Meyer-Optik Görlitz

Meyer-Optik Görlitz 1950er

Kurzer Abriß über die Herausbildung der wissenschaftlich-technischen Basis in der Firma Hugo Meyer, Görlitz

Es kommt nicht von ungefähr, daß es gerade die 1890er Jahre gewesen sind, da ein junger Mann namens Hugo Meyer (1863 - 1905) eine Objektivbauanstalt im schlesischen Görlitz gründete. Diese Epoche muß wohl als die bedeutendste Umbruchphase innerhalb der Geschichte der Photographie bezeichnet werden. Beinah sechs Jahrzehnte – immerhin ein ganzes Menschenalter – war diese bildgebende Medientechnik bereits alt, als sich ganz neue Entwicklungspfade auftaten. Lange Zeit war die Photographie ein Steckenpferd verschrobener Enthusiasten gewesen, die mit ihrer Experimentierfreude einerseits das Medium technisch voranbrachten und andererseits um eine Anerkennung der Photographie als ernstzunehmende Kunstform kämpften. Seit etwa den 1860er Jahren kamen außerdem die Berufsphotographen hinzu, die den ganzen Hexenzauber in einer Weise professionalisierten, daß sich Ateliers aufbauen ließen, mit denen man Geld verdienen konnte. Bis in die 1880er Jahre waren es also diese beiden Gruppen der „Profis“, die das Metier der Photographie beherrschten.

Hugo Meyer

Den Beginn des großen Umbruchs markierte die Einführung der Gelatine-Trockenplatte in den 1870er Jahren. Nun war es nicht mehr notwendig, das lichtempfindliche Aufnahmematerial erst kurz vor der Aufnahme selbst herzustellen und danach umgehend zu entwickeln. Vielmehr übernahmen nun eigens darauf spezialisierte Firmen die Herstellung von solchen Trockenplatten, was außerdem zu einer sprunghaften Erhöhung der Lichtempfindlichkeit einerseits bei gleichzeitiger Verbesserung von Schleierfreiheit und Haltbarkeit andererseits führte. Es sollte auch nicht vergessen werden, daß nun erstmals farbenempfindliche Schichten hergestellt werden konnten, bei denen nicht mehr nur violette und blaue Lichtanteile das Bild alleinig aufbauten. Den letzten großen Fortschritt brachte das Aufkommen des biegsamen Schichtträgers (Rollfilm), was aus heutiger Sicht die Grundvoraussetzung dafür gewesen ist, daß sich ab etwa 1890 sukzessive die Amateurphotographie etablieren konnte. Dieses Auftun eines riesigen neuen Absatzmarktes beflügelte nun wiederum den Kamerabau und die Objektivbauindustrie. In dieselbe Zeit fällt nämlich auch die Erfindung von Objektivkonstruktionen, bei denen erstmals alle Bildfehler einschließlich des schwer beherrschbaren Astigmatismus (Punktlosigkeit) behoben werden konnten. Möglich gemacht wurde diese Entwicklung durch die weitsichtigen Arbeiten der Herren Ernst Abbe und Otto Schott, die das Bereitstellen des für die Optische Industrie essentiellen Grundstoffes Glas auf eine wissenschaftliche Basis gestellt hatten. Gelatine-Trockenschicht, Farbsensibilisierung, biegsamer Schichtträger, anastigmatisch korrigierte Objektive, kompakte und einfach zu bedienende Kameras – die Kulmination all dieser neuen Technologien ließ die Photographie an der Wende zum 20. Jahrhundert in ein neues Zeitalter aufbrechen.

Die Ära Kollmorgen

Wichtigster Mann in der Gründungsphase der Firma Hugo Meyer war Dr. Friedrich (später Frederick) Kollmorgen. Dieser Objektivkonstrukteur konnte einen wesentlichen Beitrag zur Vervollkommnung des Anastigmaten leisten. Sein Kollege Paul Rudolph hatte zuvor im Jahre 1896 sein »Planar« noch aus sechs Linsen aufbauen müssen, um diesen lichtstarken Anastigmaten vollständig chromatisch korrigieren zu können. Er hatte zu diesem Zweck die „hyperchromatische Linse“ eingeführt, bei der er durch Verkitten zweier Linsen eine Dispersionswirkung erzielte, die mit einer Einzellinse damals nicht machbar gewesen wäre. Die Leistung Friedrich Kollmorgens bestand nun darin, diese chromatische Korrektur auch ohne Erhöhung der Linsenzahl des Gauß-Doppelobjektivs erreicht zu haben.


