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Phototechnik aus Jena, Dresden und Görlitz
Altix
Bei ihr handelt es sich um eine der erfolgreichsten Kleinbildkameras der DDR der 50er Jahre, da sie gleichermaßen auf den Einsteiger wie auf den anspruchsvollen Photoamateur abzielte.
Die Altix als einer der Pioniere unter den Kleinbildkameras
Auch wenn die Altix heute als eine der bekanntesten DDR-Kameras gilt, bei der insbesondere die späteren Modelle mit Wechselobjektiven, die schon eine ziemlich weitgreifende Bildgestaltung erlaubten, eine ungewöhnlich große Verbreitung fanden, so liegt der Ursprung dieser Altissa-Kleinbildkamera noch in die späten 1930er Jahren. Berthold Altmann hatte im Jahre 1935 die Eho-Fabrik übernommen und versuchte nun mit seinem zwischenzeitlich "Amca-Camera-Werk" genannten Betrieb, sich mit Hilfe besser ausgestatteter Kameras aus der Marktnische der billigen Boxkameras heraus zu etablieren [Vgl. Blumtritt, Dresdner Fotoindustrie, 2000, S.91.]. Nach einer einfachen zweiäugigen 6x6-Reflexkamera geriet das Augenmerk nun auf eine Kleinbildkamera.
Dabei weist die Geschichte der Altix erstaunliche Parallelen zur ähnlich gelagerten Tenax bzw. Taxona von Zeiss Ikon auf. Beide Kameras müssen als Reaktion ihrer Hersteller auf eine unvermittelt einsetzende große Veränderung im Photomarkt begriffen werden. Zwar gab es die auf dem billigen 35-mm-Material der Kinoindustrie basierende sogenannte Kleinbildphotographie schon seit mehr als einem Jahrzehnt, aber plötzlich war etwas geschehen, das den Trend zum kleinen Format enorm beschleunigte: In den Jahren 1935 und 1936 waren nämlich mit dem Kodachrom(e) und dem Agfacolor neu zwei Farbfilm-Materialien auf den Markt gebracht worden, die auf dem sogenannten Mehrschicht-Prinzip aufgebaut waren und die beide mit einer farbstoffgebenden Entwicklung arbeiteten. Mit dieser technischen Lösung ging ein fast einhundert Jahre alter Traum in Erfüllung, daß selbst ein unerfahrenen Amateur in die Lage versetzt würde, ohne Zuhilfenahme irgendwelcher Zusatzgeräte qualitativ hochwertige Farbbilder anzufertigen. Wie als sei dies noch nicht genug des Glückes, fiel das Verfahren aufgrund des kostengünstigen 35-mm-Filmes und des praktischen Umkehrverfahrens unerwartet erschwinglich aus. Und weil bereits nach kurzer Zeit die Lichtempfindlichkeit des Agfacolor auf 15/10 Grade DIN gesteigert werden konnte, was schließlich den damaligen mittelempfindlichen Schwarzweißfilmen entsprach, erlebte die neuartige Farbphotographie binnen kurzer Zeit eine ungeahnte Aufmerksamkeit. Dieser großen Nachfrage nach dem Kleinbild stand allerdings ein eklatanter Mangel an Kameras und Bildwerfern entgegen, die mit der Preiswürdigkeit des neuen Farbverfahrens einher gegangen wären. Der typische Photoamateur, der bislang mit einer Rollfilm-Faltkamera gearbeitet hatte, der konnte schlichtweg keine 300 oder gar 400 Mark für eine Leica oder Contax aufbringen.
Ein Exemplar der ursprünglichen Altix aus dem Jahre 1939 oder 1940, bei der auf eine Entfernungseinstellung verzichtet wurde. Es gab auch Modelle, bei denen das Objektiv zwischen "fern" und "nah" verstellt werden konnte [Bild: Stefan Lange].
Um so größer klaffte also Ende der 30er Jahre die Marktlücke für eine solche – nach damaligem Sprachgebrauch – wohlfeile Kleinbildkamera. Für eine gewisse Verzögerung sorgte dabei, daß die Hersteller offensichtlich erst nach Lösungen suchen mußten, um möglichst sparsamen Materialeinsatz mit hoher Präzision zu vereinigen. Waren bislang Amateure mit einem Kontaktabzug von ihrem Rollfilm-Negativ zufriedenzustellen gewesen, so mußte das nur briefmarkengroße Filmbildchen einer Kleinbildkamera nun stets ziemlich stark nachvergrößert werden – ganz gleich ob im Vergrößerungsapparat oder durch den Diaprojektor. Bislang tolerierbare kleinere Unschärfen im Negativ nahmen durch den hohen Vergrößerungsfaktor jetzt sofort unvertretbare Ausmaße an. Es wurde rasch klar, daß selbst eine einfache Kleinbildkamera stets mit einem anastigmatisch auskorrigierten Objektiv versehen werden und zweitens der Aufbau des Kameragehäuses möglichst starr ausgelegt sein müsse, damit die Leistung des Objektivs auch dauerhaft voll ausgeschöpft werden könne. Kameraaufbauten nach dem Boxprinzip mit einfachen Meniskuslinsen als Objektiv sowie billige Holzkonstruktionen mit Lederbalg erwiesen sich als für das Kleinbildformat völlig untauglich.
An der Altix kann ein phototechnisch Interessierter nun wunderbar ablesen, wie ein damaliger Hersteller jenen Widerstreit zwischen höchstmöglicher Präzision und möglichst preisgünstiger Fertigung für sich gelöst hat. Aufbauend auf der bisher bei Eho bzw. Altissa vorhandenen Herstellungstechnologie, waren die Altix-Kleinbildkameras ursprünglich reine Blechkonstruktionen: Gestanztes, umgeformtes und anschließend miteinander verschweißtes, vernietetes oder verschraubtes Stahl- und Messingblech.
