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Phototechnik aus Jena, Dresden und Görlitz
Das Trioplan
Führende Objektivbauanstalten haben immer eine Spitzenkonstruktion im Angebot. Und dann gibt es noch ein Butter- und Brot-Objektiv mit dem sich Geld verdienen läßt...
Das Trioplan 1:3 von 1914
Es ist nicht genau bekannt, wann die Firma Optisch-Mechanische Industrie-Anstalt Hugo Meyer & Co in Görlitz die ersten Triplet-Objektive unter dem Namen Trioplan herausgebracht hat. Die früheste Erwähnung des Trioplans findet sich in den Fachzeitschriften des Jahrganges 1914; so in der Photographischen Rundschau (siehe Meldung unten), in der Photographischen Chronik Nr. 50 vom 21. Juni 1914 sowie in Eders Jahrbuch. Hier heißt es, Meyer fertige jetzt ein Trioplan 1:3 in den Brennweiten 35 bis 90 mm für Kinoaufnahme-Kameras und Projektoren. Demnach war das damals stark wachsende Metier der Kinematographie der Anlaß, ein solches dreilinsiges Objektiv nach dem Vorbild Dennis Taylors in das Programm zu nehmen. Insbesondere die Schmalfilmformate 8 und 16 mm blieben dann auch auf Jahrzehnte hinweg eines der wichtigsten Einsatzfelder des Trioplans.
So sah das erste Trioplan aus, als es im Sommer 1914 auf den Markt gebracht wurde. Die hohe Lichtstärke von 1:3 war eine Reaktion auf die Bedürfnisse der Spielfilmindustrie. Da bei der Kinokamera die Belichtungszeit aufgrund der Bildwechselzahl unveränderlich festlag, die Filmempfindlichkeit und der Einsatz von Kunstlicht seinerzeit aber technisch noch sehr eingeschränkt war, konnte ein Ausgleich nur durch möglichst lichtstarke Objektive erreicht werden. Dieses Trioplan kam daher genau zum rechten Zeitpunkt, denn nur wenige Wochen später brach der Weltkrieg aus und die Kinematographie entwickelte sich rasch zum ersten modernen technischen Propagandainstrument.
Möglicherweise wurden diese ersten Trioplane von einem Dr. Servus berechnet, der bei Meyer kurz zuvor Doppel-Anastigmate nach dem Dagor-Typus mit der hohen Lichtstärke 1:4,2 gerechnet hatte. Diese Objektive wurden unter dem Namen Silesar auf den Markt gebracht. Die Urheberschaft dieses kurz vor dem Weltkrieg neu herausgekommenen ersten Kino-Trioplans ist jedoch alles andere als gesichert.
Porträt-Trioplan 1:3 und Trioplane 1:4,5 und 1:6,8
Nach dem Ersten Weltkrieg war dann aber auch ein sogenanntes Porträt-Trioplan f/3 für größere Plattenformate im Angebot mit den Brennweiten 12; 15; 18; 21; 26; 30; 36; 42 und 48 cm. Diese dreilinsigen Anastigmate lösten nun die Petzval-Typen f/3 ab, die Meyer als Atelier-Schnellarbeiter im Programm hatte – so wie unzählige andere Firmen auch. Diese Porträt-Trioplane waren aber nach wie vor reine Spezialobjektive, die fast nur von Berufsphotographen gekauft wurden.
Erst die ebenfalls nach 1918 herausgebrachten Meyer Trioplane 1:4,5 und 1:6,8 waren echte Universalobjektive mit normalem Bildwinkel, die als einfachste Bauform des Anastigmaten nun sukzessive die alten billigen aplanatischen Objektive ablösten, deren Bildschärfe außerhalb der Achse durch Wölbung stets sehr stark nachließ. Trioplane hingegen ermöglichten es nun auch weniger betuchten Berufsphotographen und auch dem preisbewußten Amateur, seine Kamera mit einem bis zum Bildrand hin scharfzeichnenden Objektiv auszustatten. Es wurden Trioplane als Normalobjektive für die Rollfilmformate mit Brennweiten zwischen 6 und 12 cm fabriziert genau so wie für die vom Amateur benutzen Plattengrößen 9x12 und 10x15 und darüber hinaus. Die längste Brennweite betrug damals stolze 450 mm.