„Bedingung hierfür [war], daß der Brechwert des sammelnden Meniskus bei kleiner Dispersion mindestens so groß wie der des zerstreuenden sein muß“ [Brandt, Hans-Martin: Das Photo-Objektiv, Aufbau und Wirkungsweise der wichtigsten Markenobjektive der Weltproduktion, Wiesbaden, 1956, S.55].

Patentiert wurde dieser Aufbau im DRP Nr. 125.560 vom 6. Juni 1900. Damals war die Objektivbauanstalt des Hugo Meyer gerade mal vier Jahre in Betrieb und mußte nun sogleich rasch expandieren, denn diese unter dem Namen »Aristostigmat« auf den Markt gebrachten Objektive hatten bei guter anastigmatischer Bildfeldebnung einen deutlich geringeren Preis, als die zeitgenössisch konkurrierenden Produkte mit ihren teils mehrfach verkitteten, stark gekrümmten Linsen. Meyer etablierte sich nun in Windeseile zu einem der bedeutendsten Objektivbauanstalten des Weltmarktes. Leider war es dem Firmengründer nicht lange vergönnt, den Erfolg seines jungen Unternehmens mitzuerleben.

Die Ära Rudolph

Die weitere Geschichte dieser Firma birgt nun beinah etwas Anekdotisches in sich. Nach dem was ich herausgefunden habe, wanderte Friedrich Kollmorgen im Jahre 1911 nach Amerika aus und machte sich dort in der Folge mit einer Spezialfirma für Sehrohre selbständig – angesichts des bevorstehenden Ersten Weltkrieges ein fabelhafter Einfall! Ganz anders bei Paul Rudolph, der im selben Jahr nach langjährigen Auseinandersetzungen mit seinem Arbeitgeber endlich von Zeiss Jena freikommt und sich zunächst ins Privatleben zurückziehen muß. Rudolph durfte infolge seines im Alter von 30 Jahren mit dem Zeisswerk geschlossenen Arbeitsvertrages binnen einer Frist von zehn Jahren nach dem Ausscheiden bei Zeiss nicht im Objektivbau tätig werden. Nach Ablauf dieser langen Karenzzeit war er nach dem Ersten Weltkrieg gezwungen, sich trotz seines fortgeschrittenen Alters von über 60 Jahren wieder als Optikrechner zu betätigen. Er ging nun ausgerechnet nach Görlitz (Großbiesnitz), um bei Meyer quasi die Nachfolge Kollmorgens anzutreten.


Aus Sicht des Görlitzer Werkes mußte diese "Talentabwanderung" als ein echter Glücksfall erschienen sein. Denn mittlerweile war ein neues Zeitalter angebrochen, das nach neuen Objektivtypen verlangte. Die Kinematographie hatte während des Krieges einen enormen Aufschwung genossen und der Amateur-Schmalfilm sowie die Kleinbildphotographie standen jetzt kurz vor dem Durchbruch. Die Firma Meyer-Optik war davon bedroht, im Zuge dieses Wandels an Konkurrenzfähigkeit einzubüßen. Statt Objektive, die aufgrund der großen Bildfläche bisheriger Aufnahmeformate nur für begrenzte Vergrößerungsmaßstäbe ausgelegt sein mußten, wurden nun Anastigmate von höchster Lichtstärke gefordert, die die neuen kleinen Formate mit kompromißloser Schärfe auszeichnen mußten, damit genügend Reserven für die prinzipbedingt starken Nachvergrößerungen vorhanden waren.

Plasmat-Satz

Plasmat-Satz 4,5/22,3cm für das Plattenformat 13x18cm. Die hintere Gruppe läßt sich allein verwenden und hat dann die Daten 8/32cm. Verwendet man die Frontgruppe allein, dann hat man, verglichen mit dem Gesamtobjektiv, eine mehr als doppelt so lange Brennweite zur Verfügung, deren Lichtstärke bei 1:11 liegt.

