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Phototechnik aus Jena, Dresden und Görlitz
Sonnar 4/300
Dieser Pionier unter den Supertele-Objektiven wurde in den 1960er Jahren deutlich optimiert.
Mit
Eine
MC Sonnar 4/300
Das im Juli 1974 neuberechnete 300er Sonnar kam ein reichliches Jahr später in die Produktion, als in Saalfeld die Anlagen zur Mehrschichtvergütung der Glasoberflächen zur Verfügung standen. Es wurde bereits in der Auflistung der 1950er Jahre beschrieben. Um es noch mal kurz zusammenzufassen: Die Vorgängerversionen, die echte Sonnare gewesen sind, wiesen daher auch die für diesen Objektivtyp charakteristischen dicken Linsen im mittleren Objektivteil auf. Das machte das bisherige Sonnar sehr schwergewichtig und war sicherlich auch was die Herstellung betrifft nicht gerade billig. Dieses neue "Sonnar 4/300" gehörte nun freilich in die Gruppe der Teleobjektive. Die deutlich dünneren Linsen sorgten für eine ganz erhebliche Gewichtsreduzierung. Auch lassen sich flache Krümmungen der Glasoberflächen viel besser mehrschichtvergüten. Das MC Sonnar 4/300 kann man zwar als deutlich moderneres Objektiv bezeichnen; ein Zugewinn an Bildleistung war damit allerdings nicht verbunden. Eher im Gegenteil. Das liegt aber nicht daran, weil das MC Sonnar ein schlechtes Objektiv ist, sondern weil die vorige Zebra-Version so hervorragend korrigiert war. Im Abschnitt Objektivtests habe ich die Abbildungsleistungen eingehend miteinander verglichen.
Heute ist das 300er Sonnar eigentlich nur noch als Zusatzobjektiv zur Pentacon Six empfehlenswert. Es war zwar über ein Adaptersystem dezidiert auch für die Praktica vorgesehen, aber ohne Autofokus und Bildstabilisation sind solche langen Brennweiten nur schwer mit Erfolg einzusetzen. An der Mittelformatkamera hat das 300er aber eine Bildwirkung wie ein Kleinbildobjektiv mit etwa 165mm Brennweite – also eigentlich noch eine schöne Portraitbrennweite. Aber auch hier ist wenigstens ein Einbeinstativ empfehlenswert, das bequem am objektveigenen Sockel befestigt werden kann.
Mit einer Stückzahl von 13.200 Objektiven ist das MC-Sonnar nicht unbedingt ein seltenes Teleobjektiv, zumal es mit dem Pentacon 4/300 stets einen leistungsmäig vergleichbaren Konkurrenten hatte, bei dem allerdings auf eine Springblendenautomatik verzichtet werden mußte. Dafür lag der Endverbraucherpreis aber auch bei happigen 849,- Mark – über 300 Mark mehr als das Pentacon-Objektiv.
Ein interessantes Detail möchte ich noch ergänzen. Nachdem mir unser Leser Andreas Poschinger mitgeteilt hatte, daß es auch vom 300er Sonnar eine solche "Übergangsvariante" gibt, stellte sich heraus, daß das alte und das neue Sonnar eine kurze Zeit lang parallel zueinander gefertigt wurden. Offensichtlich war es so, daß im Oktober 1975 das bisherige Zebra-Sonnar 4/300 (Rechnung vom 19. August 1963) nunmehr mit einer schwarzen Fassung versehen wurde. Wenn die Übertragung aus den Zeiss-Karteikarten durch Herrn Thiele fehlerfrei ist, so sind aber bereits im August 1975 200 Exemplare des neuen MC-Sonnars 4/300 (Rechnung vom 11. Juli 1974) gefertigt worden. Erstens würde dies bedeuten, daß das Sonnar neben dem Flektogon 2,4/35 mm die ersten MC-Objektive bei Zeiss gewesen sind. Diese dreischichtige Entspiegelung stand also offenbar ab diesem Zeitpunkt zur Verfügung. Zweitens: Nachdem dann im Januar 1976 weitere 500 Exemplare des MC-Sonnars gefertigt worden waren, folgten im August verblüffenderweise noch einmal 500 Exemplare des alten Sonnars – also des echten Sonnartyps mit den schweren Linsen, nur eben nicht mehr in einer Zebrafassung, sondern in einer schwarzen mit Kreuzrändel. Ein wenig sonderbar das Ganze.
Wieso das so war, darüber läßt sich natürlich wieder nur spekulieren. Ich kann mir aber vorstellen, daß noch Linsensätze des alten Sonnars vorhanden waren, die nach und nach gefaßt und montiert wurden. Es war wohl üblich, Glasmaterial von Wechselobjektiven (die ja nicht von den Kameraherstellern in Auftrag gegeben wurden, wie die Normalobjektive) "vorzuproduzieren" und dann je nach Nachfrage in Fassungen einzubauen. Der Bedarf am neuen MC-Sonnar war aber offenbar vorrangig, denn dessen neue Fassung war ja auf die Übertragung der Blendenelektrik ausgelegt, wie sie oben beim 180er Sonnar beschrieben wurde. Diese Blendenelektrik wurde nun dringend für die Familie der Prakticas mit Offenblendenmessung gebraucht. Denken wir auch an die in den Startlöchern stehende Praktica EE2, deren Zeitautomatik ohne Blendenübertragung wenig sinnreich gewesen wäre. Das alte Sonnar, das lediglich in eine schwarze Fassung gesteckt wurde, hatte nämlich genau diese Übertragungsmechanik nicht. Die Blendenelektrik blieb dem MC-Sonnar vorbehalten.
Marco Kröger
Letzte Änderung: 15. Februar 2023
Yves Strobelt, Zwickau
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