Das hat übrigens einen ganz einfachen Grund: Stanz- und Umformteile waren zwar durch die vielen Arbeitsschritte und dem dazwischenliegenden Werkzeugwechsel aufwendig und arbeitsintensiv herzustellen; aber auch kleinere Betriebe beherrschten diese Technologie. Demgegenüber hatten während der 30er Jahre leichte und dennoch sehr feste Alumiuniumteile den Kamerabau revolutioniert. Diese wurden entweder im Kokillen- oder im Druckgußverfahren hergestellt. Insbesondere für solcherlei hochpräzise Teile aus Aluminium-Druckguß mußten jedoch meist Spezialfirmen beaufragt werden. Eine dieser Firmen befand sich beispielsweise in Berlin-Weißensee. Dort wurden nachweislich die Grundkörper der Meister-Korelle hergestellt. Eine noch größere Rolle für den Dresdner Kamerabau dürfte hingegen traditionell der (spätere) VEB Druckguß Heidenau (Betriebsteil Dohna) gespielt haben. Schon vor 1945 wurden hier beispielsweise die Außengehäuse der Standard- und Kiné Exakta hergestellt. Ohne einen Aluminium-Grundkörper wären solch komplexe Kameras wie die Contax II oder der Rolleiflex-Automat nicht denkbar gewesen.
Für kleinere Kamerabaubetriebe kam eine solche Lösung aber lange Zeit nicht infrage, obgleich sie gerade in Hinblick auf die Massenfertigung enorme Kostenvorteile geboten hätte. Doch mit dem Wechsel zur Druckguß-Technologie wäre ein Kamerahersteller eben ein ziemlich tiefgreifendes Abhängigkeitsverhältnis mit einem Zulieferer eingegangen, weil zur damaligen Zeit offenbar nur solcherlei Spezialfirmen über den entsprechenden Maschinenpark verfügten, um die Guß-Teile mit der nötigen Rentabilität auszustoßen. Für die Bedienung von Stanz- und Drückmaschinen reichten hingegen angelernte Arbeitskräfte schon aus. Kein Wunder also, daß in den Altissa-Werken jene Blechbauweise, wie sie sich über Jahre hinweg als Herstellungsmethode der hauseigenen Boxkameras bewährt hatte, zunächst weitergeführt wurde.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg brachte jene Blechbauweise zudem den Vorteil einer gewissen "Anpassungsfähigkeit" mit sich, die es erlaubte, die Kameras mit dem ständig wechselnde Angebot an Verschlüssen in Einklang zu bringen, indem kurzerhand die dafür notwendigen Ausschnitte aus ihrer Blechverkleidung ausgestanzt oder gar gefeilt wurden. Das erwies sich geradezu unverzichtbar für einen Hersteller, der unter den damals sehr widrigen wirtschaftlichen Bedingungen schnellstmöglich die Kamerafertigung wieder anlaufen lassen wollte. Offenbar wurden zunächst tatsächlich alle möglichen noch vorhandenen oder auf irgendeine Weise neu beschaffbaren Objektiv-Verschluß-Kombinationen verbaut. Noch war Deutschland nicht getrennt; nur in Besatzungszonen aufgeteilt. Daher Münchner Verschlüsse und Münchner Objektive an der zierlichen Kleinbildkamera aus Dresden, wie bei dem oben gezeigten Exemplar .
Doch schon mit der Währungsreform vom Sommer 1948; spätestens aber mit Gründung der beiden deutschen Staaten ein Jahr später änderte sich dieses Gefüge nachhaltig. Über lange Zeit hinweg etablierte Versorgungsstränge rissen jäh ab. Die DDR-Kameraindustrie mußte sich nun mit solchen Schlüsselprodukten wie den Zentralverschlüssen selbst versorgen – ein außerordentlich schwieriges Unterfangen übrigens, das über mehrere Jahre hinweg ein eklatantes Versorgungsproblem nach sich zog und den DDR-Kamerabau in der ersten Hälfte der 50er Jahre sehr belastete.
Eine Altix mit dem Saalfelder Novonar 3,5/35 mm, das eigentlich für die Taxona des VEB Zeiss Ikon vorgesehen war. Laut "Thiele" sollen im Jahre 1953 sogar 1000 Stück des Tessares 3,5/37,5 mm in der Altix III verbaut worden sein. Möglich war das deshalb, weil die Altix damals ebenso wie die Taxona noch mit dem Bildformat 24x24 mm arbeitete. Und weil das zierliche Novonar über ein Außengewinde verfügt, werden bei dieser Altix-Variante genau so wie bei der Taxona die Filter verkehrtherum eingeschraubt.
Erst als mit dem oben gezeigten Cludor der Baugröße 00 ein vergleichsweise hochwertiger Spannverschluß zur Verfügung stand, konnte sich der Dresdner Kamerabau endlich mit diesem Schlüsselprodukt selbstversorgen. In der Folge war an der Altix daher auch eine deutliche "Standardisierung" zu beobachten. Die Vielfalt an Objektiv-Verschluß-Kombinationen ging nun deutlich zurück. Und weil dadurch jetzt essentielle Baumaße verläßlich festlagen, konnte ein erster Schritt zur Abkehr von der Blechbauweise gewagt werden. Während bei der ganz oben auf der Seite gezeigten frühen Altix III selbst die Bildbühne noch aus Blech bestand, wechselte man zumindest für diesen Teil der Kamera um 1950 erstmals zur Druckgußtechnologie hinüber. Nun war es nicht nur viel besser möglich, den Abstand zwischen Filmgleitschienen und Anschraubflansch für den Zentralverschluß genau einzuhalten, sondern auch die Parallelität dieser beiden Ebenen. Auf diese Weise konnte nun mit hoher Präzision sichergestellt werden, daß die optische Achse genau senkrecht zum Film stand.
