltet werden kann. Dabei erforderte dieser Umbau der Fassungen allem Anschein nach eine derart anspruchsvolle Entwicklungsarbeit, daß jener Prozeß der Modernisierung der Objektivpalette nur etappenweise verwirklicht werden konnte und sich über mehrere Jahre hinzog. Dieser Umstand wird gut durch das oben gezeigte Prospekt deutlich, mit dem auf der Leipziger Herbstmesse 1975 das völlig neu konstruierte MC-Flektogon 2,4/35 mm und das auf Mehrfachbeschichtung umgestellte Sonnar 3,5/135 mm als die ersten beiden Erzeugnisse dieser neuen Zeiss-Objektivlinie vorgestellt wurden.
Sofort fällt natürlich das völlig veränderte äußerliche Erscheinungsbild der Fassungen ins Auge, die statt des bisherigen Zebra-Designs (betriebsintern „Flachnutenrändel“) völlig schwarz lackiert und mit einer sogenannten Kreuzrändelung des Entfernungseinstellringes versehen waren. Interessant ist, daß das Flektogon 2,4/35 bereits ein halbes Jahr zuvor in einem Bericht zur Frühjahrsmesse 1975 in der Fachzeitschrift „Fotografie“ gezeigt wurde, wo es noch in einer Zebrafassung eingebaut war. Als jedoch im August 1975 die Serienfertigung anlief, hatte Zeiss die Umstellung auf die schwarze Kreuzrändelfassung bereits vollzogen. Da diese äußerliche Umgestaltung zur selben Zeit auch in Görlitz erfolgte, erreichte man nach einer kurzen Übergangsphase erstmals seit den 60er Jahren wieder ein einheitliches Erscheinungsbild von Zeiss- und Pentacon-Objektiven.
Der gemeinsame Katalog von Pentacon und Zeiss war im Jahre 1975 noch von Zebra-Objektiven dominiert. 1978 waren all die bisherigen Fassungsgestaltungen zugunsten der schwarzen Kreuzrändelung verschwunden.
Während also die äußerliche Angleichung mit dem Erscheinungsbild der Görlitzer Objektive offensichtlich vergleichsweise rasch und größtenteils noch im Verlaufe des Jahres 1975 umgesetzt werden konnte, zog sich die mechanische Ertüchtigung der Zeiss-Objektive deutlich länger hin. Das im September 1976 in die Serienfertigung übernommene Flektogon 2,8/20 mm scheint dabei das erste Objektiv mit der neuentwickelten Blendenmechanik gewesen zu sein. Bei den vorhandenen Objektiven zog sich die Umstellung jedoch teilweise bis 1978 hin. Das führte zu einer Zwischenversion von Zeiss-Objektiven, die zwar mit Kreuzrändelfassung und der neuen Mehrschichtvergütung versehen waren, jedoch den internen mechanischen Aufbau der bisherigen Zebra-Objektive behielten. Das heißt, es blieb hier vorerst bei der Übertragung der Blendenmechanik mit einem Bowdenzug.
Oben: In den späten 1960er Jahren hatte man bei einigen Zeissobjektiven diese Bowdenzug-Mechanik eingeführt, um den Springblendenmechanismus zu übertragen. Offenbar war das im Zuge der Einführung der extrasteilen Schneckengänge geschehen, wordurch man mit dem Pancolar 50mm jetzt bis auf 35 cm ans Motiv herangehen konnte. Für diese Naheinstellung war ein Hub des Schneckenganges von 16mm notwendig. Dieser über solch große Wege hinweg bewegliche Blendenkörper mußte nun mit dem festen Objektivanschluß verbunden werden. Der lange Bowdenzug war dabei eine platzsparende Lösung. Leider benötigte sie aber auch viele Einzelteile und einen großen Montageaufwand. Im Zuge der Vereinfachung der Fassungsgestaltung wurde diese Bauweise in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre bei den meisten Objektiven wieder verlassen.