Trioplane 1:3,5; 1:4,5 und 1:6,3
Für Rollfilm- und Filmpack-Kameras sowie Atelier-Kameras der Plattenformate 13x18 cm und größer wurde in der Zwischenkriegszeit eine neue Serie eines Trioplans 1:4,5 geschaffen, das bei Abblendung einen Bildwinkel von etwa 55 bis 60 Grad abdeckte. Zusätzlich wurde das Trioplan 1:6,8 durch eine neue Serie der Öffnung 1:6,3 ersetzt, das bereits bei voller Öffnung 60 Grad erreichte. Beide Typen wurden bis zur Brennweite 36 cm gebaut, um damit Formate bis 24x30 cm auszuzeichnen. Zusätzlich wurde eine neue Serie von Porträt-Trioplanen geschaffen, die in den Brennweiten zwischen 21 und 48 cm eine Lichtstärke von 1:3,5 (bzw. 1:3,2) bot.
Trioplane mit der Lichtstärke zwischen 1:3,5 (und sogar 1:3,2) und 1:6,3 waren für Atelierzwecke genau so gefragt wie für Amateurkameras. Eine Besonderheit stellte die Beziehung der Firma Hugo Meyer mit dem Kamerawerk des Johan Steenbergen in Dresden dar. Die Objektive wurden speziell als Meyer Ihagee-Anastigmat geliefert. Später wurde die Herkunft aus Görlitz sogar oft vollständig verschleiert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben von den Großformat-Trioplanen 1:4,5 nur die Typen mit den Brennweiten 260; 300 und 360 mm übrig. Für die kürzeren Brennweiten 180; 210 und 240 mm wurde hingegen der nach dem Dagor-Typ aufgebaute Doppel-Anastigmat mit der Lichtstärke 1:6,8 wieder aufgelegt und für Weitwinkel-Aufnahmen der Aristostigmat 1:6,3 in den Brennweiten 100; 120 und 160 mm. Vom Porträt-Trioplan 1:3,5 blieb hingegen nur eine Brennweite von 210 mm übrig, die speziell für die Mentor Atelier-Reflex 9x12 und 10x15 cm angeboten wurde. Dieses Großformat-Portfolio von Meyer-Optik blieb bis mindestens Anfang der 60er Jahre unverändert [Vgl. Fotografie, Heft 10/1959, S. 396.].
Die Trioplane 1:3,5; 1:2,9 und 1:2,8 für Schmalfilm-, Kleinbild- und Mittelformat-Kameras
Seit der zweiten Hälfte der 1920er Jahre kamen dann mit dem Schmalfilm einerseits, sowie den Roll- und Kleinbildformaten auf der anderen Seite, zwei völlig neue Anwendungsbereiche des Trioplans hinzu, in denen es seine Vorzüge erst so richtig ausspielen konnte: Der einfache Aufbau sorgte für eine kostengünstige Fertigung, die den Preis für die gesamte Kamera-Objektiv-Kombination nicht allzusehr in die Höhe trieb. Waren zuvor einfache Amateur-Geräte noch mit sogenannten "Detektiv-Aplanaten" versehen, bei denen nur der Name toll klang, die Bildleistung aber geradezu schrecklich war, so konnten nun auch diese einfachen Photoapparate für den Einsteiger mit einem hochwertigen Anastigmaten versehen werden. Das war eine Errungenschaft, die nicht nur der einfach aufgebauten Triplet-Konstruktion per se zu verdanken war, sondern außerdem den hohen Stückzahlen, die von Firmen wie die des Hugo Meyer nun ausgestoßen wurden und damit die Preise fallen ließ.
