Patentschau

Patentschau

Auf dieser Seite möchte ich in loser Folge einige Patente vorstellen, die mir bei  Recherchen aufgefallen sind und die ich nicht unter den Tisch fallen lassen wollte, bloß  weil sie nicht in eine abgegrenzte Thematik paßten.

Böhm’sche Dörfer?

Die Zweifilmkameras des VEB Kamera-Werke Niedersedlitz

Prestigeprojekte Teil drei, könnte man an dieser Stelle sagen. Nur diesmal nicht aus Dresden Striesen, sondern aus Niedersedlitz. Und um es auch gleich vorweg zu nehmen: Anders als die Ingenieure bei Zeiss Ikon, konnte sich Siegfried Böhm sein kleines Nebenprojekt durchaus leisten, denn er hatte seinen Laden im Griff. Mitte der 50er Jahre waren von der Praktica bereits mehr Geräte zur Auslieferung gelangt, als von der Spiegelcontax je gefertigt werden sollten. Das war angesichts des Ursprungs der Kamera-Werkstätten Niedersedlitz als kleine Manufaktur durchaus eine reife Leistung. Mit der Praktina FX hatte man ab 1953/54 zudem eine Systemkamera am Markt, die international noch ohne jegliche Konkurrenz dastand. Und eine später sehr bekannt gewordene Mittelformat-Reflexkamera befand sich auch gerade in der Entwicklung. Natürlich war Böhm nicht alleiniger Urheber dieser Erfolge, aber viele für den Kamerabau insgesamt bedeutende Konstruktionsideen gingen damals von ihm aus. Darüber hinaus muß er seinerzeit auch als Betriebsleiter offensichtlich nicht ganz ungeschickt agiert haben. Dieser Mann aus dem erzgebirgischen Witzschdorf, der im nahegelegenen Zschopau zur Schule ging – einem Ort, der sehr früh industrialisiert worden ist (Bodemer’sche Spinnmühlen) und wo während der Kindheit Böhms der größte Motorradproduzent der Welt angesiedelt war (DKW Rasmussen) – dieser junge Mann also leitete nun selbst einen weltweit anerkannten Betrieb, den er gerade mit viel Anstrengung vom Manufaktur- ins Industriezeitalter überführt hatte. Wer könnte es ihm also verübeln, damals an etwas Ambitioniertem gearbeitet zu haben, das sich später als Irrweg herausgestellt hat.

Zweifilmkamera Niedersedlitz

Aber der Reihe nach. Wenn man mich fragen würde, was die Amateurphotographie am meisten vorangebracht hat, dann war das meiner Ansicht nach der Rollfilm vor dem Ersten Weltkrieg, der Kleinbildfilm in der Zwischenkriegszeit und der Farbumkehrfilm ab den 1950er Jahren. Zwar waren »Kodachrome« und »Agfacolor neu« noch Entwicklungen aus der Mitte der 30er Jahre, doch erst nach dem Kriege konnten sich diese mehrschichtigen Farbverfahren so richtig beim Amateur durchsetzen. Billig war das Ganze aber dennoch nicht. Und weil sich der ziemlich geringempfindliche und zudem steil graduierte Umkehrfilm mit seinem geringen Belichtungsspielraum längst nicht für jedes Motiv eignete, begannen viele Amateure, zweigleisig zu fahren: Die „wertvollen“ und möglichst bunten Motive auf Farbumkehrfilm (für Diapositive), der Rest – zumal wenn mehrere Abzüge gemacht werden sollten – auf Schwarzweiß-Negativfilm. Farbnegativfilm und farbige Papierbilder waren zu jener Zeit in Ost wie West noch weitgehend unüblich. Das ganze lief dann darauf hinaus, daß anspruchsvolle Amateure oftmals mit zwei oder mehr Kameras um den Hals loszogen. Siegfried Böhm dürfte also nicht der einzige gewesen sein, der dieses Problemfeld erkannt hatte und über Lösungsmöglichkeiten grübelte.


