Patentschau

Patentschau

Auf dieser Seite möchte ich in loser Folge einige Patente vorstellen, die mir bei  Recherchen aufgefallen sind und die ich nicht unter den Tisch fallen lassen wollte, bloß  weil sie nicht in eine abgegrenzte Thematik paßten.

Kamera-Konzeptstudie von 1959

Das ist eine Konzeptstudie zu einer Spiegelreflexkamera des VEB Kamera- und Kinowerke vom Mai 1959 [DBP Nr. 1.157.473], die in dieser Form nie produziert wurde. Der Großbetrieb war gerade formiert worden und befand sich auf technischer wie wirtschaftlicher Richtungssuche. Die Idee Horst Strehles lag darin, sämtliche Mittel zur Bedienung und Anzeige in einem Rahmen anzubringen, diese damit zu einer Einheit zusammenzufassen und staubdicht im Kameragehäuse unterzubringen, sodaß keine weiteren Bauteile nach außen geführt werden mußten. Gut zu erkennen das auch schon von der Werra bekannte Bestreben, die Oberfläche der Kamera von Hebeln und Rädchen zu befreien, für glatte Formen zu sorgen und die Bedienelemente an diejenigen Orte zu verlegen, wo sie hingehören und am bequemsten zu erreichen sind. Unten sieht man den besagten Trägerrahmen, an dem alle optisch-mechanischen Bauteile angebracht sind und der sich im Ganzen aus dem Chassis entfernen läßt.

Das eigentlich Moderne an dieser Konzeptstudie ist aber meines Erachtens das oben gezeigte Chassis. Es erinnert bereits sehr an eine Bauweise, die später tatsächlich bei der Praktica L-Reihe verwirklicht wurde. Ein Kameragrundkörper, in dem sich die vorgefertigten Baugruppen auf sehr rationellem Wege  einmontieren lassen und auf diese Weise das Gehäuse nach und nach "mit Leben füllen".  Wenn mir der Vergleich zum Automobilbau gestattet ist, dann  haben wir es bei letztgenannten Kameras mit einer selbsttragenden Bauweise zu tun, während man bei Kameras wie der Exakta oder der Praktisix von einer echten Rahmenkonstruktion sprechen muß, nur daß nicht  Karosserie und Fahrwerk  miteinander "verheiratet" werden, sondern eine "Hochzeit" zwischen Außengehäuse und  Kameramechanik stattfindet – um im Sprachgebrauch der Automobilbauer zu bleiben.

Zu dieser modernen Bauweise zählt auch der vordere Träger samt Objektivanschluß und Spiegelmechanik, der wie bei der L-Reihe komplett aus dem Grundkörper herausgenommen werden kann. Nur der über die kurze Bildfensterseite ablaufende Rolloverschluß mutet befremdlich an. Er erinnert eher an ein Konzept, das damals die Ihagee in ihrer Exa II... Exa 500 verwirklicht hat.

Praktica-B Balgengerät und Diakopiervorsatz

Sicherlich eine der besten Erfindungen, die der VEB Pentacon Dresden in seinen Kameras umgesetzt hat, war die elektrische Blendenwertübertragung. Es sind nämlich stets diejenigen Erfindungen die besten, die bei möglichst wenig Aufwand viel Vereinfachung und Bequemlichkeit mit sich bringen. Im Prinzip machte das, was Pentacon 1969 mit der Praktica LLC eingeführt hatte, später quasi jeder Kamerahersteller so: Der Blendenring wurde mit einem veränderlichen Widerstand gekuppelt, sodaß der eingestellte Blendenwert in einen korrespondierenden Spannungswert umgewandelt wurde. Der große Unterschied war aber, daß Pentacon den veränderlichen Widerstand in das Objektiv integrierte und daher lediglich eine elektrische Verbindung zwischen Kamera und Objektiv benötigte. Weil sich Pentacon diesen Weg umfassend patentrechtlich schützen ließ, sahen sich die Konkurrenten gezwungen, das nötige Potentiometer im Kameragehäuse unterzubringen und zwischen Objektiv und Kamera entsprechende mechanische Übertragungsmittel vorzusehen. Solche mechanischen Verbindungen sind immer problematisch, weil sie schwer im Objektiv unterzubringen sind, sie die Herstellung sehr verteuern und außerdem einen großen Justieraufwand nach sich ziehen.