Paul Rudolph hatte "zum Einstand" bei Meyer seinen am Ende des Krieges zum Patent angemeldeten Plasmat-Anastigmaten [DRP Nr. 322.506 vom 27. März 1918] mitgebracht, mit dem er sich ein großes Potential für Weiterentwicklungen geschaffen hatte, ohne mit dem Patentschutz seines eigenen Planares ins Gehege zu kommen. Aber auch Alternativen zum Tessar hatte er bereits "im Gepäck" [DRP Nr. 331.844 vom 7. Mai 1918 und 331.807 vom 14. Dezember 1918]. Während der folgenden Dekade baute Rudolph seinen Plasmat-Typus sowohl zum universellen Plasmat-Satz aus (siehe Bild oben), als Doppel-Plasmat 1:4 aber auch zum lichtstarken Portraitobjektiv für das Großformat. Zum Jahresende 1922 brachte er mit dem DRP Nr. 401.630 den Plasmat-Typ gar bis auf eine Lichtstärke von 1:1,5. Mit diesem Kino-Plasmat hatte die optischen Werkstätten des Hugo Meyer in Görlitz binnen kürzester Frist zu den wenigen Anbietern solch höchst-lichtstarker Anastigmate aufgeschlossen: So unter anderem zu den Ernostaren und Sonnaren eines Ludwig Bertele und den Biotaren eines gewissen Willy Merté, die jener ausgerechnet vom Rudolph'schen Planar ausgehend weiterentwickelt hatte. Diese beiden Konstrukteure erwähne ich hier deshalb, weil sie seit Ende der 20er Jahre beide für den ehemaligen Arbeitgeber Rudolphs tätig waren. Wurde zuvor bei Zeiss Paul Rudolph nicht einmal als Erfinder in den Patenten benannt, so warb Meyer-Optik nun in jeder Annonce offensiv mit dem Namen Rudolphs und gravierte diesen sogar auf die Objektive auf. So sehr dies Paul Rudolph auch als Genugtuung empfunden haben mag, der richtig große kommerzielle Erfolg sollte sich mit diesen sehr teuren Objektiven für Meyer-Optik leider nicht einstellen.


Sowohl für die Weitsicht dieses erfahrenen Mannes, wie für die Wiedererlangung seiner schöpferischen Kraft spricht der Weg, den Paul Rudolph in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre einschlug. Statt weiterhin höchste Lichtstärken für lediglich mäßige Bildwinkel zu forcieren, entwickelte er seinen Plasmat-Typ in einer Weise weiter, daß dieser eine für damalige Verhältnisse ungewöhnlich hohe Korrektur bei normalem Bildwinkel erreichte. Aber angesichts des aufwendigen Aufbaus seines Makro-Plasmaten [DRP Nr. 456.912 vom 19. August 1926] und dessen sicherlich hohen Preises, war dieses Objektiv seiner Zeit noch zu weit voraus. Solche hochkorrigierten Objektivtypen konnten erst mit Aufkommen der neuen Dünnschichtemulsionen und präziser Spiegelreflexkameras zwanzig Jahre später annähernd leistungsmäßig ausgeschöpft werden. In einer Würdigung Rudolphs zu dessen hundertstem Geburtstag zog der wissenschaftliche Leiter des Zeisswerks Harry Zöllner daher einen Vergleich seines Biometars zu Rudolphs letztgerechneten Objektiv, dem Kleinbild-Plasmat aus dem Jahre 1931 [DRP Nr. 572.222], der aufzeigt, wie weit Rudolph am Ende seines Lebens bezüglich der Fehlerkorrektur vorangekommen war.

Vergleich der Querbabweichungen (sphärische Aberration und meridionale Koma) zwischen dem Kleinbildplasmat 1:2,7 und dem Biometar 1:2,8, das etwa 15 Jahre später erschien und damals als optimal auskorrigiert galt. [nach Zöllner, Harry: Jena - seit 70 Jahren Zentrum der Fotoobjektiventwicklung, Zum 100. Geburtstag von Dr. Paul Rudolph; in Fotografie 11/1958, S.395...398.]

Die Ära Schäfter und Roeschlein

Nach dem Tode Rudolphs im März 1935 begann die kurze, aber sehr fruchtbringende Phase, in der Paul Schäfter einige sehr wertvolle Objektive errechnete, die anschließend das Produktionsportfolio des Görlitzer Werkes für beinah ein Vierteljahrhundert beherrschen sollten. Allen voran natürlich das Primoplan 1:1,9, für das am 17. [18.] Juni 1936 ein Gebrauchsmusterschutz angemeldet wurde. Es entwickelte sich zu einem der am meisten gebauten lichtstarken Objektive in der Frühphase der Kleinbildreflexkamera. Auch die Primotare, darunter die noch lange Zeit gebauten langbrennweitigen Primotare 1:3,5/135 mm und 180 mm, gehen der Literatur zufolge auf Schäfter zurück.