Über den Ansatz, den die Konstrukteure bei Zeiss Ikon gewählt hatten, habe ich oben bereits berichtet: Eine Kleinbildreflexkamera mit Wechselmagazinen. Heute, 65 Jahre später, kann ich neunmalklug verkünden: So etwas hat sich nie am Markt durchsetzen können. Allein im Mittelformat wurde ein solch kostenintensiver Aufwand geduldet. Die Idee, einfach eine Kleinbildkamera mit zwei Filmen zu bauen, war da schon deutlich marktorientierter. Böhm war auch nicht der erste, der solch eine Idee hatte. Er hatte nur das Problem, nicht hinter den Anfang der 50er Jahre erreichten Stand der Technik zurückfallen zu wollen. SEINE Zweifilmkamera mußte eine Einäugige Reflexkamera mit geradsichtigem Sucherbild sein. Drunter ging es nicht.

DD 15.827

Böhms Lösung wird sehr gut anhand dieser Zeichnung aus dem DDR-Patent 15.827 vom 27. August 1953 deutlich. Herzstück ist ein zwischen den beiden Filmen untergebrachter Käfig, in dem der Reflexspiegel gelagert ist. Dieser Spiegel hat genau die umgekehrte Wirkung, als es sonst bei Reflexkameras üblich ist. Denn für die Sucherbetrachtung klappt er aus dem Strahlengang, wodurch das vom Objektiv entworfene Bild auf die hinter dem Käfig liegende Bildfeldlinse fällt. Der Spiegel hat demnach die Aufgabe, das vom Objektiv kommende Bild auf den jeweiligen Film zu lenken. Für die Aufnahme ist der Spiegel also heruntergeklappt. Je nachdem, wie der den Spiegel tragende Käfig gedreht ist, fällt dieses Bild dann entweder auf den Film oben oder unten. In dieser Konfiguration war die Zweifilmkamera noch mit zwei Schlitzverschlüssen vorgesehen, die jeweils vor den beiden Filmen liegen sollten und vom gleichen Zeitbildungswerk gesteuert werden sollten. Es lief aber jeweils nur der Verschluß ab, in dessen Richtung der Spiegelkäfig gedreht war. Letztere Funktion wurde allerdings erst mit dem Patent DD23.764 vom 30. August 1957 (Siegfried Böhm und Heinrich Skolaude) verwirklicht – also ziemlich genau vier Jahre später. Hier hat es also eine lange Entwicklungspause gegeben, die darauf schließen läßt, daß während der Konstruktion der Praktisix und der Praktina IIA die Arbeiten an der Zweifilmkamera zum erliegen gekommen waren. Vom zweiten Patent aus dem Jahre 1957 ist eine Zeichnung überliefert, die sehr eindrücklich den gedrängten Aufbau dieser Kamera mitsamt den zwei Schlitzverschlüssen zeigt. Hier war viel komplexe Mechanik auf engstem Raume vereinigt.

DD23.764

Aber nicht eng genug. Es existiert noch ein drittes Patent Nr. DD23.840 vom 21. Oktober 1957 zu diesem Thema, das Siegfried Böhm gemeinsam mit Rudolf Hainy erarbeitet hatte. Dieses Patent nennt gleich zwei große Schwächen der beiden obigen Lösungen: Erstens war die gesamte Anordnung zu kompliziert geworden und zweitens verschlang der drehbare Käfig als Halterung des Reflexspiegels zu viel Platz, weshalb die beiden Filme sehr weit auseinandergerückt werden mußten und der Lichtweg zwischen Objektiv und Filmebene zu lang wurde. Offenbar mußte dadurch die Schnittweite hinter dem Objektiv noch länger sein, als das ohnehin bei Einäugigen Reflexkameras vonnöten ist. Gelöst wurden diese Probleme mit zweierlei Maßnahmen. Erstens waren nun statt des drehbaren Käfigs ZWEI einzelne Spiegel vorhanden, die dem jeweiligen Filmfenster fest zugeordnet waren. Bei Sucherbildbetrachtung waren beide Spiegel aus dem Strahlengang geschwenkt. Für die Aufnahme wurde der jeweils benötigte Spiegel in die Reflexlage gebracht. Der andere deckte das nicht benutzte Bildfenster ab. Diese geschickte Idee ermöglichte die zweite Abänderung der Kamera, die den Mechanismus stark vereinfachte. Es war von nun an nur noch EIN EINZIGER Schlitzverschluß mit auf gemeinsamen Bändern angeordneten Vorhängen vorgesehen. Es bildeten sich daher immer ZWEI IDENTISCHE Belichtungsschlitze, von denen nur derjenige den zugehörigen Film belichtete, bei dem der Spiegel in die Reflexlage geklappt worden war. Die andere Belichtungsöffnung wurde durch den in der abdeckenden Lage verbliebenen Spiegel nicht wirksam. Da bei dieser Lösung mit zwei getrennten Spiegeln der voluminöse Käfig mit seinem großen Drehradius wegfiel, konnten die Filme und die Reflexspiegel näher an das Aufnahmeobjektiv heranrücken und damit das Anlagemaß wirksam auf normale Größenordnungen verkürzt werden.