Man könnte dem Thema, wie die einzelnen Firmen jeweils diese mechanische Blendenwertübertragung hinbekommen haben, einen eigenen Aufsatz widmen. Fakt ist, daß alle diese Firmen spätestens dann ein Problem bekamen, sobald zwischen Kamera und Objektiv zusätzliche Baugruppen wie Zwischenringe oder Telekonverter eingefügt werden sollten. Ganz aus mit der Blendenwertübertragung (und damit meist auch mit der korrekten Belichtungsmessung und der Zeitautomatik) war es, sobald ein Balgennaheinstellgerät zum Einsatz kam. Dabei ist gerade bei Verwendung von stufenlos arbeitenden Auszugsverlängerungen eine korrekt arbeitende Innenlichtmessung wichtig, weil ansonsten die komplizierten Belichtungsfaktoren schnell unbeherrschbar werden. Eine deutsche Firma hat zwar Balgengeräte mit mechanischer Blendenwertübertragung herausgebracht, das mechanische Spiel war hier jedoch so erheblich, daß Fehlbelichtungen die Folge waren. Die Originalhersteller haben derartige Lösungen jedenfalls abgelehnt.

Um so bemerkenswerter ist angesichts dieser Faktenlage das Balgengerät der Praktica B-Reihe. Denn dieses hält nicht nur die automatische Springblende aufrecht (das boten auch andere Anbieter), sondern aufgrund deren rein elektrischer  Auslegung auch die Offenblendenmessung. Patentiert wurde dieses Balgengerät in der DDR unter der Nummer 228.369 am 22. Juni 1981. Interessant ist, daß sich die Schutzansprüche nur auf die oben im Bild sichtbare Anzeige des Balgenauszuges bezieht. Wer aber auf dem Bild genau hinsieht, der wird die schraffiert gezeichneten Kabel sehen, die in dieser Auszugsanzeige untergebracht sind. Es handelt sich um die drei Anschlüsse des objektivseitigen Potentiometers, dessen Einstellwerte per Kabel in das Kameragehäuse weitergegeben werden.

Die Art und Weise der Übertragung der Blendenmechanik wurde übrigens bereits am 7. November 1979 geschützt [Nr. DD146.510]. Genauer gesagt handelt es sich beim eigentlichen Gegenstand dieser Erfindung um einen sogenannten Blendenübertragungsring, der sich auch in den Zwischenringen der B-Reihe findet, und der einen sehr einfachen, zweckmäßigen Aufbau der Blendenübertragung ermöglichte,  ohne den freien Durchlaß des Lichtweges einzuengen.

Für nicht ganz uninteressant halte ich zudem das unten wiedergegebene Design Patent No. 263.313, das am 20. Juni 1979 in den USA angemeldet worden ist.

Bleiben wir gleich bei diesem Balgengerät für die Praktica B-Reihe. Passend zu diesem wurde nämlich ein praktisches Diakopiergerät geschaffen, das sehr umfänglich patentgeschützt wurde. Der grundlegende Aufbau ist im DDR-Patent Nummer 215.408 vom 9. Juni 1983 beschrieben, das auch die beiden Verwendungsmöglichkeiten des Kopiervorsatzes in Kombination mit dem Balgengerät oder nur mit Zwischenringen zeigt. Wenn die Schiene am Einstellschlitten des Balgengerätes angebracht wird, dann läßt sich übrigens mit dessen Triebknopf sehr bequem die Schärfe einstellen.

Im Patent Nr. 213.309 vom 11. Januar 1983  ist der eigentliche Kopiervorsatz beschrieben und die Art, wie die dem Objektiv zugewandte Seite am Filtergewinde befestigt wird. Im Patent Nr. 215.131 vom 29. April 1983 ist dann noch die außerzentrische Klemmhülse geschützt, mit der sich  der Träger des Diapositivs in der Höhe verstellen  läßt. Die gesamte Balgen-Einrichtung ist äußerst praktisch, stabil und wertig ausgeführt. Die wesentlichen Arbeiten sowohl bezüglich des Balgengerätes als auch des Kopiervorsatzes gehen dabei auf  Siegfried Zeibig zurück.