Der Katalog-Auszug oben aus dem Jahre 1933 zeigt, daß damals bereits ein erstes Trioplan 2,8/10,5 cm für die Kleinbildkamera (nämlich für die Leica) geschaffen worden war. Diese Trioplane 4,5 und 2,8/10,5 cm waren sogar mit dem eingebauten Entfernungsmesser der Leica II gekuppelt!
Ein Katalog zu Kiné-Objektiven aus demselben Jahr zeigt die Vielfalt an Trioplanen 1:2,8 für 8- und 16-mm-Schmalfilmkameras. Unten beispielhaft ein Trioplan 2,8/7,5 cm für das C-Gewinde der 16-mm-Kameras.
Während das kostengünstig herstellbare Trioplan 1:6,8 in den 1920er Jahren noch nach wie vor bei einfachen Rollfilm- und Filmpack-Kameras zum Einsatz kam, erlaubte der Einsatz neuartiger Glasarten, das Triplet allgemein auf ein deutlich höheres Niveau zu heben. Es war nun eine beträchtliche Steigerung der Lichtstärke möglich, ohne daß dabei die Eigenschaft des Dreilinsers als Universalobjektiv verloren ging. Mitte der 1930er Jahre begann daher die Zeit einer beachtenswerten Dominanz der Trioplane 1:3,5 und 1:2,9 im Sektor der Kleinbild- und Mittelformatkameras der mittleren Preislage, die bis weit in die 1960er anhalten sollte. Diese Objektive zeichneten sich dadurch aus, daß sie zwar genügend Lichtstärke-Reserven für ungünstige Aufnahmesituationen boten, ihre bei voller Öffnung durchaus etwas weiche Charakteristik bei mittlerer Abblendung aber rasch verschwand, sodaß die Aufnahmen nun kaum noch von solchen unterschieden werden konnten, die mit einem Tessartyp angefertigt worden waren.
Während bei vielen Kameras die Ausstattung mit Spitzen-Objektiven den Gesamtpreis rasch in unerschwingliche Höhen trieb, blieb dieser mit Triplet-Objektiven in einem Rahmen, daß sich auch ein mittlerer Angestellter eine Reflexkamera wie beispielsweise die Welta Perfekta leisten konnte. Deshalb fuhren viele Objektivhersteller zweigleisig: Zeiss lieferte für die Rolleiflex das Tessar, für die Rolleicord jedoch das Triotar, Schneider Kreuznach hatte neben Tronniers Xenaren auch dessen Radionare im Angebot. Meyer Görlitz folgte dieser Modellpolitik in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre, indem sie für höhere Ansprüche Schäfters vierlinsige Primotare in das Programm aufnahmen, für normale Ansprüche jedoch das Trioplan vorsahen. Damit blieben sie preislich stets konkurrenzfähig und für den Kunden attraktiv. Auf diese Weise konnte beispielsweise die oben gezeigte Welta Perfekta mit dem Trioplan unter der symbolischen (Schmerz-) Grenze von 100 Reichsmark gehalten werden.
Einen Vorstoß in völlig neue Regionen für den Photoamateur bedeutete die Einführung eines neuen Trioplans 1:2,9. Auch der kleinen Kamerafabrik Certo war es damit möglich, einen Spitzen-Apparat für unter 100 Reichsmark auf den Markt zu bringen. Die Kamerabauanstalten in und um Dresden herum wurden nun zum zuverlässigen Abnehmer für Görlitzer Objektive. Eine Besonderheit stellte dabei die Dresdner Ihagee des Johan Steenbergen dar, weil diese Meyer-Objektive unter der originalen Herstellerbezeichnung sowie unter dem Markennamen Ihagee-Anastigmat im Angebot hatte – zum Teil sogar gleichzeitig parallel. Mit dieser Produktpolitik konnte die Görlitzer Fabrik offenbar stets zuverlässig ausgelastet werden.