Das war insbesondere wichtig, als später mit den neuen Modellen Altix IV und Altix V das Aufnahmeformat auf die mittlerweile weltweit üblichen 24x36 mm erweitert wurde und eine mangelhafte Parallelität von optischer und mechanischer Achse unerträgliche Unschärfen in den Bildecken nach sich gezogen hätte. Deutlich ist nun eine gemischte Bauweise erkennbar: An einem Aluminium-Druckgußteil, das vorn die Anbaufläche für den Verschluß trägt und hinten die Filmbahn, ist das eigentliche Kameragehäuse angeschraubt, das nach wie vor auf einer Blechkonstruktion basiert. Auf dem Bild unten wird dies noch einmal aus rückwärtiger Sicht deutlich. Nur der innere Träger mit der eingravierten Seriennummer ist aus Aluminium. Mit dieser Bauweise blieb der Altix aber auch leider eine vollständig zu öffnende Rückwand versagt, die das unbequeme Filmeinlegen von unten erspart hätte. Das war erst mit der vollständigen Neukonstruktion der Kamera im Jahre 1957 zu verwirklichen. Gut zu sehen auf diesem Bild unten ist auch der Filmschaltmechanismus, bei dem der Transportknopf durch eine Sperrklinke festgesetzt wird, nachdem eine Bildlänge transportiert worden ist.
Ein wichtiger Schritt war auch der Wechsel zur Verschlußbaugröße 0, als mit der Altix V wirklich erstmals ernsthaft Wechselobjektive in das Altix-System eingeführt wurden. Im Gegensatz zur Werra oder der Pentina mußten für diese Objektive aber keine übermäßigen Maßnahmen zur Verhinderung von Vignettierungen ergriffen werden, da der eingesetzte Tempor einen deutlich größeren Durchlaß zu bieten hatte (Vergleiche dazu die Ausführung zu den Cardinaren für die Werra und Pentina mit denjenigen zum speziell für die Altix geschaffenen Telefogar 3,5/90). Durch die Konstruktion der Altix auf Basis eines Hinterlinsenverschlusses waren die Objektive wie bei der Spiegelreflex sehr weit von der Bildebene weggerückt, sodaß auch für diese Sucherkamera die neu geschaffene Retrofokus-Konstruktion des Meyer'schen Primagon 4,5/35 mm benötigt wurde.
In diesem Zusammenhang ist auch die Einführung eines neuen Bajonettanschlusses zu erwähnen, der nach einem Steck- und Klemmprinzip funktionierte, das unter Siegfried Böhm zuerst für die Praktina und Praktisix entwickelt wurde, dann aber auch so ähnlich bei der Werra und der Pentina Anwendung fand. Allerdings waren die jeweiligen Dimensionierungen stets unterschiedlich. Nur mit der Pentaflex 8 ist das Altixbajonett direkt kompatibel.
Doch die Strukturen im DDR-Kamerabau wandelten sich in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre mit rascher Vehemenz. Auch der kleine "VEB Altissa-Kamerawerk" – mit ca. 125 Angestellten im Jahre 1954 [Vgl. CIA-RDP79-01093A001000080001-9, S. 32] eher eine Kameramanufaktur als ein Industriebetrieb – wurde bald von dieser Entwicklung getroffen. Zunächst durchaus positiv übrigens. Dazu mehr im folgenden Abschnitt.
Erste Anzeichen für diesen Wandel im Dresdner Kamerabau lassen sich bereits an der oben gezeigten Altix V ausmachen. Nachdem im ersten Halbjahr 1957 der VEB Zeiss Ikon zerschlagen und der Stehbild-Sektor dieses Betriebes übergangsweise dem VEB Kamera-Werke Niedersedlitz unterstellt worden war, prangte paradoxerweise nun das KW-Logo einige Monate auf dem Tempor-Verschluß. Und das obwohl dieser Verschluß eindeutig eine Zeiss-Ikon-Entwicklung gewesen ist und die Kamera-Werke mit Zentralverschlüssen schlichtweg nichts am Hut hatten. Doch das ist nur eine Widerspiegelung des damaligen strukturellen Durcheinanders im Dresdner Kamerabau, das nach meinem bisherigen Kenntnisstand hauptsächlich dadurch ausgelöst wurde, daß der VEB Zeiss Ikon offenbar ab Jahresmitte 1956 unter der ernsthaften Gefahr stand, alle seine in der Bundesrepublik angemeldeten Patente an Zeiss Ikon Stuttgart zu verlieren. Mit der damaligen westdeutschen Doktrin des Alleinvertretungsanspruches wäre das schlichtweg darauf hinausgelaufen, daß die DDR-Kamerabauindustrie auf internationaler Ebene grundlegende Schutzrechtsansprüche eingebüßt hätte. Im zweiten Halbjahr 1956 wurden daraufhin in massiver Form Patente und Patentanmeldungen auf diverse andere DDR-Kamerabetriebe oder westdeutsche Alibi-Firmen umgeschrieben. Hergestellt wurde der Tempor freilich weiterhin von Zeiss Ikon (und zwar offenbar im Mimosa-Werk). Spätestens mit Gründung des VEB Kamera- und Kinowerke zum 1. Januar 1959 wurde das KW-Logo dann durch den Ernemannturm ersetzt, dem neuen Markenzeichen des "Volkseigenen Photokonzerns".