DD23.840

Diese Kamera war weit durchkonstruiert. Die obige Patentzeichnung zeigt den gedrängten Aufbau mit den ineinander verschachtelten Filmpatronen und den auf einen einzigen Mechanismus beschränkten Schlitzverschluß. Dieser Mechanismus wäre auch in einem zwar ungewöhnlich ausschauenden, aber durchaus nicht häßlichen Gehäuse unterzubringen gewesen (siehe Photo ganz oben von einem entsprechenden Prototypen). Weshalb solch eine Kamera letztlich doch nicht herausgebracht wurde, mag vielleicht ein Ergebnis ganz nüchterner betriebswirtschaftlicher Überlegungen gewesen sein. Wäre der Vorteil, vor jeder Aufnahme zwischen zwei Filmen wählen zu können, wirklich so ausschlaggebend gewesen, daß sich mehrere zehntausend Photoamateure tatsächlich solch eine Kamera gekauft hätten? Wollten wirklich so viele Leute abwechselnd farbig und schwarzweiß oder mit zwei verschieden empfindlichen Emulsionen abwechselnd photographieren?


Gerhard Jehmlich liefert noch einen anderen wichtigen Hinweis, wieso diese Kamera nicht serienmäßig fabriziert worden ist – auch wenn ich der Auffassung bin, daß seine Begründung technisch falsch ist. Jehmlich meint, das Problem habe darin gelegen, daß, bedingt durch die Belichtung über Spiegel, EINES der beiden Bilder um 180° „verschieden“ gewesen sei und daher  beim vergrößern hätte gedreht werden müssen [Jehmlich, Pentacon, 2009, S. 77f]. Wenn ich ihn recht verstehe, so meint er, einer der beiden Filmstreifen hätte kopfstehende Bilder aufzuweisen. Das stimmt zwar, ist aber völlig unerheblich. Filmstreifen aus einer Exakta Varex, bei der der Film ja von rechts nach links läuft, haben eine Bildlage, die genau andersherum ist, als die Filmstreifen aus den meisten anderen Kameras, wo der Film von links nach rechts transportiert wird. Solche „kopfstehenden“ Negative ergeben Abzüge, die einfach nur um 180° gedreht werden müssen. Das war also nicht das Problem dieser Zweifilmkamera. Aber dieses grundlegende Problem existierte, und es war auch ganz ähnlich gelagert. Dadurch, daß beide Filmstreifen über den Umweg eines Spiegels belichtet werden, sind nämlich alle Negative spiegelverkehrt im Vergleich zu üblichen Negativen. Das würde verlangen, den Negativstreifen im Labor nicht wie üblich mit der Schichtseite Richtung Vergrößerungsobjektiv einzulegen, sondern genau andersherum. Das hätte dazu geführt, daß eine Verarbeitung der mit dieser Kamera gewonnen Negative im Großlabor stets eine Sonderbehandlung erfordert hätte. Eine individuelle Kennzeichnung wäre unumgänglich gewesen. Aufwand und Fehlerquote wären dadurch beträchtlich angestiegen. Aber diese Kamera war ja nicht nur für den Inlandsmarkt gedacht gewesen. Es begab sich nämlich zu ebenjener Zeit, daß in westlichen Ländern gerade erste Laborautomaten aufkamen, bei denen alle Negative zu einem langen Band zusammengeklebt wurden, um dann hintereinander weg durch den „Printer“ zu laufen. Damit war die Idee zu einer solchen Zweifilmkamera gestorben, noch ehe aus den Prototypen ein fertiges Produkt hätte werden können.