Diese Trioplane 1:2,8 und 1:2,9 waren von Stefan Roeschlein gerechnet worden [Vgl. Brandt, Hans-Martin: Das Photo-Objektiv: Aufbau und Wirkungsweise der wichtigsten Markenobjektive der Weltproduktion, 1956, S. 123.], als dieser für einige Jahre bis zum Sommer 1936 bei Meyer in Görlitz beschäftigt war. Auch das bis in die 1960er Jahre hergestellte Trioplan 3,5/75 mm wurde von ihm geschaffen. Wie alle Objektive dieser asymmetrischen Bauart, bei denen die vorderste Sammellinse ziemlich kurze Brennweite hat, eignet sich das Trioplan sehr gut für die sogenannte Frontlinsenverstellung. Bei ihr wird diese vorderste Linse in einem feinen Gewinde gefaßt und durch Drehung um ganz geringe Beträge von den beiden anderen Linsen entfernt, wodurch sich die Gesamtbrennweite des Objektivs ein wenig verkürzt. Da die Bildweite der starren Kamera aber gleich bleibt, ergibt sich eine entsprechende Auszugsverlängerung, weshalb man näher an das Motiv herangehen kann. Auf diese Weise konnte der Kamerahersteller auf die Konstruktion einer aufwendigen Entfernungseinstellung verzichten. Die merkliche Bildverschlechterung beim Verändern der Linsenabstände wurde in Kauf genommen, da im Nahbereich ohnehin aufgrund der geringen Schärfentiefe stets abgeblendet wird.
Diese Übersicht aus dem Jahre 1939, und damit kurz vor der Anzettelung des Zweiten Weltkrieges, zeigt die Weiterentwicklung des Trioplans während der 1930er Jahre auf. Die Porträt-Trioplane 1:3 waren duch zwei Ausführungen 1:2,8 und 1:3,5 ersetzt worden. Ebenso das Trioplan 1:6,8 durch eines mit der Lichtstärke 1:6,3. Für Kleinbild- und Rollfilmkameras gab es die Trioplane mit 5 bzw. 7,5 cm Brennweite in den Lichtstärken 1:2,9 und 1:3,5. Das bereits 1933 für die Leica gefertigte Trioplan 2,8/10,5 cm war nun exclusiv für die Exakta lieferbar, ergänzt durch ein Trioplan 4,5/12 cm. Für die Primarflex gab es ein Trioplan 2,8/10 cm und 3,5/8 cm.
Der historische Umbruch in der Phototechnik während der Zwischenkriegszeit wird besonders gut an dieser kleinen Korelle K von Franz Kochmann in Dresden deutlich. Nicht nur die Verwendung von Kinefilm und der originalen Bildgröße des Kinos mit den Ausmaßen 18x24 mm sind revolutionär, sondern auch die Fertigung des Kameragehäuses aus Phenoplast-Werkstoff. Neben Objektiven aller möglichen Lieferanten verwendete Kochmann auch ein Trioplan 2,8/3,5 cm als Normalobjektiv dieser Kamera sowie ein langbrennweitiges Trioplan 3,5/7,5 cm für Fernaufnahmen, die jeweils in das vordere Gewinde des Zentralverschlusses eingeschraubt werden konnten. Die Korelle K ist damit auch eine der Pioniere der Kameras mit Hinterlinsenverschluß und vorgesetztem Wechselobjektiv. Bilder: Igor Reznik
Trioplane im VEB Feinoptisches Werk Görlitz
Aufgrund dieses Vorteils erreichten die Trioplane für Rollfilm-Faltkameras und für starre Kleinbild-Tubuskameras eine enorme Verbreitung. Mit dem Wiederanlauf der Kamerafertigung in Dresden, Freital und Tharandt nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auch Roeschleins Trioplane 3,5/75 sowie die Typen 2,9/50 und 2,9/75 so bald wie möglich wieder gefertigt. Einen großen praktischen Nutzen brachte dabei die Einführung der Linsenentspiegelung, die bei Meyer durch ein rotes V (für "Vergütung") gekennzeichnet wurde. Nicht nur daß die effektive Lichtstärke dadurch ein wenig anwuchs; auch wilde Spiegelbilder und verschleierte Aufnahmen gehörten damit weitgehend der Vergangenheit an.