Immer dann, wenn Exporterlöse aus westlichen Ländern in Aussicht standen, dann durften auch Devisen für Westimporte ausgegeben werden. Denn mit dem etwas besser ausgestatteten Prontor SVS hatte die Altix wiederum bessere Exportchancen. Also gab es vereinzelt auch eine solche Variante.
Die etwas ältere Kontrollkarte, die unten zu sehen ist, bietet uns die heute sehr wertvolle Information, daß die Altix V Nummer 61.153 am 26. Oktober 1955 das Werk verlassen hat. Das zugehörige Tessar 2,8/50 war zuvor im November 1954 in Jena in die Endfertigung gegangen. (Bild: Calin Hategan)
Seltenes Bildmaterial aus der Produktion der Altix. Anlaß war der Ausstoß der hunderttausendsten Kamera im August (?) 1956, festgehalten von den Pressephotographen Erich Höhne und Erich Pohl [Bildquelle: Deutsche Fotothek, Datensätze 70602580 und 70604523]. Konstrukteure wie Arbeiterschaft zeigen sich sichtlich stolz in dem kleinen Kamerawerk in der Blasewitzer Straße 17. Die ursprüngliche Fabrik in der Lortzingstraße 38 war 1945 völlig zerstört worden.
Interessant ist auch die Kamera, die dieser Herr in den Händen hält. Es scheint sich um einen Prototyp zu handeln, der vielleicht bereits den Übergang zur kommenden Altix-n markiert. Könnte es sich etwa gar um Klaus Hintze handeln?
Mitte der 50er Jahre bot das New Yorker Handelshaus "Peerless", das schon vor dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg ein zentraler Importeur für deutsche (und insbesondere mitteldeutsche) Kameras gewesen war, die Altix IV als "Classic 35" an. [aus: Popular Photography, Juli 1956, S. 41].
Die Altix-n als vollkommene Abkehr vom bisherigen Aufbau
Auch wenn man im Altissa-Werk 1956 noch groß die Hunderttausendste Altix gefeierte hatte, so darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Umsatz der Altix V im selben Jahr stark einbrach [Vgl. Thiele: Altina E, Phot. Cab., 2019, S. 58ff.]. Die Kamera war einfach veraltet. Die Bedienung mit dem Filmtransport per Drehknopf und dem anschließenden getrennten Spannen des Verschlusses war zeitraubend und umständlich. Die Kunden kauften sich lieber eine einfachere Kamera, bei denen aber beide Vorgänge zugleich erfolgten und keiner besonderen Aufmerksamkeit bedurften – wie zum Beispiel bei den Modellen der Firma Beier. Zwar bot die Altix Wechselobjektive, aber deren Konzept hatte etwas Unausgegorenes. Erstens empfanden es Photoamateure als lästig, einen Zusatzsucher aufstecken zu müssen und zweitens hatten sie insbesondere mit dem Teleobjektiv das Problem, daß ein Schätzen der Entfernung fast immer zu Mißerfolgen führte. Und wer den Abstand zum Motiv mit einem externen Entfernungsmesser ermittelte und das Ergebnis anschließend auf das Objektiv übertrug, der fühlte sich auf eine Arbeitsweise aus der Zeit der Plattenkamera zurückversetzt. Ein Großteil des Sinns der raschen und problemlosen Kleinbildphotographie wurde auf diese Weise vergällt. Und als ab Mitte der 1950er Jahre auf einmal Spiegelreflexkameras wie die Exa oder die Praktica auch für Photoamateure des Inlandes verfügbar wurden, da waren diese immer weniger bereit, eine derart kompromißbehaftete Sucherkamera zu erwerben.
Im Altissa-Werk hatte man erkannt, daß man mit einer Sucherkamera nur dann bestehen könnte, wenn man endlich den Filmtransport mit dem Verschlußaufzug koppelt und damit die für das Kleinbild typische dynamische Aufnahmeweise ermöglicht. Zweitens war ein universeller Sucher für alle Brennweiten im Kameragehäuse notwendig, wenn das Prinzip der Wechselobjektive mit Schnellwechselbajonett einen Sinn haben sollte. Um aber gegenüber den Spiegelreflexkameras zu bestehen, war man sich drittens bewußt, daß allein ein mit dem Objektiv gekuppelter und ins Kameragehäuse integrierter Entfernungsmesser die Konkurrenzfähigkeit der Altix aufrecht erhalten würde.
Diese drei Aufgaben umzusetzen verlangte nach einer dermaßen umfassenden Änderung an der Altix, daß die bisherige Konstruktion ganz und gar aufgegeben werden mußte. Als wichtigstes Kennzeichen dafür wurde die gemischte Blechbauweise verlassen und das ganze Kamerachassis ganz und gar auf den modernen Aluminiumdruckguß umgestellt. Dies brachte den Vorteil, daß der Kameragrundkörper zu einer äußerst stabilen tragenden Struktur wurde, bei dem beispielsweise die Lagerstellen von Wellen mit viel höherer Maßhaltigkeit eingebohrt werden konnten, statt wie bisher in die vernieteten Stanzteile Lagerbuchsen einzupressen. Damit war die kleine Firma fertigungstechnisch auf einmal auf modernstem Niveau angekommen.