Aber die Zeit der großen Experimente war nun ohnehin vorbei. Die DDR-Photoindustrie geriet ab 1957 in eine langwierige und aufreibende Phase der Konzentration und des Ausmistens. Die gut etablierten „Butter- und Brotkameras“ aus Niedersedlitz waren bald das einzige hochwertige Produkt, das der vereinigte Dresdner Kamerabau noch in verlässlichen Stückzahlen auf den internationalen Märkten absetzen konnte. Um hier  weiterhin am Ball zu bleiben,   konnte man es sich nicht leisten, die Zeit mit irgendwelchen Experimenten und individuellen Prestigeprojekten zu vertrödeln. Es mußten zeitgemäße Spiegelreflexkameras mit neuen Komfortmerkmalen geschaffen werden, und diese Kameras mußten zudem rationell in großen Stückzahlen zu fertigen sein.  Und was letzteren Punkt betraf, tat sich sofort  ein neues Betätigungsfeld für  Siegfried Böhm auf. Die praktische Verwirklichung dieser rationellen Großserienfertigung am Fließband sollte  zu seiner zweiten großen Lebensleistung werden.

Kamera-Konzeptstudie von 1959

Das ist eine Konzeptstudie zu einer Spiegelreflexkamera der Kamera- und Kinowerke vom Mai 1959 [DBP Nr. 1.157.473], die in dieser Form nie produziert wurde. Der Großbetrieb war getrade formiert worden und befand sich auf technischer wie wirtschaftlicher Richtungssuche. Die Idee Horst Strehles lag darin, sämtliche Mittel zur Bedienung und Anzeige in einem Rahmen anzubringen, diese damit zu einer Einheit zusammenzufassen und staubbdicht im Kameragehäuse unterzuzbringen, sodaß keine weiteren Bauteile nach außen geführt werden mußten. Gut zu erkennen das auch schon von der Werra bekannte Bestreben, die Oberfläche der Kamera von Hebeln und Rädchen zu befreien, für glatte Formen zu sorgen und die Bedienelemente an diejenigen Orte zu verlegen, wo sie hingehören und am bequemsten zu erreichen sind. Unten sieht man den besagten Trägerrahmen, an dem alle optisch-mechanischen Bauteile angebracht sind und der sich im Ganzen aus dem Chassis entfernen läßt.

Das eigentlich Moderne an dieser Konzeptstudie ist aber meines Erachtens das oben gezeigte Chassis. Es erinnert bereits sehr an eine Bauweise, die später tatsächlich bei der Praktica L-Reihe verwirklicht wurde. Ein Kameragrundkörper, in dem sich die vorgefertigten Baugruppen auf sehr rationellem Wege  einmontieren lassen und auf diese Weise das Gehäuse nach und nach "mit Leben füllen".  Wenn mir der Vergleich zum Automobilbau gestattet ist, dann  haben wir es bei letztgenannten Kameras mit einer selbstragenden Bauweise zu tun, während man bei Kameras wie der Exakta oder der Praktisix von einer echten Rahmenkonstruktion sprechen muß, nur daß nicht  Karosserie und Fahrwerk  miteinander "verheiratet" werden, sondern eine "Hochzeit" zwischen Außengehäuse und  Kameramechanik stattfindet – um im Sprachgebrauch der Automobilbauer zu bleiben.


Zu dieser modernen Bauweise zählt auch der vordere Träger samt Objektivanschluß und Spiegelmechanik, der wie bei der L-Reihe komplett aus dem Grundkörper herausgenommen werden kann. Nur der über die kurze Bildfensterseite ablaufende Rolloverschluß mutet befremdlich an. Er erinnert eher an ein Konzept, das damals die Ihagee in ihrer Exa II... Exa 500 verwirklicht hat.