Das oben zu sehende Trioplan 2,9/75 mm wurde aber bald eingestellt; dafür geriet das Trioplan 3,5/75 mm zum großen Dauerbrenner für 6x6-Rollfilmkameras in den 50er Jahren. Die Welta- bzw. Rheinmetall-Weltax wurde mit ihm ausgestattet sowie ein paar wenige Serien der Precisa-Kameras von Beier. Der wichtigste Einsatzfall war dann aber ab 1954 die neue Weltaflex, bei der sowohl Aufnahme- als auch Sucherobjektiv mit dem Trioplan bestückt werden mußten, was einen gewichtigen Kostenfaktor für die ganze Kamera darstellte. Mit 189,- Mark war die hochwertige Trioplan-Variante der Weltaflex daher auch genau 20,- Mark teurer als mit dem einfacheren Meritar 3,5/75 mm – immerhin 12 Prozent! Kenner versuchten aber trotz der höheren Kosten lieber die Weltaflex mit Trioplan zu ergattern und ließen die Variante mit dem ROW-Rectan oder dem Ludwig-Meritar lieber im Schaufenster stehen.
Der Einsatz des Trioplans 3,5/75 mm an der Weltaflex brachte zwei Vorteile mit sich: Erstens fiel die qualitätsmindernde Frontlinseneinstellung weg, weil diese Kamera eine Gesamtverstellung der beiden Objektive zu bieten hatte. Zweitens konnte das Trioplan 3,5/75 mm in einem Zentralverschluß der Baugröße 00 untergebracht werden, während das lichtstärkere Trioplan 2,9/75 mm stets den nächstgrößeren Verschluß-Typ der Größe 0 benötigte.
Die Gesamtverstellung des Objektivs per Schneckengang blieb auch in der kommenden Zeit ein Qualitätsmerkmal einer Kamera. Insbesondere das lichtstarke Trioplan 2,9/50 mm, das nach wie vor auf Roeschleins Berechnung aus den 30er Jahren basierte, und das noch bis in die 60er Jahre hergestellt wurde, bedurfte aus qualitativen Gründen dringend einer Entfernungseinstellung per Schneckengang, weshalb selbst die einfachen Kleinbildkameras Welti und Beltica mit solchen Einrichtungen versehen wurden. Als Auswechselobjektiv für die Altix und die Exa war die Schneckengangfassung ohnehin unumgänglich.
In den 50er Jahren kamen noch zwei neue Trioplane 1:3,5 hinzu. Einmal hatte der VEB Feinoptisches Werk Görlitz – den Trendvorgaben aus der Bundesrepublik folgend – ein Trioplan mit der viel näher am Wert der Bilddiagonale liegenden Brennweite von 45 mm herausgebracht. Dieses lichtschwächere Trioplan 3,5/45 mm war auch wesentlich toleranter in bezug auf eine Frontlinsenfokussierung. Es war wohl ursprünglich für die Pentona geschaffen worden, kam dann aber auch bei Kleinbildkameras von Beier und Certo zum Einsatz.
Zu den letzten Trioplanen, die unter diesem Markennamen in Görlitz neu geschaffen wurden, ist das Trioplan 3,5/30 mm zu zählen, das für die auf der Leipziger Herbstmesse 1958 vorgestellte Orix bzw. Penti vorgesehen war. Die Bildgröße dieser Taschenkamera lag bei 18x24 mm – das sogenannte Halbformat. Dieses verlangte nicht nur nach einem Objektiv mit einer kürzeren Brennweite, sondern auch nach einem hohen Auflösungsvermögen, da die kleineren Negative entsprechend stärker nachvergrößert wurden. Das Trioplan 3,5/30 und sein Nachfolger, das auf der Frühjahrsmesse 1960 vorgestellte Domiplan 3,5/30 mm, stellen die leistungsfähigsten Triplet-Objektive dar, die in Görlitz je fabriziert wurden.