Unten: Die von Paul Klupsch, Ulrich Dreßler und Rudolf Paul entwickelte Springblendenmechanik über Bowdenzugbetätigung wurde abwechselnd bei etlichen Zeiss Jena-Objektiven während der 70er Jahre eingesetzt. Die Erfindung Nr. DD73.237 wurde am 29. März 1968 beim DDR-Patentamt angemeldet.
Die Notwendigkeit zur Neukonzeptionierung der bisherigen Blendenmechanik ergab sich gleich aus zweierlei Gründen. Einmal um den mechanischen Aufwand zu reduzieren und die Objektive besser für die angestrebte Massenfertigung tauglich zu machen. Zum anderen hatte die Einführung der Praktica L-Reihe die Anforderungen an die automatisch schließende Blende deutlich verändert. Mit der Praktica FX2 und der Contax F war in den Jahren 1956/57 für M42-Gewindeobjektive die sogenannte Druckblende eingeführt worden. Die arbeitete so, daß mit dem Druck auf den Auslöser eine Wippe im Spiegelgehäuse der Kameras den Blendenstößel eindrückte und damit die Blende auf den Arbeitswert schloß. Mit der Praktica-L wurde dieser Vorgang durch einen Federspeicher übernommen, was dazu führte, daß aus der bisherigen Druckblende im Prinzip eine Springblende gemacht wurde. Anders als zuvor die Objektive zur Praktina IIA oder der Praktisix waren aber die M42-Objektive nicht besonders gut auf diese sehr abrupte Schließung der Blende vorbereitet. Immerhin wurde die sogenannte Blendenschließzeit mit nur etwa 20...30 Millisekunden [Vgl. DD85.505 vom 19. Februar 1970] oder gar nur mit 15 Millisekunden [Vgl. DD116.681 vom 23. September 1974] veranschlagt. Nicht nur daß der gesamte Blendenmechanismus dieser schnellen Bewegung nur schwer folgen konnte, sondern als größtes Problem ergab sich das sogenannte Blendenprellen: Wenn der Mechanismus die eingestellte Blendenöffnung erreicht hatte, dann traf er auf einen harten Anschlag. Statt zum erwünschten Stillstand zu kommen, sorgte die Elastizität der Blendenfunktionselemente dafür, daß ein beträchtlicher Teil der Bewegungsenergie in umgekehrte Richtung gelenkt wurde und die Blende daher wieder etwas aufsprang. Auf diese Weise war bei Beginn der Belichtung keine wirklich exakt definierte Öffnung der Blende zu erreichen, was unvorhersagbare Fehlbelichtungen nach sich ziehen konnte.
Von Paul Klupsch und Ulrich Dressler wurde daher ein Blendenmechanismus geschaffen [DD140.803 vom 3. Januar 1979], der mit deutlich weniger Einzelteilen auskam und selbst bei größeren Blendendurchmessern, wie sie beispielsweise bei langbrennweitigen Objektiven nötig sind, vollkommen prellfrei arbeitete. Denn ausgewiesenes Ziel war es, daß ein für alle Normal- und Wechselobjektive einheitlicher Fassungsaufbau entwickelt werden sollte. Dazu gehörte ein weitgehend standardisierter Mechanismus für die Betätigung der Springblende, der mit möglichst vielen Gleichteilen arbeiten sollten. Nach einer Übergangsphase, in der die bereits herausgebrachten Kreuzrändel-Objektive (z.B. 2,4/35; 1,8/50; 3,5/135) überarbeitet und durch neu entwickelte Typen (2,8/20; 1,8/80; 2,8/200) ergänzt wurden, konnte ab 1978/79 eine komplette Reihe von Zeiss-Objektiven zwischen 20 und 200 mm Brennweite angeboten werden, die mit diesem einheitlichen Baukonzept für die Fassung versehen war. Zudem waren damit fast zehn Jahre nach Erscheinen der Praktica L-Reihe endlich alle Zeiss-M42-Objektive auch mit elektrischer Blendenwertübertragung lieferbar.