Praktica-B Balgengerät und Diakopiervorsatz

Sicherlich eine der besten Erfindungen, die der VEB Pentacon Dresden in seinen Kameras umgesetzt hat, war die elektrische Blendenwertübertragung. Es sind nämlich stets diejenigen Erfindungen die besten, die bei möglichst wenig Aufwand viel Vereinfachung und Bequemlichkeit mit sich bringen. Im Prinzip machte das, was Pentacon 1969 mit der Praktica LLC eingeführt hatte, später quasi jeder  Kamerahersteller so: Der Blendenring wurde mit einem veränderlichen Widerstand gekuppelt, sodaß  der eingestellte Blendenwert in einen korrespondierenden Spannungswert umgewandelt wurde. Der große Unterschied war aber, daß Pentacon den veränderlichen Widerstand in das Objektiv integrierte und  daher lediglich eine elektrische Verbindung  zwischen Kamera und Objektiv benötigte. Weil sich Pentacon diesen Weg umfassend patentrechlich schützen ließ, sahen sich die Konkurrenten  gezwungen, das nötige Potentiometer im Kameragehäuse unterzubringen und zwischen Objektiv und Kamera entsprechende mechanische Übertragungsmittel vorzusehen. Solche mechanischen Verbindungen sind immer problematisch, weil sie schwer im Objektiv unterzubringen sind, sie die Herstellung sehr verteuern  und außerdem einen großen Justieraufwand nach sich ziehen. Man könnte dem Thema, wie die einzelnen Firmen jeweils diese mechanische Blendenwertübertragung hinbekommen haben, einen eigenen Aufsatz widmen. Fakt ist, daß alle diese Firmen spätestens dann ein Problem bekamen, sobald zwischen Kamera und Objektiv zusätzliche Baugruppen wie Zwischenringe oder Telekonverter  eingefügt werden sollten. Ganz aus mit der Blendenwertübertragung (und damit meist auch mit der korrekten Belichtungsmessung und der Zeitautomatik) war es, sobald  ein Balgennaheinstellgerät zum Einsatz kam. Dabei ist gerade bei Verwendung von stufenlos arbeitenden Auszugsverlängerungen eine korrekt arbeitende Innenlichtmessung wichtig, weil ansonsten die komplizierten Belichtungsfaktoren schnell unbeherrschbar werden.


Um so bemerkenswerter ist angesichts dieser Faktenlage das Balgengerät der Praktica B-Reihe. Denn dieses hält nicht nur die automatische Springblende aufrecht (das boten auch andere Anbieter), sondern aufgrund deren rein elektrischen  Auslegung auch die Offenblendenmessung. Patentiert wurde dieses Balgengerät in der DDR unter der Nummer 228.369 am 22. Juni 1981. Interessant ist, daß sich die Schutzansprüche nur auf die oben im Bild sichtbare Anzeige des Balgenauszuges bezieht. Wer aber auf dem linken Bild genau hinsieht, der wird die schraffiert gezeichneten Kabel sehen, die in dieser Auszugsanzeige untergebracht sind. Es handelt sich um die drei Anschlüsse des objektivseitigen Potentiometers, dessen Einstellwerte per Kabel in das Kameragehäuse weitergegeben werden.

Die Art und Weise der Übertragung der Blendenmechanik wurde übrigens bereits am 7. November 1979 geschützt [Nr. DD146.510]. Genauer gesagt handelt es sich beim eigentlichen Gegenstand dieser Erfindung um einen sogenannten Blendenübertragungsring, der sich auch in den Zwischenringen der B-Reihe findet, und der einen sehr einfachen, zweckmäßigen Aufbau der Blendenübertragung ermöglichte,  ohne den freien Durchlaß des Lichtweges einzuengen.  Für nicht ganz uninteressant halte ich zudem das Design Patent No. 263.313, das am 20. Juni 1979 in den USA angemeldet worden ist (Zeichnung rechts).

Bleiben wir gleich bei diesem Balgengerät für die Praktica B-Reihe. Passend zu diesem wurde nämlich ein praktisches Diakopergerät geschaffen, das sehr umfänglich patengeschützt wurde. Der grundlegende Aufbau ist im DDR-Patent Nummer 215.408 vom 9. Juni 1983 beschrieben, das auch die beiden Verwendungsmöglichkeiten des Kopiervorsatzes in Kombination mit dem Balgengerät oder nur mit Zwischenringen zeigt. Wenn die Schiene am Einstellschlitten des Balgengerätes angebracht wird, dann läßt sich übrigens mit dessen Triebknopf sehr bequem die Schärfe einstellen.