Damit ist auch schon angesprochen, welcher Wandel sich in Görlitz nach ziemlich genau 50 Jahren nun vollzog: Die Dreilinser wurden nun nicht mehr Trioplan genannt, sondern Domiplan. Das auf die Lichtstärke 1:2,8 gebrachte Trioplan 3,5/45 hieß nun Domiplan 2,8/45. Der Nachfolger des Trioplans 2,9/50 war das Domiplan 2,8/50 mit Automatischer Druckblende für Exakta-Bajonett und das M42-Gewinde. Diese Umbenennung erfolgte in einer kurzen Phase, wo in Görlitz aus welchen Gründen auch immer diese Vorsilbe "Domi-" bevorzugt wurde. Es gab neben dem Domiplan ein Domiron, ein Domigon, ein Domiton und außerdem noch ein Domigor. Diese an schlechte Wortspiele erinnernde Praxis wurde kurze Zeit später noch einmal wiederholt, als das Oreston, Orestor, Orestegor und Orestegon geschaffen wurde. Doch diese Experimente mit den Objektivnamen fanden nun kurz nach Gründung des Kombinates VEB Pentacon Dresden, zu dem ab 1968 auch der VEB Feinoptisches Werk Görlitz gehörte, endgültig ein Ende. Die Normal- und Wechselobjektive hießen ab etwa 1972 einfach alle "Pentacon" – mit einer Ausnahme: Beim Domiplan 2,8/50 mm blieb es bis zum Ende der DDR bei diesem Namen (auch wenn mit Bezeichnungen wie "Orestor" oder gar "Prakticar" 2,8/50 experimentiert wurde). Außerdem wurde das Domiplan 2,8/50 der Literatur zufolge seit den 70er Jahren vollständig in Bukarest gefertigt.
So erfolgreich Triplet-Objektive auch jahrzehntelang gewesen waren – sie konnten einfach nicht mehr mit den immens gestiegenen Anforderungen an die Photooptik mithalten. Als einfache Einbauobjekive in Sucherkameras hatten sie sich zwar bis in die Endphase der Analogphotographie gehalten, aber hochwertige Normal- und Wechselobjektive waren seit den 1960er Jahren zunehmend komplexer aufgebaut gewesen. Eine weitere Anhebung der Lichtstärke war auf Basis dieses einfachen Typs nicht mehr möglich, auch wenn es nicht an entsprechenden Versuchen gemangelt hat.
Das Trioplan 2,8/100: Mehr als nur Seifenblasen
Dieses Objektiv hat ja in den letzten Jahren für so einige Aufregung gesorgt. Es erzeugt nämlich Bubbeln. Das haben Leute entdeckt, deren liebstes Spielzeug die Digitalkamera ist. Anstatt auf mühselige Motivsuche zu gehen und sich über den richtigen Bildaufbau Gedanken zu machen, suchen sie lieber nach einer "Linse", die nichtssagenden Motiven den richtigen Pepp gibt – die Bubbeln eben. Damit photographieren sie dann die Blümchen auf ihrem Balkon. Und weil daraus ein Hype geworden ist, werden für dieses Objektiv wahrhafte Mondpreise gezahlt.