An dieser Stelle sollte allerdings nicht verschwiegen werden, daß dieser große Schritt vorwärts keine reine Eigenleistung des Altissa-Werkes mehr gewesen ist. Wie Hartmut Thiele erst vor wenigen Jahren aus der stark lädierten Aktenüberlieferung des Feinoptischen Werkes in Görlitz herauslesen konnte, hatte der VEB Altissa für seine neue Kamera-Reihe Hilfe vom VEB Kamera-Werke Niedersedlitz bekommen. Und zwar handelte es sich um ein Projekt, das Z-Kamera genannt wurde, wobei Z für Zentralverschluß stehen dürfte. In Dresden Niedersedlitz wollte man Mitte der 50er Jahre eine eigene Sucherkamera mit Wechselobjektiven herausbringen. Nachdem das Werk nun jedoch mit der Produktion der Praktica, der Praktina sowie der neuen Praktisix völlig ausgelastet war, entschied man sich im Herbst 1957 dafür, dieses Z-Kamera-Projekt abzubrechen. Wie die obige Aktennotiz einer Besprechung vom 26. Oktober wissen läßt, sollte vielmehr die offenbar schon weit fortgeschrittene Konstruktion der Z-Kamera an den VEB Altissa abgegeben werden. Daß in der Aktennotiz von "für die Z-Kamera entwickelten Objektiven" die Rede ist, obgleich es sich doch um dieselben Typen handelt, die seit Jahren für die Altix V im Angebot waren, läßt sich damit erkären, daß diese Niedersedlitzer Sucherkamera offenbar auf einen gekuppelten Entfernungsmesser hin ausgelegt wurde und die Objektive gezielt darauf angepaßt waren.
Doch zunächst ein Blick auf die völlig neue mechanische Konstruktion der Kamera. Dieser ist schon deshalb lohnenswert, weil mit dem DDR-Patent Nr. 20.881 vom 24. Dezember 1957 eine Primärquelle vorliegt, die nicht nur die völlig neu gelöste Transport- und Spannmechanik der neuen Altix-n genau beschreibt, sondern mit Nennung der Konstrukteure Kurt Heinze vom VEB Altissa und Klaus Hintze vom VEB Kamera-Werke auch belegt, daß aus Niedersedlitz nicht nur Konstruktionsunterlagen übergeben wurden, sondern auch personelle Schützenhilfe geleistet wurde.
Wir werden heute leider kaum noch völlig in Erfahrung bringen können, wie weit diese Z-Kamera schon gediehen war und wieviel dann bei Altissa noch hinzugefügt werden mußte. Ein klares Ziel der Entwicklungsarbeiten unter Altissa-Ägide lag aber darin, den bisherigen Filmtransportknopf der Altix V durch einen Schnellspannhebel zu ersetzen. Dazu mußte allerdings das Prinzip des Filmtransports bei der neuen Kamera gänzlich abgewandelt werden. Bislang wurde der Film direkt durch die auf der Welle des Transportknopfes sitzende Aufwickelspule durch die Kamera gezogen. Das in die Perforation eingreifende Zahnrad hatte lediglich die Aufgabe, die bewegte Filmlänge abzutasten. War eine Bildlänge, also acht Perforationslöcher entsprechend 38 mm Film, transportiert, wurde der Transportknopf durch das Einfallen einer Sperrklinke gestoppt. Bei der Altix-n wurde dieses Prinzip dahingehend aufgegeben, daß der eigentliche Filmtransport nun durch eine Zahnrolle bewerkstelligt wurde, die zudem endlich auch in beide Perforationsreihen eingriff. Demgegenüber war die Aufwickelspule für den Film nun mit einer Friktion ("Rutschkupplung") versehen, die für einen ausreichenden Bandzug beim Aufwickeln sorgte – aber eben deutlich weniger straff als zuvor! Nach diesem Verfahren arbeitete schon Barnacks Leica und es hatte sich seitdem als deutlich vorteilhafter erwiesen. Durch die viel geringere Beanspruchung des Films beim Aufwickeln und den dadurch herabgesetzten Windungsreibungen war die Neigung zum Verschrammen der Filmoberflächen viel geringer.
Zweitens wurde die Altix-n durch diesen Umbau auch deshalb auf ein gänzlich anderes Niveau gehoben, weil ebenjener verbesserte Filmtransport nun außerdem mit dem Verschlußaufzug gekoppelt wurde. Eine solche für den Kameranutzer ungemein nützliche Weiterentwicklung stellt den Kamerakonstrukteur aber vor ganz besondere technische Schwierigkeiten. Um diese Kupplung zu erreichen, müssen im Normalfall nämlich die Drehbewegungen des Filmtransportes in irgendeiner Form in eine Schwenkbewegung des Spannhebels des Zentralverschlusses umgewandelt werden. Bei der Werra hatte man den umgekehrten Weg eingeschlagen: Die Schwenkbewegung des Verschlußspannhebels wurde durch eine Zahnstange zusätzlich in eine Drehbewegung der Zahntrommel des Filmtransportes umgewandelt. Bei der Altix-n ist zwar auch eine Zahnstange vorhanden, aber diese funktioniert nach dem oben zuerst beschriebenen Prinzip: Der Spannvorgang wird aus dem Filmtransport abgeleitet, indem die zugehörige Drehbewegung in eine hin- und hergehende Bewegung eines Mitnehmers umgesetzt wird, die den Verschlußspannhebel erst antreibt um auf dem Rückweg anschließend dessen Ablaufweg sofort wieder freizugeben. Das ist sicherlich als der zentrale Punkt des Patentes Nr. 20.881 anzusehen.
Die obigen Zeichnungen stammen aus dem Altix-n Schlüsselpatent von 1957. In Figur 3 ist Gut zu erkennen, wie die Welle, auf der der Verschlußspannhebel sitzt, durch die innen hohle Aufwickeltrommel in den Bodenraum der Kamera zum dortigen Spanngetriebe geführt wurde, das seinerseits in Figur 4 zu sehen ist. Auf diese Weise wurde die gesamte linke Oberseite der Kamera für den Einbau eines Meßsuchers verfügbar gemacht.