Die charakteristischen Merkmale, welche die oben angesprochene "Zwischenversion" der frühen Kreuzrändel-Objektive ausmachen, lassen sich gut anhand des MC Sonnars 3,5/135 mm aufzeigen, wo sowohl der äußerliche Wandel als auch die Abänderung der Blendenmechanik deutlich wird. Das linke Objektiv mit der Seriennummer 9.952.307 gehörte im September 1975 zur ersten Serie des Sonnars in schwarzer Fassung und elektrischer Blendenwertübertragung. Das rechte Objektiv mit der Nummer 11.009.768 (kurz vor Umstellung auf das neue Nummernsystem) repräsentiert den vereinheitlichten Fassungsaufbau.
Der direkte Vergleich der Objektivkörper (oben) und der Anschluß-Rückteile (unten) läßt erkennen, daß bei den ersten Kreuzrändel-Objektiven die Blendenmechanik mit dem Bowdenzug im Objektiv seltbst untergebracht war während im Kamera-Anschlußstück nur der Stößel gelagert und bei electric-Objektiven der Spannungsteiler montiert wurde. Bei der Einheitsfassung sind große Teile der Blendenmechanik dagegen weitgehend in das hintere Anschlußstück verlegt. Dabei handelt es sich allerdings um eine deutlich weniger komplexe Hebelübertragung, die auf einfache Weise montiert und abschließend VON AUSSEN justiert werden konnte. Die wesentlichen Teile dieses Übertragungsmechanismus bestehen nun übrigens aus Kunststoff-Spritzguß, was für große Massenproduktion stets sehr vorteilhaft ist. Die besagten Anschlußstücke stellten außerdem mitsamt dem Blendenring eine Einheit dar und ließen sich abgekoppelt von der Endmontage des Objektivs vorfertigen. Sie brauchten anschließend nur noch mit dem Objektivgrundkörper "verhochzeitet" werden.
Man erkennt gut, wie stark die mechanische Perfektionierung und die Vereinheitlichung des Fassungsaufbaus bei den Objektiven mit M42-Anschluß auch im Hinblick auf die eingangs angesprochene Ausweitung der Produktionsziffern vorgenommen wurde. Mit Hilfe konstruktiver Weiterentwicklungen wurde erreicht, daß trotz gesteigerter Anforderungen an die Objektive die Produkt nicht weiter verkompliziert, sondern gar "entfeinert" und wirtschaftlich günstiger herstellen ließ. Rationalisierung („Ratio“) lautete dafür das Schlagwort in der DDR.
Zum äußerlichen Erkennungsmerkmal der neuen Fassungen gerieten nun die kameraseitigen Anschlußstücke, die zu einem vereinheitlichten Bauteil wurden, das vom Grundaufbau her allen Objektiven gemein war. Es wurde lediglich zwischen solchen mit Druckblende und solchen mit Druckblende und elektrischer Blendenwertübertragung unterschieden. Ob das Objektiv mit oder ohne Blendenelektrik ausgeliefert werden sollte, das konnte nun also während der letzten Schritte der Endmontage entschieden werden. Damit wurden in der Zeit zwischen den Jahren 1976 und 78 die meisten vorherigen Lösungen mit Bowdenzügen oder Hebelschwingen abgelöst. Unterschiede gab es freilich noch in den jeweils verschieden gravierten Blendenringen, an das optische System angepaßte Streulichtuben und natürlich mußten auch die Übertragungselemente zwischen Anschlußstück und Blendenkörper je nach Steilheit des Schneckenganges unterschiedlich lang sein. Letztere konnten nun wie gesagt kostensparend aus modernen Kunststoffen hergestellt werden, ohne daß sich die Qualität oder Zuverlässigkeit des Objektives verschlechterte. Nur als man irgendwann in den 80er Jahren die Geradführungsnasen des Schneckenganges von Aluminium auf Plastwerkstoff umstellte, kam es zu Schadensfällen. Zwar gab der Kunststoff der Geradführung quasi selbstschmierende Eigenschaften, aber die hochbelasteten Nasen brachen manchmal ab, wenn der Objektivkörper zum Beispiel beim Abschrauben eines festsitzenden Filters mit einem zu hohen Drehmoment belastet wurde.