Aber genug der Polemik. Manche Könner erzeugen mit diesem Objektiv tatsächlich eindrucksvolle Bilder. Aber wie bei jedem Schaueffekt: Wird er zu exzessiv eingesetzt, dann nutzt er sich rasch ab. Eine eigentümlich harmonische Wiedergabe von Motivdetails, die außerhalb des Schärfebereichs liegen, haben viele ältere Objektive gemein. Bei diesem Trioplan kommt aber noch ein weiterer Effekt hinzu, der sich eigentlich auf einen Abbildungsfehler zurückführen läßt. "Falsches Licht" oder "Lichtfleck" nennt der Fachmann diese Erscheinung. Das heißt, bei einem bestimmten Lichteinfall kommen Spiegelbilder heller Motivteile, der Glasoberflächen, der Fassungsränder oder gar der ganzen Eintrittspupille zur Abbildung, die teilweise das gesamte Bild überlagern (in Form von "Kringeln"). Eigentlich ist der Objektivkonstrukteur bestrebt, diese Reflexe so gut wie möglich aus dem Bildfeld herauszuhalten. Bei solch einer einfachen Konstruktion, wie dem Trioplan, ist dies leider nicht vollständig machbar. Immerhin erzeugen die sechs Glas-Luft-Flächen des Triplets nicht weniger als fünfzehn Spiegelbilder. [Vgl. Naumann: Das Auge meiner Kamera, 2. Aufl., Halle, 1951, S. 55.]
Eine gewisse Meisterschaft was die Verwertung der speziellen Abbildungscharakteristiken des Trioplan 100mm innerhalb der Naturphotographie betrifft, hat sich die Photographin Ines Mondon erarbeitet - und zwar lange schon, bevor sich der berüchtigte Trioplan-Hype über den Globus verbreitete. Die Probleme, die sich dabei ergeben, kann jeder abschätzen, der selbst einmal versucht hat, aus dem ziemlich dokumentarischen Wesen der Photographie auszubrechen und so etwas wie "Kunst" hervorzubringen. Dabei ist der Grad zwischen besagter Kunst und dem Abrutschen in die Banalität oder in den Kitsch mehr als schmal. Aber Geschmäcker sind halt verschieden...
Man merkt eben dem Trioplan 2,8/100 mm deutlich an, daß es dich ein sehr altes Objektiv handelt. Es stammt noch von Stefan Roeschleins Intermezzo bei Hugo Meyer in Görlitz Mitte der 30er Jahre. Dieser hatte es als ein lichtstarkes ein Normalobjektiv für 6x6 Spiegelreflexkameras geschaffen. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde es zunächst exclusiv für die Primarflex der Firma Curt Bentzin in Görlitz gefertigt. Nach 1945 wurde es auch für die Meister-Korelle von Wefo bzw. Welta angeboten.
Oben: Das Trioplan 2,8/10 cm wurde in den 30er Jahren auch als Projektionsoptik in Zylinderfassung angeboten
Die eigentliche Zweckbestimmung des Trioplans 2,8/100 mm war jedoch als Normalobjektiv für das Format 6x6 cm. Unten ein mit dieser Kombination aufgenommenes Bild.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es aber auch als langbrennweitiges Wechselobjektiv für Kleinbild-Reflexkameras angeboten. Neben dem Bonotar war es damals das preiswerteste Zusatzobjektiv. 147 Mark und 20 Pfennige kostete es während der 50er Jahre; nach der großen Preisreduzierung vom Frühjahr 1960 sogar nur noch 105 Mark. Es wurde in sehr großen Stückzahlen für alle damaligen Kleinbild-Reflexkameras gefertigt – allem voran natürlich für die Praktica und die Exakta/Exa, aber auch für die Praktina. Diese sehr bekannte Variante sieht man unten auf der linken Seite. Sehr viel weniger bekannt ist die (offenbar nur kurzzeitig gefertigte) Version mit automatischer Druckblende, die auf der Frühjahrsmesse 1956 vorgestellt wurde. Hier begeistert die ganz ausgezeichnete Fertigungsqualität und die sinnreiche Konstruktion des Springblendenmechanismus. Werden auf dem Blendenring die roten Zahlen eingestellt, dann bleibt die Blende bis zur Auslösung voll geöffnet. Werden hingegen die schwarzen Blendenzahlen eingestellt, dann schaltet sich die Automatik ab. Diese Variante gab es meines Wissens nur mit Exakta-Bajonett.