Exakta Außenbajonett

In der Zwischenkriegszeit kamen Kameras auf den Markt, die  ganz dezidiert für Wechselobjektive eingerichtet waren. Es ging also nicht mehr darum, ein beliebiges Objektiv in Normalfassung mitsamt seines Brettchens aus der Kamera zu nehmen, sondern um genau abgestimmte Objektive in einer Spezialfassung. Ganz offensichtlich wurde diese Neuerung durch die kinematographischen Aufnahmegeräte ausgelöst, bei denen Schnellwechselbajonette schon länger üblich waren. Zeiss Ikon in Dresden stattete sogar ihre Laufboden-Plattenkamera der Spitzenklasse "Ideal" mit einem solchen Schnellwechselbajonett aus und  die neue Contax-Sucherkamera derselben Firma führte diese Technologie nun auch in das Kleinbild ein. Konsequenterweise wies auch Karl Nüchterleins Kiné-Exakta 1936 eine derartige Bajonettfassung auf, die er sich in seinem US Patent Nr. 2.136.149 vom 4. Juni 1937  hat schützen lassen. Was er wohl damals noch nicht absehen konnte: Zur Exakta wurden nach dem Kriege derart lange Brennweiten angeboten (400...500mm), daß Vignettierungen auftraten. Der neue Chefkonstrukteur der Ihagee, Willy Teubner, hatte daher die Idee, das bestehende Exakta-Bajonett mit zusätzlichen äußeren Bajonettlappen zu versehen, ohne daß es die "Abwärtskompatibilität" zum vorherigen Standard einbüßte. Nun konnten besonders langbrennweitige Objektive außen um den freien Durchlaß des Bajonettes herum angebracht werden, ohne denselben zu verengen. Seine 38mm Durchmesser genügten vollauf. Patentiert wurde diese Idee am 18. März 1953 unter der Nummer DD7554.

Exakta Bajonett Vergleich
Patent DD7554

Die Abbildung oben zeigt einen Vergleich der kameraseitigen Bajonett-Anschlußstücke mit und ohne Außenbajonett. Darunter ist eine Zeichnung aus der Schutzschrift wiedergegeben. Bleibt noch anzumerken, daß natürlich alle Exakta Kameras dieses Außenbajonett aufwiesen, aber auch die Exas, welche mit Schlitzverschluß ausgestattet waren, also die Exa II, IIa, IIb, und Exa 500. Die "normale" Exa bis zum Modell 1a hatte dieses Außenbajonett nie, da ihr einfacher Klappenverschluß bei langen Brennweiten ohnehin vignettierte.

Die Gehäuseschalen der Praktica BX20

Die Praktica B200 und ihre Schwestermodelle waren eine Verlegenheitslösung. In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre war der VEB Pentacon Dresden in Zugzwang geraten. Während der Zeitspanne, in der die Dresdner ihre seit 1969 recht erfolgreiche Praktica L-Reihe nur einer sporadischen Modellpflege unterzogen hatten, waren die Mitbewerber auf dem Weltmarkt weit vorausgeeilt. Nicht nur, daß Kameras wie beispielsweise die Minolta XD7 oder die Pentax ME nun eine Belichtungsvollautomatik aufzuweisen hatten, sie waren gleichzeitig auch noch kompakter und leichter geworden. Mit der B200 fand man nun zwar rasch Anschluß an diesen Trend, aber die Entwicklung dieser Praktica B-Reihe war nur unter Hinnahme weitgreifender Kompromisse möglich gewesen. Der wichtigste Kompromiß war natürlich der Import des gesamten Elektroniksystems aus japanischer Fertigung. Aber kaum minder schwerwiegend dürfte sich ausgewirkt haben, daß die Entwicklung einer Spiegelreflexkamera in Kompaktbauweise unter immensem Zeitdruck zu einer recht kompliziert aufgebauten Kamera führte. Der große Vorteil der L-Reihe, daß ein übersichtlicher Aufbau eine rasche Montage und eine gute Wartbarkeit mit sich brachte, den hatte man bei dieser Nachfolgegeneration leider weitgehend verspielt.