Mit diesem Schritt hatte es der VEB Carl Zeiss Jena in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre erfolgreich geschafft, eine Massenfertigung von Photoobjektiven im eigenen Hause fortzuführen. Die einige Jahre zuvor angedachte Konzentration der gesamten Objektivfertigung der DDR in Görlitz war damit erst einmal vom Tisch. Außerdem waren seit den frühen 60er Jahren keine derart vielen Neuerscheinungen auf den Markt gebracht worden. Doch kaum daß diese Modernisierung der Objektive mit M42-Anschluß abgeschlossen war, wurde in Dresden eine neue Praktica-Generation eingeführt, die sich durch eine Objektivbefestigung per Bajonettanschluß auszeichnete. Die zugehörigen Objektive mit ihrer zirkularen Blendensteuerung verlangten nun abermals nach einer völligen Neukonzeption der Fassung und des Blendenmechanismus. Es sollte sich zeigen, daß diese Zeissobjektive für das Praktica B-System durchweg etwa doppelt so teuer gerieten und gleichzeitig in derart geringen Stückzahlen ausgestoßen wurden, daß die Zeit der Versorgung breiter Kreise von Photoamateuren mit hochwertigen Zeissobjektiven jäh dem Ende entgegenging.
Aus dieser Form der verdeckten Inflation konnte die Bevölkerung in den 80er Jahren den unaufhaltsamen Niedergang der Zentralverwaltungswirtschaft der DDR ablesen. Aus politisch-ideologischen Gründen waren sukzessive Verteuerungen von Konsumgüterprodukten, Mieten, Lebensmitteln usw. verpönt. So kam es vor, daß manche Produkte wie Grundnahrungsmittel über die gesamte Existenz der DDR hinweg denselben Preis behielten und damit 40 Jahre Preisentwicklung auf dem Weltmarkt an ihnen vorbeiging. Solche Produkte waren am Ende eine hochsubventionierte Last für den Staat und ein gewichtiger Grund für seinen ökonomischen Niedergang. Bei den Konsumgüterprodukten konnte die Industrie die notwendigen Preissteigerungen nur dann durchsetzen, wenn sie eine „Gebrauchswerterhöhung“ nachweisen konnte. Hierbei handelte es sich um einen typischen DDR-Begriff. Eigentlich suggeriert er etwas positives – die Erhöhung des Gebrauchswertes eben. Für den DDR-Bürger entwickelte er sich allerdings rasch zum Signalwort für verdeckte Preissteigerungen – und damit für den Verfall seiner DDR-Mark. Wie groß das Ausmaß der tatsächlichen Inflation in der DDR war, läßt sich also nur auf Umwegen ablesen – zum Beispiel eben solchen Photoobjektiven. Mit dem Einbau des oben angesprochenen MC Sonnars 3,5/135 mm in eine Fassung mit Bajonettanschluß konnte der Hersteller dessen Preis auf ein Niveau anheben, bei dem sich die Produktion wieder rentierte. Und dazu mußte jener eben von 237,- auf 470,- Mark ziemlich genau verdoppelt werden.
Die gestalterische Entwicklung, welche die Zeissobjektive während der 1970er Jahre durchlaufen haben, wird auch sehr gut anhand des Sonnars 2,8/180 mm deutlich. Links sieht man die noch auf die 60er Jahre zurückgehende sog. Zebrafassung. Dann hat man aber, offenbar um das einheitliche Erscheinungsbild mit den Görlitzer Objektiven zu wahren, ziemlich rasch und ohne sonstige Veränderung der Fassung auf die schwarze Kreuzrändelung umgestellt. Beim mittleren Sonnar vom Januar 1976 handelt sich nämlich quasi nur um die Zebravariante mit neuem Bedienungsrändel. Es hat nach wie vor die einschichtige Vergütung und arbeitet auch noch mit der alten Blendenmechanik und deren Öffnungskorrektur bei Nahaufnahmen. Erst die kantigere Version ganz rechts war dann MC-vergütet und bekam eine Schnittstelle verpaßt, mit der die Stellung des Blendenringes an einen M42-Adapter mit elektrischer Blendensimulation weitergegeben werden konnte. Letzteres Merkmal war wichtig für das neue Spitzenmodell Praktica EE2, weil hier die Blendenelektrik gebraucht wurde, um die neu eingeführte, schnelle Zeitautomatik auch wirklich ausnutzen zu können.