Man muß ehrlicherweise zugeben, daß das noch aus den 30er Jahren stammende Trioplan mit der ambitionierten Lichtstärke 1:2,8 am Kleinbild immer ein wenig überfordert gewesen ist. Für den Amateur mit seinen 9x12-Abzügen spielten solche Qualitätsfragen zunächst eine untergeordnete Rolle, zumal er das Objektiv ohnehin meist ablendete. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre gab es aber einen sprunghaften Fortschritt in der Qualität der Kleinbildfilme. Mittlerweile nutzten auch Amateure eifrig den Farbumkehrfilm und man war es nun gewohnt, vor der Aufnahme die Belichtung genau zu messen, anstatt sie nur grob abzuschätzen. Diesem Trend folgend, trauten sich die Filmfabriken, sogenannte Dünnschichtfilme auf den Markt zu bringen, die zwar sehr viel genauer belichtet werden mußten, aber dafür ein deutlich besseres Auflösungsvermögen zeigten. Jetzt auf einmal traten Schwächen von Objektiven zutage, die vorher bei den alten, schwammigen Doppelschichtfilmen gar nicht aufgefallen waren. Und auch der neue Agfacolor Ultra mit seinen 16 bzw. 17 DIN Nennempfindlichkeit (also immerhin die Standardempfindlichkeit damaliger Schwarzweißfilme wie dem Isopan F) reizte dazu, auch einmal in Farbe bei vorhandenem Licht (available light) zu photographieren. Das lief nicht selten auf ein vollständiges Öffnen der Blende hinaus und nun auf einmal konnte es passieren, daß sich veraltete Objektive als schwächstes Glied der Kette entlarvten.
Das Trioplan N 2,8/100 mm
Offensichtlich aus diesen Gründen, da das alte und eigentlich für das 6x6-Format geschaffene Trioplan 2,8/100 nicht mehr auf der Höhe der Zeit war, wurde zur Frühjahrsmesse 1960 noch eine völlig überarbeitete Version dieses Objektives unter der Bezeichnung Trioplan N 2,8/100 mm herausgebracht. Bei gleichem Grundaufbau kamen hier moderne, hochbrechende Glassorten zum Einsatz, die die Abbildungsschwächen des Vorgängers stark verbesserten [Vgl. Bild & Ton 3/1960; S. 90].
Auch die automatische Druckblende wurde bei diesem Trioplan N gegenüber dem oben gezeigten Modell noch einmal deutlich weiterentwickelt. Sie funktionierte nun wie diejenige des Domiron 2/50, das auf der gleichen Messe erstmals gezeigt wurde. Für ein solch stark modernisiertes Objektiv waren die 170,- Mark, die man dafür aufbringen mußte, nicht übertrieben. Es bekam auch sogleich das Gütezeichen Q verliehen. Trotzdem wurde es aber rasch durch das wesentlich kleiner gebaute Orestor 2,8/100 mm ersetzt – ein Sonnar-Typ mit noch einmal verbessertem Auflösungsvermögen.
Mittlerweile habe ich auch eine Gebrauchsmusteranmeldung zum Trioplan N 2,8/100 vom 21. Oktober 1959 gefunden [Nr. DE1.805.326], aus der hervorgeht, daß bei diesem Objektiv wirklich der aktuellste Stand in Bezug auf die optischen Gläser zum Einsatz gekommen ist, nämlich für die sammelnde Front- und Rücklinse das neuartige Schwerkron SK 24 (n = 1,6636; v = 56,4) und für die mittlere Zerstreuungslinse das Schwerflint SF 17 (n = 1,6502; v = 33,7). Dabei war das Schwerkron SK 24 ein Lathan-Kronglas ähnlich dem bundesdeutschen LaK 4. Mit diesen sehr vorteilhaften Glasarten konnte um 1960 der Triplet Typ zum letzten Mal auf ein höheres Niveau gebracht werden. Doch die Glanzzeit dieser einfachen Konstruktion war bereits abgelaufen.
Marco Kröger
Letzte Änderung: 3. April 2024
Yves Strobelt, Zwickau
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