Praktica BX 20

Die Praktica B200 war also konstruktiv nur eine Übergangslösung. Das Wesen der Nachfolgereihe Praktica BX und die dazu angemeldeten Patente weisen meiner Anschauung nach darauf hin, daß man in Dresden wieder zu einem ähnlich übersichtlichen Grundaufbau zurückkehren wollte, wie man ihn zwei Jahrzehnte zuvor minutiös für die L-Reihe erarbeitet hatte. Wenn auch Einzelkomponenten wie der neue Zweimagnet-Metalllamellenschlitzverschluß deutlich komplexer ausfielen, als das bislang der Fall war, so fällt doch auf, daß bei der BX großer Wert auf klar voneinander abgegrenzte Einzelbaugruppen Wert gelegt wurde, die sich auch wieder deutlich einfacher in das Chassis montieren lassen sollten. Auch der Abgleich und die Wartungsfreundlichkeit waren dadurch wesentlich verbessert worden. Leider dauerte es bis 1987, bis die neue Generation eingeführt werden konnte. Und das war leider auch nur halbherzig möglich. Gerade die funktionell abgespeckte Amateurvariante Praktica BX10 hätte man dringend benötigt, um die Kameraproduktion in Dresden wieder in den Bereich der Rentabilität zu bringen. Die Einführung dieses Modells, das ganz auf die Eingabe der Filmempfindlichkeit über den DX-Code angewiesen war, scheiterte freilich daran, daß sich der VEB Filmfabrik Wolfen außerstande sah, auf die dazu notwendigen Filmpatronen aus Metall umzustellen. Auf diese Weise blieb es gerade im Bereich der Amateurmodelle, mit denen ohnehin kaum noch Gewinn zu machen war, bis zum Untergang des Kombinates bei der problematischen B-Reihe.

DD216.336

Doch das ist Geschichte. Mir bleibt nur, darauf hinzuweisen, wie frühzeitig man mit der Konzeption einer deutlich rationeller herstellbaren Spiegelreflexkamera  begonnen hatte. Eines der Schlüsselpatente dazu sehe ich in der Schutzschrift Nr. DD216.336 vom 24. Juni 1983, das trotz seines einfachen Erfindungsgegenstandes das gesamte neuartige Grundkonzept verkörpert. Herbert Welzel und Gerhard Liebscher hatten sich nämlich hiermit die Gehäuseschalen schützen lassen, mit denen die fertig montierte BX20 auf einfache Weise abgedeckt wurde. Insbesondere die Frontkappe, die sich durch die  oben gezeigte Bauweise einfach rund um das Kamerabajonett klemmen läßt. Damit brauchte es bei der BX-Reihe nur noch wenige Sekunden, um nach der Justage der mechanischen und elektrischen Abgleichstellen die Montage der Kamera abzuschließen. Die bisherige Bauweise, bei der der sogenannte Träger die Kamera nach vorne abschließt, konnte damit aufgegeben werden. An diesem Träger war sowohl der Spiegelkasten als auch das Suchersystem befestigt. Das Verschließen der Kamera nach vorn und die Montage dieser beiden Baugruppen wurden nun also prinzipiell voneinander entkoppelt. Das war sicherlich günstig für die Herstellung der Kamera – geradezu ein Segen ist dieser Aufbau aber für nachträgliche Reparatur- und Wartungsarbeiten.

Die unter das Bajonett geklemmte Frontkappe wurde nun nur noch mit insgesamt sechs Schrauben am Chassis fixiert. Es folgten anschließend Boden- und Deckkappe und schon waren alle mechanischen und elektronischen Komponenten der Kamera abgedeckt. Es mußte keinerlei Belederung mehr aufgeklebt werden. Und ganz gleich was wir heutzutage vom Aussehen der Praktica BX20 halten – ihr durch die Kappen verliehener roher Plastik-Look wurde in den 80er Jahren alles andere als billig empfunden. Ganz im Gegenteil: er galt damals geradzu als chic. Immerhin hätte man die Plastikkappen auch verchromen können, wie bei der L-Reihe, oder zumindest schwarz lackieren, wie bei der B-Reihe. Aber genau das war damals gerade außer Mode gekommen.

Praktca BX20
Praktca BX20

Abgesehen von allen technischen Gesichtspunkten hatte dieser Aufbau noch einen anderen Vorteil: Die Gehäusekappen ließen sich problemlos neu modellieren und dem Zeitgeschmack anpassen.  Hätte ich für das Bild ganz oben statt einer BX20 eine BX20s (die eigentlich eine BX21 ist) auseinandergebaut, dann hätten Sie das entblößte Innere kaum voneinader unterscheiden können können. Gehäusekappen machen eben Kameras. :)

Marco Kröger


letzte Änderung: 28. August 2024