Und eins noch: Während oben die Rede war, daß mit Umstellung von der Zebragestaltung auf die neuen schwarzen Fassungen die bislang üblichen Bowdenzüge wegfielen, dann verhielt sich das beim Olympiasonnar eigentümlicherweise genau umgekehrt. Mit der MC-Variante wurde hier nämlich ein Bowdenzug neu eingeführt, dessen mechanischer Aufwand bei den kürzeren Brennweiten gerade eingespart worden war. Meinem Eindruck nach war das deshalb notwendig, um ausreichende Bewegungsfreiheit für den Mitnehmer der o.g. Blendenwertübertragung zu erlangen. Dasselbe geschah nämlich auch beim neuen 300er Sonnar, das ebenfalls eine solche Blendenübertragung integriert bekam.
Die besagte Blendenübertragung mithilfe einer Objektiv-Adapter-Kombination ist oben noch einmal im Detail gezeigt. Die Kupplungsstellen zwischen Objektivblende und Adapter-Potentiometer liegen jeweils auf etwa der 10-Uhr-Position.
Unten die Einzelkomponenten eines solchen Jena Sonnars 2,8/180 mm
Bei aller Begeisterung, die ich oben über den modernen Fassungsaufbau der neuen Generation an Zeiss-Objektiven habe anklingen lassen, so gibt es dennoch eine gewisse Schattenseite zu vermerken: Durch die starke Rationalisierung, die ihren Ausdruck hauptsächlich in einer drastischen Reduktion von Einzelteilen sowie gleichzeitig deren "Entfeinerung" gefunden hat, sind die Jenaer M42-Objektive mit den neuen schwarzen Fassungen sehr anfällig gegenüber Verschmutzungen des Schneckenganges. Das liegt daran, daß das Innengewinde der mehrgängigen Fokussierhelix nun direkt in die Innenseite des Meterringes geschnitten wurde und dadurch keine nennenswerte Kapselung vorhanden ist. Staub und Fussel, die mit der Zeit rings um das Filtergewinde herum in den Spalt hineingelangen, setzen sich nach und nach im Schmiermittel des Schneckenganges fest, sodaß es hier rasch zum Kratzen und zur Schwergängigkeit kommt. Die Reinigung und das neue Abschmieren stellen zwar eine Standardreparatur dar, die bei geschickter Ausführung sogar ohne einen Neuabgleich des Fokusmaßes auskommt; ein erneutes Verschmutzen wird dadurch aber leider nicht ausgeschlossen. Aus meiner Werkstattpraxis heraus muß ich sogar konstatieren, daß bereits ein einziger Urlaub in einem Wüstengebiet oder an der See eine ernsthafte Verunreinigung des Schneckenganges mit feinen Sandkörnern nach sich ziehen kann. Sollte dies geschehen sein, ist das betroffene Objektiv sofort außer Betrieb zu setzen. Denn ist der präzise geschliffene Schneckengang erst einmal durch Sand verschrammt, dann können später auch die besten Schmiermittel nicht mehr bewirken, daß das Objektiv jemals wieder "butterweich" läuft.