Meyer Trioplan 2,8/17 mm

Ein Trioplan 2,8/17 mm aus den 30er Jahren in einer Fassung mit C-Gewinde für 16 mm Schmalfilmkameras. Aus Kostengründen wurde bei diesem kurzbrennweitigen Objektiv auf eine Entfernungseinstellung gänzlich verzichtet.

Als ein zweiter wichtiger Mann bei Meyer-Optik in jener Epoche vor dem Zweiten Weltkrieg ist Stefan Roeschlein anzuführen, der sich als Errechner des berühmten Trioplans 1:2,8 hervorgetan hat. Roeschlein kam Anfang der 30er Jahre von Rathenow nach Görlitz, um dann aber bereits 1936 nach Kreuznach überzuwechseln und die Nachfolge Alfred Tronniers bei Schneider anzutreten. Auch die Telemegore gehen auf Roeschlein zurück, mit denen er in kurzer Zeit ein großes Nachfragepotential bei Nutzern der neuen Schmalfilm- und Kleinbildkameras befriedigen konnte. Neben den Konkurrenzprodukten von Schneider wurden die Görlitzer Telemegore in der Folgezeit zum regelrechten Inbegriff für den Typus des echten Teleobjektzives. Im Katalog von 1939 beherrschten daraufhin die praktikablen und preiswerten Neukonstruktionen Schäfters und Roeschleins das Angebot der Firma Meyer-Optik – bis auf einen Makro-Plasmat 2,7/10,5 cm waren alle Konstruktionen Paul Rudolphs verschwunden.

Oben: Eine Annonce aus dem Jahre 1937. Zu den Großformatobjektiven in Normalfassung waren Objektive in Zentralverschlüssen gekommen, die in mannigfaltigen Rollfilm- und Kleinbildkameras des Amateurs eingebaut wurden. Im Vordergrund ein Objektiv mit Schneckengangfassung für Schmalfilm-Handkameras. In diesem Sektor hatte sich Meyer-Optik mit den neuen, preisgünstigen Trioplanen und Primoplanen rasch einen guten Ruf erarbeitet.

Die Nachkriegszeit und die Ära Ulbrich

Nicht minder schwer, als bei den Mitbewerbern in der Mitteldeutschen Photoindustrie, gestaltete sich auch der Neuanfang in Görlitz nach dem Zweiten Weltkrieg. Einfache, dreilinsige Typen in einfachen Aluminiumfassungen beherrschten nun erst einmal das Angebot. Aber auch das Primoplan wurde rasch wieder gefertigt, weil es zur Komplettierung der von der Besatzungsmacht forcierten Produktion der Einäugigen Kleinbildreflexkameras dringend gebraucht wurde. In ganz geringen Stückzahlen fertigte man noch den ambitionierten Makro-Plasmat 2,7/105mm für 6x6-Reflexkameras, der durch die nun obligatorische Linsenentspiegelung erst richtig brauchbar gemacht werden konnte. Aber für solch hochkorrigierte Systeme gab es vorerst keinen Bedarf.


Nach dem Kriege taucht dann in der Literatur ein gewisser Thierold als Konstrukteur auf, über den ich bislang leider nichts Weiteres in Erfahrung bringen konnte. Ähnliches gilt für einen Herrn Schubert. Beide waren damals für die Entwicklung der Meyerschen Tessartyp-Abwandlungen »Primotar« verantwortlich. Eindeutiger, weil durch Patentüberlieferungen belegbar, sind die Leistungen eines Wolfgang Gröger, Wolfgang Hecking, Otto-Wilhelm Lohberg und vor allem eines Hubert Ulbrich. Letzterer tat sich als Schöpfer von Objektiven wie dem Orestegon 2,8/29 oder dem Orestor 2,8/135 hervor, die zu den am meisten gebauten Wechselobjektiven der Geschichte gehören dürften.


Dieses Augenmerk – größte Stückzahlen bei guter Qualität aber möglichst geringem Aufwand – das stand nun in den letzten drei Jahrzehnten beim Görlitzer Hersteller im Vordergrund. Nachdem das Werk Anfang der 70er Jahre zum bloßen Betriebsteil des Kamera-Kombinats Pentacon degradiert worden war, hatte die große Zeit der Experimente und Ideen endgültig ihr Ende gefunden. Man kann das bedauern, sollte aber gleichzeitig nicht außer Acht lassen, wie die gestraffte, auf wenige Modelle konzentrierte Produktion das Überleben im schwierig gewordenen Weltmarkt sicherstellte. In der "guten alten Zeit" der 1950er Jahre, da man bei Meyer Optik noch wenig internationale Konkurenz zu fürchten hatte, ging es dagegen noch wesentlich gemächlicher und  manufakturell zu, wie diese Bilder von Max Ittenbach dokumentieren.