Unten sieht man, wie der in Figur 4 gezeigte Zahnstangenmechanismus zum Spannen des Verschlusses in der Kamera aussieht. Gleichzeitig ist das stabile Druckguß-Chassis der Kamera deutlich zu erkennen.
Als zentraler Beweggrund, große Teile des Transport- und Verschlußspanngetriebes in den Bodenraum der Kamera zu verlegen, wird in der Patentschrift angegeben, um auf der Oberseite der Kamera Platz für das optische System eines Meßsuchers zu schaffen. Daraus kann man schließen, daß die offensichtlich bereits im Z-Projekt verfolgte Kupplung des optischen Entfernungsmessers mit der Scharfstellung des Objektivs auch für die neuartige Altix zu übernehmen. Es sind tatsächlich Prototyp-Kameras erhalten geblieben, die belegen, daß dieses Ziel ernsthaft verfolgt wurde. Eine Überführung in die Serienfertigung erfolgte indes nicht. Hierzu hätte es nämlich nicht genügt, allein die Kamera entsprechend umzurüsten. Denn auch die Zulieferfirmen für die Objektive wären in diese Umgestaltung der Altix einzubeziehen gewesen. Bei einem gekuppelten Meßsucher muß schließlich der Metertrieb des Objektives mechanisch abgetastet und die Hubbewegung möglichst spielfrei in das Kameragehäuse weitergeleitet werden. Dazu hätte irgendwo ein Stößel, durch den "von der Stange" gefertigten Tempor Zentralverschluß geführt werden müssen. Das war nicht nur sehr aufwendig, sondern auch durch umfangreiche Patente insbesondere bundesrepublikanischer Hersteller beschränkt. Die Aktenüberlieferung bezeugt, daß der VEB Altissa im Jahre 1956 sogar Verbindungen zur Friedrich Deckel AG in München und Alfred Gauthier in Calmbach aufgenommen hatte, um eine Lizenz für die Durchführung des Abtaststößels durch den Zentralverschluß erhalten zu können. Die Gespräche scheiterten aber daran, daß die Firmen nur die eignen Compur- bzw. Prontor-Verschlüsse liefern wollten anstatt Lizenzen zu vergeben [Vgl. ebenda, S. 59.]. In jedem Falle wäre die Entfernungsmesserübertragung nicht ohne eine erhebliche Umänderung der Wechselobjektive umsetzbar gewesen, da Meyer-Optik und Zeiss Jena ihre Objektive auf einen einheitlichen Hub des Schneckengangs bzw. des Entfernungsmesser-Stößels hätten bringen müssen. Die ausgesprochen günstigen Preise für das Trioplan 2,9/50 und das Tessar 2,8/50 mit 49,- bzw. 71,- Mark wären damit aber keinesfalls zu halten gewesen; von den Wechselobjektiven ganz zu schweigen. Im Anbetracht dieser großen Hürden unterblieb letztlich die Produktionsüberführung der Meßsuchereinrichtung. Damit blieb mit der Notwendigkeit des Entfernungsschätzens jedoch ein großes Manko erhalten und trug damit wohl letztlich zu dem raschen Ende der Altix bei.
Bleibt noch zu erwähnen, daß das oben genannte Patent Nr. 20.881 zwar erst mit dem Stichtag 24. Dezember 1957 patentiert wurde, den beiden Inhabern jedoch eine Priorität für die Zurschaustellung ihrer Erfindung auf der Leipziger Herbstmesse 1957 zugebilligt wurde. Hier wurde diese neue Kamera nämlich erstmals gezeigt – und zwar nicht als Altix, sondern unter der vorläufigen Bezeichnung Altina [Vgl. Bild & Ton, Heft 9/1957, S. 250/251.].
Doch letztlich blieb man beim gewohnten Namen Altix und ergänzte ihn mit einem "n" für "neu". Und wenn man schon keinen Meßsucher verwirklichen konnte, dann sollte wenigstens der leidige Aufstecksucher wegfallen. Nachdem die Altix-n zunächst in der oben gezeigten Form erschien, wurde 1959 ein Leuchtrahmensucher eingeführt, bei dem die Bildbegrenzungen aller drei zur Verfügung stehender Brennweiten im eingebauten Sucher sichtbar wurden. Dazu wurden zwei helle Rahmen im Sucher eingespiegelt. Deutlich ist bei der unteren Kamera die kleine Plastikmattscheibe auf der Deckkappe sichtbar, die das Licht dafür bereitstellte.
Einen großen Zugewinn insbesondere für Freunde des farbigen Diapositivs brachte es, daß die neue Altix auch in einer Version mit einem eingebauten Belichtungsmesser geliefert wurde. Farbfilme mußten damals sehr genau belichtet werden und die Altix-nb ersparte die zusätzliche Mitnahme eines Handbelichtungsmessers. Eine Kupplung des Meßwerks mit der Blenden- und Verschlußeinstellung, wie bei etlichen westdeutschen Kameras, konnte jedoch nicht erreicht werden.