Auch die Objektive zur Pentacon Six wurden natürlich auf das schwarze Kreuzrändel umgestellt, wobei nur das oben bereits angesprochene Sonnar 2,8/180 mm und das neue MC Sonnar 4/300 mm wirklich eine neue Fassung bekamen. Ein weiteres Merkmal war natürlich auch hier die Einführung der Mehrschichtvergütung. Interessant ist die Frage, welche Objektive wohl die ersten gewesen sein mögen, die mit dieser MC-Beschichtung versehen worden sind. Offiziell war dies das neue Flektogon 2,4/35 – so zumindest suggerieren es entsprechende zeitgenössische Veröffentlichungen in der Fachpresse. Aber diese beziehen sich offenbar allein auf Neuerscheinungen. Laufende Serien wurden anscheinend schon viel früher auf MC-Vergütung umgestellt. Die Seriennummer des oben gezeigten MC Biometars 2,8/80 mm würde diese Umstellung bereits auf den Jahreswechsel 1973/74 (!) verorten. Leider ist im "Thiele" nur selten angegeben, ob der neue T3-Belag verwendet wurde, weshalb man immer nur anhand auftauchender Objektive Datierungen vornehmen kann. Dieses Biometar ist jedenfalls das früheste MC-Objektiv, das mir bislang untergekommen ist.
Wie bei vielen anderen frühen Jenaer MC-Objektiven, ist auch die Fassung dieses Biometars noch etwas anders gestaltet, als bei den späteren MC-Biometaren. Unten sieht man eine Überblendung vom besagten Exemplar aus der ersten Serie der MC-Biometare (etwa Jahresanfang 1974) und einem Exemplar aus der letzten Serie (Herbst 1989).
Auftrag erfüllt: Pünktlich mit der Einführung der ersten Spiegelreflexkamera mit Belichtungsvollautomatik vom Typ Praktica EE2 bzw. EE3 konnte der VEB Carl Zeiss JENA 1977/78 endlich eine komplette Objektivpalette mit elektrischer Blendenwertübertragung anbieten. Wurde es zuvor bei den Prakticas LLC, VLC und PLC mit halbautomatischer Belichtungsregelung ("Nachführmessung") als zwar lästig, aber letzten Endes verschmerzlich hingenommen, daß bei Verwendung von Zeiss-Wechselobjektiven der Zebra-Ära die wertvolle Offenblendenmessung abgeschaltet und mit Arbeitsblende gemessen werden mußte, so geriet diese Vorgehensweise bei der neuen Kamera mit Zeitautomatik zu einem völlig inakzetablen Kompromiß. Das liegt daran, daß bei einer Zeitautomatik die Verschlußzeitenbildung stets kurz vor dem Auslösen erfolgt. Statt das Objektiv nur kurz zum Zwecke der Belichtungsmessung abzublenden, mußte nun also immerfort die Springblende außer Kraft gesetzt werden, um die Kamera aufnahmebereit zu halten. Damit hätte man diese teure und mit viel Aufwand konstruierte Kamera vom Bedienkomfort her auf den Stand der frühen 50er Jahre zurückgesetzt, als es überhaupt noch keine Springblendenmechanismen gab und sich das Sucherbild beim Abblenden bis zur Unkenntlichkeit verdunkelte.
Durchweg die Offenblendenmessung zu garantieren war also ein wirklich großer Schritt für den Jenaer Objektivhersteller. Leider zahlte sich dieser Aufwand nicht im erwarteten Umfang aus, denn schon im darauffolgenden Jahr wurde bei Pentacon der Umstieg auf eine neue Kamerabaureihe umgesetzt, die mit einem Bajonettanschluß versehenen war, was letztlich auf eine Ablösung des M42-Gewindes als bislang über 30 Jahre währender Standard hinauslief. Für die neue Generation der Bajonettobjektive wurde allerdings nicht einfach eine dritte Bauform des vereinheitlichten rückwärtigen Anschlußstückes entwickelt, sondern noch einmal ein völlig neuer Fassungsaufbau eingeführt. Weil M42-Prakticas mit Blendenelektrik daraufhin schon Anfang der 80er aus dem Programm genommen wurden, liefen auch die electric-Objektive von Zeiss bald aus und von den vereinheitlichten Anschlußstücken blieb nach kurzer Zeit nur noch der einfachste Typ mit M42-Gewinde und Druckblendenstößel übrig. Nur etwa drei...vier Jahre lang hatten die MC-electric-Objektive also die Position der Spitzentechnik bei Zeiss für sich verbuchen können.
Marco Kröger 2016
letzte Änderung: 23. August 2024
Yves Strobelt, Zwickau
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