Zuerst mußten die Glaspreßlinge auf sogenannte Tragkörper gekitteten werden, damit sie gefräst und geschliffen werden konnten (oben). Nach dieser Formgebung wurden die Linsen auf der Hebelpoliermaschine poliert und anschließend mit einem Probeglas auf Maßhaltigkeit geprüft. Dabei wurden Abweichungen im Nanometerbereich sichtbar gemacht (unten).

Mindestens genauso diffizil gestaltete sich das unten sichtbare Zentrieren, das bei einfachen Linsenformen mithilfe eines Automaten erfolgte (was man damals zumindest unter einem Automaten verstand). Die mechanisch fertiggestellte Linse (hier das dritte Element des berühmten Trioplan 2,8/100mm) wird anschließend auf Freiheit von Materialfehlern und Unsauberkeiten geprüft.

Als letzten Schritt der Linsenfertigung schloß sich die nach 1945 allgemein üblich gewordene Vergütung der Glasoberflächen an; das Aufdampfen einer nur wenige hundert Nanometer dicken Schicht im Hochvakuum, die anschließend gehärtet wurde.

Mindestens genau so wichtig wie die exakte Bearbeitung des Glases war Fertigung der Fassung. Anfang der 60er Jahre wurden dazu bereits moderne Revolverdrehautomaten eingesetzt. Das Nieten der Blendenlamellen geschah aber noch von Hand. Auch das Eloxieren der Fassungsteile erforderte damals noch viel Handarbeit in der stets gesundheitlich bedenklichen Galvanikabteilung.

Auch das Gravieren der Objektivdaten auf dem Vorschraubring erfolgte um 1960 noch mit viel Handarbeit an der "Fünfspindelgraviermaschine". Mithilfe des im mittleren Bild dargestellten Brennweitenmeßgerätes ließ sich dieselbe auf den 1/100mm genau bestimmen. Seit den späten 1950er Jahren mußten zudem die Blendenschließzeiten der neuen Druckblendenobjektive exakt überprüft werden.

Tevo 2x

Zum Abschluß eine Neuentwicklung aus dem Jahre 1959, die eigentlich gar nicht zu den Objektiven gezählt werden kann. Vielmehr handelt es sich um ein brennweitenloses Vorsatzsystem mit zweifacher Vergrößerung, das Hubert Ulbrich für die Amateur-Schmalfilmkamera AK8 entwickelt hatte [DD22.909 vom 11. April 1959]. Das in die Kamera fest eingebaute Jena Triotar oder Meyer Trioplan (selten!) 2,8/10 mm wird in seiner Brennweite also auf 20 mm verlängert. Da dieses Triplet selbst keine Entfernungseinstellung hat, diese bei Vorschalten des Fernrohres nun aber unbedingt erforderlich ist, wird sie durch Verändern des Luftabstandes der beiden Systemhälften im Vorsatzfernrohr bewerkstelligt.

Meyer Tevo

Obwohl solche Vorsatzsysteme für Schmalfilmkameras schon seit der Zwischenkriegszeit bekannt waren, wurden für den Tevo patentfähige Neuerungen eingeführt, die sich im Wesentlichen auf die Reduktion auf vier statt bisher übliche fünf Linsen beziehen. Außerdem war durch die tief liegende Frontlinse des Einbauobjektivs der AK8 ein Luftzwischenraum zwischen beiden Linsensystemen zu überwinden, der etwa 50% der Brennweite des Grundobjektivs betrug. Erreicht wurde diese Leistung durch den Einsatz hochbrechender Gläser. Der Tevo ist aus einem sammelnden und einen zerstreuenden Achromaten aufgebaut, die interessanterweise aus jeweils derselben Glaspaarung zusammengesetzt sind. Die Sammellinse des vorderen Systemteils und die Zerstreuungslinse des hinteren bestehen aus dem damals neuartigen Schwerkron SK24 mit einer Brechzahl von über 1,66 bei einem ny-Wert von über 56. Die anderen beiden Linsen sind aus Schwerflint SF1 mit einer Hauptbrechzahl von über 1,7.

DD22.909 Tevo

Marco Kröger, 2016


Letzte Änderung: 18. November 2022