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Phototechnik aus Jena, Dresden und Görlitz
Das Trioplan
Führende Objektivbauanstalten haben immer eine Spitzenkonstruktion im Angebot. Und dann gibt es noch ein Butter- und Brot-Objektiv mit dem sich Geld verdienen läßt...
Trioplan 2,8/100 mm
Dieses Objektiv hat ja in den letzten Jahren für so einige Aufregung gesorgt. Es erzeugt nämlich Bubbeln. Das haben Leute entdeckt, deren liebstes Spielzeug die Digitalkamera ist. Anstatt auf mühselige Motivsuche zu gehen und sich über den richtigen Bildaufbau Gedanken zu machen, suchen sie lieber nach einer "Linse" (was für ein grauenhaftes Fachwort, das wir da von den Amerikanern übernommen haben), die nichtssagenden Motiven den richtigen Pepp gibt – die Bubbeln eben. Damit photographieren sie dann die Blümchen auf ihrem Balkon. Und weil daraus ein Hype geworden ist, werden für dieses Objektiv wahrhafte Mondpreise gezahlt.
Aber genug der Polemik. Manche Könner erzeugen mit diesem Objektiv tatsächlich eindrucksvolle Bilder. Aber wie bei jedem Schaueffekt: Wird er zu exzessiv eingesetzt, dann nutzt er sich rasch ab. Eine eigentümlich harmonische Wiedergabe von Motivdetails, die außerhalb des Schärfebereichs liegen, haben viele ältere Objektive gemein. Bei diesem Trioplan kommt aber noch ein weiterer Effekt hinzu, der sich eigentlich auf einen Abbildungsfehler zurückführen läßt. "Falsches Licht" oder "Lichtfleck" nennt der Fachmann diese Erscheinung. Das heißt, bei einem bestimmten Lichteinfall kommen Spiegelbilder heller Motivteile, der Glasoberflächen, der Fassungsränder oder gar der ganzen Eintrittspupille zur Abbildung, die teilweise das gesamte Bild überlagern (in Form von "Kringeln"). Eigentlich ist der Objektivkonstrukteur bestrebt, diese Reflexe so gut wie möglich aus dem Bildfeld herauszuhalten. Bei solch einer einfachen Konstruktion, wie dem Trioplan, ist dies leider nicht vollständig machbar. Immerhin erzeugen die sechs Glas-Luft-Flächen des Triplets nicht weniger als fünfzehn Spiegelbilder. [Vgl. Naumann: Das Auge meiner Kamera, 2. Aufl., Halle, 1951, S. 55.]
Eine gewisse Meisterschaft was die Verwertung der speziellen Abbildungscharakteristiken des Trioplan 100mm innerhalb der Naturphotographie betrifft, hat sich die Photographin Ines Mondon erarbeitet - und zwar lange schon, bevor sich der berüchtigte Trioplan-Hype über den Globus verbreitete. Die Probleme, die sich dabei ergeben, kann jeder abschätzen, der selbst einmal versucht hat, aus dem ziemlich dokumentarischen Wesen der Photographie auszubrechen und so etwas wie "Kunst" hervorzubringen. Dabei ist der Grad zwischen besagter Kunst und dem Abrutschen in die Banalität oder in den Kitsch mehr als schmal. Geschmäcker sind verschieden; aber wir finden, daß Frau Mondon diesen Spagat immer wieder aufs Neue meistert. Wer mag, kann sich selbst eingehender davon überzeugen: http://www.inesmondon.de
Das Trioplan 2,8/100mm ist nämlich ein altes Objektiv. Es stammt noch von Stefan Roeschleins Intermezzo bei Hugo Meyer in Görlitz Mitte der 30er Jahre. Ursprünglich war es ein Normalobjektiv – nämlich für Curt Bentzins Primarflex 6x6. Ich zeige es hier an einer Meister-Korelle aus der frühen Nachkriegszeit.
Das Trioplan 2,8/100mm in seiner ursprünglichen Zweckbestimmung als Normalobjektiv für das Format 6x6cm. Unten ein mit dieser Kombination aufgenommenes Bild.