Aber wenigstens gelang es nach einiger Zeit, die im Patent 20.881 erarbeiteten konstruktiven Vorteile voll auszunutzen. War der Belichtungsmesser des ursprünglichen Modells der Altix-nb quasi nur als separates Teil oben auf die Kamera aufgepflanzt worden, so konnte dieser etwa ein Jahr später harmonisch in das Gehäuse integriert werden, weil die Oberseite der Kamera schließlich für den angedachten Entfernungsmesser von Getriebeteilen entlastet worden war. Nun nahm wenigstens der Belichtungsmesser diesen Platz ein und verschwand mit unter der Deckkappe. Der eigentliche Anlaß für diese Umgestaltung war aber, daß auch die Altix-nb mit dem praktischen Leuchtrahmensucher versehen wurde, weshalb der Belichtungsmesser, um genügend Platz für das Fenster der Leuchtrahmen-Beleuchtung zu schaffen, auch etwas nach rechts verschoben werden mußte. Diese verbesserte Altix-nb markierte gleichsam den Höhepunkt der Kameraentwicklung im Altissa-Werk.
Die Markteinführung dieses Spitzenmodells der Altix mit Leuchtrahmensucher und in den Kamerakörper integriertem Belichtungsmesser muß wohl zur Herbstmesse 1959 erfolgt sein, denn zu jenem Anlaß waren die Photojournalisten Erich Höhne und Erich Pohl wieder einmal im Altissa-Kamerawerk zu Gast [Deutsche Fotothek, Datensatz 70602937].
Abschließend möchte ich noch einmal auf eine Kamera verweisen, bei der so offensichtlich ist, daß sie den Dresdnern als Vorbild für ihren Umbau der Altix gedient hat. Die Rede ist von den Diax-Modellen der Firma Voss in Ulm. Und seit Hartmut Thiele die oben bereits erwähnten Akten durchgesehen hat, wissen wir sogar mit Gewißheit, daß genau eine solche Kamera bei Altissa auf dem Tisch gestanden hat, als man 1956 die Modernisierung der Altix ins Auge faßte. Dabei hatte Herr Voss zuvor quasi dieselben Probleme zu lösen gehabt, wie nun die Dresdner. Um gegenüber Herstellern wie Zeiss Ikon Stuttgart oder Voigtländer in Braunschweig konkurrenzfähig zu bleiben, hatte er Mitte der 1950er Jahre seine einfachen Sucherkameras nämlich sukzessive zu einer modernen Reihe mit Wechselobjektiven und gekuppeltem Meßsucher weiterentwickelt (Diax IIa und IIb). Und wenn man nun diese Kameras im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen genau studiert, fallen einem umgehend etliche konstruktive Schwierigkeiten ins Auge, denen sich der VEB Altissa-Betrieb im Jahre 1956 nun auch gegenüber sah. Walter Voss (1908 -1968) wagte die aufwendige Weiterentwicklung, konnte aber den Niedergang seiner Firma nicht aufhalten und stellte im Dezember 1957 die Kamerafertigung ein. In Dresden vollzog man diese Weiterentwicklung deutlich halbherziger und läutete damit ebenfalls das Ende der Altix ein. Da half auch die Eingliederung des Altissa-Werkes in den neuen Photo-Großbetrieb VEB Kamera- und Kinowerke im Januar 1959 nichts. Trotz dieser aufwendigen Neukonstruktion der Altix wurde diese Kamera offenbar noch bis zum Ende des Jahres 1960 aus der Fertigung genommen und gelangte anschließend in den Abverkauf. Als Anhaltspunkt dafür kann hergenommen werden, daß lt. Thiele im Dezember 1960 die Fertigung der letzten 5000 Tessare 2,8/50 für diese Kamera begonnen wurde. Das würde auf ein Auslaufen dieser Reihe im Jahr 1961 deuten – nach nur drei Jahren Fertigungsdauer.
Aus technikgeschichtlicher Sicht fallen die Parallelen zwischen der Altix und den Diax-Modellen der Firma Walter Voss in Ulm auf. Auch hier war der Ausgangspunkt in den Jahren 1946/47 eine einfache Sucherkamera mit vor dem Verschluß gesetztem Objektiv. Filmtransport und Verschlußaufzug waren miteinander gekuppelt. Das Spitzenmodell Diax II bekam 1951 einen Entfernungsmesser. In einem nächsten Schritt wurden die Objektive auswechselbar gestaltet (Diax Ia, 1952) und diese Wechselobjektive anschließend mit dem Entfernungsmesser gekuppelt (Diax IIa, 1954, oben). Als letzte Neuentwicklung wurde im Jahre 1956 mit dem Modell Diax IIb ein Schnellspannhebel eingeführt (unten), wofür die Position der Entfernungsmesserübertragung verlegt werden mußte und daher neue Objektive eingeführt wurden. Bereits im Jahr darauf wurde der Bau dieser Kameras allerdings eingestellt. Trotz technischer Perfektionierung und hoher Fertigungsqualität waren diese Art Sucherkameras gegenüber der boomenden Spiegelreflexphotographie nicht mehr konkurrenzfähig.
Daß die Meßsucher-Altix nie erschien und die gesamte modernisierte Altix-Reihe nach so kurzer Zeit eingestellt wurde, könnte neben den oben genannten technischen auch rein ökonomische Gründe gehabt haben. Schließlich fällt auf, daß das Ende der Altix zeitlich sehr eng mit den drastischen Preissenkungen im Photohandel vom Mai 1960 zusammenfällt. Die könnten zur Folge gehabt haben, daß sich weder eine Weiterproduktion noch gar die Weiterentwicklung dieser Kamera wirtschaftlich gelohnt haben. Auch bei der Altix waren die Kamerapreise inkl. Normalobjektiv mit Werten zwischen 11 und 16 Prozent deutlich zurückgedrückt worden. Bei solch einem einfachen Amateurgerät, das ohnehin keine allzu große Gewinnspanne erwarten läßt, war eine derartiger Einschnitt durchaus weitgreifend. Im VEB Kamera- und Kinowerke, der ja nicht zuletzt aufgrund von wirtschaftlichen Problemen der gesamten Dresdner Kameraindustrie gegründet worden war, mußte nunmehr mit sehr spitzem Bleistift gerechnet werden. Im NSW-Export stark rückläufige und im Inland Verluste einbringende Gerätschaften wurden daher rigoros gestoppt. Ausführlicher gehe ich auf diesen bislang völlig unbeachteten Aspekt des Preisschnitts und dessen Auswirkungen auf den Dresdner Photogerätebau in einem gesonderten Aufsatz ein.
Übrigens hätte diese überarbeitete Altix-n mit dem Leuchtrahmensucher eigentlich Altix nL heißen sollen. Jedenfalls ist sie unter dieser Bezeichnung im Sachnummernverzeichnis des DDR-Photogerätebaus (Nr. 122 009) aufgelistet. Wie man oben an dem sehr späten Prospekt erkennt, wurde diese Umbenennung aber nicht offiziell durchgesetzt und auch nicht auf die Deckkappe graviert. Auch beim Modell mit Belichtungsmesser, das im Sachnummernverzeichnis mit Altix nbL (Nr. 123 009) angegeben ist, wurde der Name in der Praxis nicht verändert. Für die Ersatzteilversorgung der Werkstätten waren diese Unterscheidungen natürlich von äußerster Wichtigkeit! Daher die abweichenden Sachnummern.
Der erste Prospekt oben zur nochmals überarbeiteten Altix-nb mit Belichtungsmesser in der Deckkappe zeigt noch das Firmenlogo des VEB Altissa. Ab Januar 1959 zierte dann der Ernemannturm als Symbol des neu gegründeten VEB Kamera- und Kinowerke die Vorderseite des Prospekts.
Mittlerweile kann ich übrigens noch eine weitere in Vergessenheit geratene Produktbezeichnung nachreichen: Aufgrund einer Liste in Johannes Steiners Fotojahrbuch 1959 auf Seite 325 kann man erkennen, daß die Altix mit Meßsucher nicht nur tatsächlich fest im Lieferprogramm eingeplant war, sondern daß auch bereits ein eigener Name festgelegt worden war. Die Kamera mit Entfernungsmesser hätte Altix-n e gehießen, dasjenige Modell mit zusätzlichem Belichtungsmesser Altix-n be.
Die Patentliteratur aus jener Zeit läßt erahnen, daß man in den neuen Kamera- und Kinowerken damals offenbar noch viel viel umfangreichere Weiterentwicklungen im Blick hatte. Daß diese Arbeiten zum Teil noch vom ehemaligen Altissa-Werk ausgingen, darauf deutet die bereits oben erwähnte Schlüsselperson Klaus Hintze hin, der maßgeblich hinter der Altix-n gestanden hatte. Seine Patentschriften aus dem Jahre 1960 zielten jetzt aber auf elektromotorische Antriebe und Belichtungsautomatiken ab. Im oben gezeigten Ausschnitt aus dem Sachnummernverzeichnis der DDR Photoindustrie ist zudem von einer Altina F und einer Altina W jeweils mit Belichtungshalbautomatik die Rede. Für die Betriebsgeschichte des Dresdner Kamerabaus scheint mir relevant, daß etliche dieser Entwicklungen Hintzes kurze Zeit darauf tatsächlich in der Prakti verwirklicht wurden. Diese auf der Herbstmesse 1960 vorgestellte Kamera sollte ein neues Zeitalter für die Kleinbildkamera einläuten und die bisherigen rein mechanischen Kameras obsolet werden lassen. Wir wissen heute allerdings, daß diese Prakti vielmehr für den Anfang vom Ende der Fertigung hochwertiger Sucherkameras durch den Dresdner Kamerabau steht.
Neben der mangelnden Weiterentwicklungsfähigkeit und der durch den Preisschnitt von 1960 nicht mehr lohnenden Produktion könnte es noch einen dritten Grund gegeben haben, weshalb die beliebte Altix-Reihe kurz nach ihrer aufwendigen Modernisierung doch recht abrupt eingestellt wurde: Das Schlüsselprodukt Zentralverschluß nämlich. Der Tempor Spannverschluß war ursprünglich ein Erzeugnis des VEB Zeiss Ikon, um bei den hauseigenen Erconas von Westimporten wegzukommen. Er wurde aber auch anderen Kameraherstellern wie dem Certo-Werk zur Verfügung gestellt. Für die Altix gab es eine Sonderversion ohne hinteres Einschraubgewinde. Nachdem die ganzen Rollfilm-Faltkameras, für die der Tempor eigentlich gedacht war, wegen der eingebrochenen Nachfrage nach ihnen eingestellt worden waren, blieben die Altissa-Werke quasi als einziger Nachfrager nach diesem Typus übrig. lch kann mir gut vorstellen, daß die Kamera- und Kinowerke von diesem aufwendig zu fertigenden Zentralverschluß loskommen wollten
Obwohl die Altix-Reihe eigentlich schon eingestellt worden war, brachte Meyer-Optik Görlitz für diesen Anschluß 1963 noch das Lydith 3,5/30 mm heraus. Wenig bekannt ist, daß es auch einen Wechseladapter mit Altix-Bajonett für die neuen Teleobjektive Orestor 2,8/135 und Orestegor 4/200 gab. Wie sinnvoll es war, diese sehr langen Brennweiten ohne Scharfstellhilfe an die Altix anzusetzen, will ich freilich dahingestellt lassen.
Marco Kröger
letzte Änderung: 9. Januar 2024
Yves Strobelt, Zwickau
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