Es wurde aber auch früh schon als langbrennweitiges Wechselobjektiv für Kleinbild-Reflexkameras angeboten. Nach dem Kriege war es (neben dem Bonotar) das preiswerteste Zusatzobjektiv. 147 Mark und 20 Pfennige kostete es während der 50er; nach der großen Preisreduzierung vom Frühjahr 1960 sogar nur noch 105 Mark. Es wurde in sehr großen Stückzahlen für alle damaligen Kleinbild-Reflexkameras gefertigt – allem voran natürlich für die Praktica und die Exakta/Exa, aber auch für die Praktina. Diese sehr bekannte Variante sieht man unten auf der linken Seite. Sehr viel weniger bekannt ist die (offenbar nur kurzzeitig gefertigte) Version mit automatischer Druckblende, die auf der Frühjahrsmesse 1956 vorgestellt wurde. Hier begeistert die ganz ausgezeichnete Fertigungsqualität und die sinnreiche Konstruktion des Springblendenmechanismusses. Werden auf dem Blendenring die roten Zahlen eingestellt, dann bleibt die Blende bis zur Auslösung voll geöffnet. Werden die schwarzen Blendenzahlen eingestellt, dann schaltet sich die Automatik ab. Diese Variante gab es meines Wissens nur mit Exakta-Bajonett.
Man muß ehrlicherweise zugeben, daß das noch aus den 30er Jahren stammende, lediglich dreilinsige Trioplan mit der ambitionierten Lichtstärke 1:2,8 am Kleinbild immer ein wenig überfordert gewesen ist. Für den Amateur mit seinen 9x12 Abzügen spielten solche Qualitätsfragen zunächst eine untergeordnete Rolle, zumal er das Objektiv ohnehin meist ablendete. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre gab es aber einen sprunghaften Fortschritt in der Qualität der Kleinbildfilme. Mittlerweile nutzten auch Amateure eifrig den Farbumkehrfilm, und man war es nun gewohnt, vor der Aufnahme die Belichtung genau zu messen, anstatt sie nur grob abzuschätzen. Diesem Trend folgend, trauten sich die Filmfabriken, sogenannte Dünnschichtfilme auf den Markt zu bringen, die zwar sehr viel genauer belichtet werden mußten, aber dafür ein deutlich besseres Auflösungsvermögen zeigten. Jetzt auf einmal traten Schwächen von Objektiven zutage, die vorher bei den alten, schwammigen Doppelschichtfilmen gar nicht aufgefallen waren. Und auch der neue Agfacolor Ultra mit seinen 16 bzw. 17 DIN Nennempfindlichkeit (also immerhin die Standardempfindlichkeit damaliger Schwarzweißfilme wie dem Isopan F) reizte dazu, auch einmal "in Farbe" bei vorhandenem Lichte (available light) zu photographieren. Das lief nicht selten auf ein vollständiges Öffnen der Blende hinaus und nun auf einmal konnte es passieren, daß sich veraltete Objektive als schwächstes Glied der Kette entlarvten.
Offensichtlich aus diesen Gründen kam zur Frühjahrsmesse 1960 noch eine völlig überarbeitete Version dieses Objektives unter der Bezeichnung Trioplan N 2,8/100mm heraus. Bei gleichem Grundaufbau kamen hier moderne, hochbrechende Glassorten zum Einsatz, die die Abbildungsschwächen des Vorgängers stark verbesserten [Vgl. Bild & Ton 3/1960; S. 90]. Auch die automatische Druckblende wurde bei diesem Trioplan N gegenüber dem oben gezeigten Modell deutlich weiterentwickelt. Sie funktionierte nun wie diejenige des Domiron 2/50, das auf der gleichen Messe erstmals gezeigt wurde. Für ein solch stark modernisiertes Objektiv waren die 170,- Mark, die man dafür aufbringen mußte, nicht übertrieben. Es bekam auch sogleich das Gütezeichen Q verliehen. Es wurde aber rasch durch das wesentlich kleiner gebaute Orestor 2,8/100mm ersetzt – ein echter Teletyp mit noch einmal verbessertem Auflösungsvermögen.
Mittlerweile habe ich auch eine Gebrauchsmusteranmeldung zum Trioplan N 2,8/100 vom 21. Oktober 1959 gefunden (Nr. DE1.805.326), aus der hervorgeht, daß bei diesem Objektiv wirklich der aktuellste Stand in Bezug auf die optischen Gläser zum Einsatz gekommen ist, nämlich für die sammelnde Front- und Rücklinse das neuartige Schwerkron SK 24 (n = 1,6636; v = 56,4) und für die mittlere Zerstreuungslinse das Schwerflint SF 17 (n = 1,6502; v = 33,7).
Marco Kröger
Letzte Änderung: 12. Juli 2022
Yves Strobelt, Zwickau
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