Im Patent Nr. 213.309 vom 11. Januar 1983  ist der eigentliche Kopiervorsatz beschrieben und die Art, wie die dem Objektiv zugewandte Seite am Filtergewinde befestigt wird. Im Patent Nr. 215.131 vom 29. April 1983 ist dann noch die außerzentrische Klemmhülse geschützt, mit der sich  der Träger des Diapositivs in der Höhe verstellen  läßt. Die gesamte Balgen-Einrichtung ist äußerst praktisch, stabil und wertig ausgeführt. Die wesentlichen Arbeiten sowohl bezüglich des Balgengerätes als auch des Kopiervorsatzes gehen dabei auf  Siegfried Zeibig zurück.

Exakta Außenbajonett



In der Zwischenkriegszeit kamen Kameras auf den Markt, die  ganz dezidiert für Wechselobjektive eingerichtet waren. Es ging also nicht mehr darum, ein beliebiges Objektiv in Normalfassung mitsamt seines Brettchens aus der Kamera zu nehmen, sondern um genau abgestimmte Objektive in einer Spezialfassung. Ganz offensichtlich wurde diese Neuerung durch die kinematographischen Aufnahmegeräte ausgelöst, bei denen Schnellwechselbajonette schon länger üblich waren. Zeiss Ikon in Dresden stattete sogar ihre Laufboden-Plattenkamera der Spitzenklasse "Ideal" mit einem solchen Schnellwechselbajonett aus und  die neue Contax-Sucherkamera derselben Firma führte diese Technologie nun auch in das Kleinbild ein. Konsequenterweise wies auch Karl Nüchterleins Kiné-Exakta 1936 eine derartige Bajonettfassung auf, die er sich in seinem US Patent Nr. 2.136.149 vom 4. Juni 1937  hat schützen lassen. Was er wohl damals noch nicht absehen konnte: Zur Exakta wurden nach dem Kriege derart lange Brennweiten angeboten (400...500mm), daß Vignettierungen auftraten. Der neue Chefkonstrukteur der Ihagee, Willy Teubner, hatte daher die Idee, das bestehende Exakta-Bajonett mit zusätzlichen äußeren Bajonettlappen zu versehen, ohne daß es die "Abwärtskompatibilität" zum vorherigen Standard einbüßte. Nun konnten besonders langbrennweitige Objektive außen um den freien Durchlaß des Bajonettes herum angebracht werden, ohne denselben zu verengen. Seine 38mm Durchmesser genügten vollauf. Patentiert wurde diese Idee am 18. März 1953 unter der Nummer DD7554.

Exakta Bajonett Vergleich
Patent DD7554

Die Abbildung oben zeigt einen Vergleich der kameraseitigen Bajonett-Anschlußstücke mit und ohne Außenbajonett. Darunter ist eine Zeichnung aus der Schutzschrift wiedergegeben. Bleibt noch anzumerken, daß natürlich alle Exakta Kameras dieses Außenbajonett aufwiesen, aber auch die Exas, welche mit Schlitzverschluß ausgestattet waren, also die Exa II, IIa, IIb, und Exa 500. Die "normale" Exa bis zum Modell 1a hatte dieses Außenbajonett nie, da ihr einfacher Klappenverschluß bei langen Brennweiten ohnehin vignettierte.






Die Gehäuseschalen der Praktica BX20



Die Praktica B200 und ihre Schwestermodelle waren eine Verlegenheitslösung. In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre war der VEB Pentacon Dresden in Zugzwang geraten. Während der Zeitspanne, in der die Dresdner ihre seit 1969 recht erfolgreiche Praktica L-Reihe nur einer sporadischen Modellpflege unterzogen hatten, waren die Mitbewerber auf dem Weltmarkt weit vorausgeeilt. Nicht nur, daß Kameras wie beispielsweise die Minolta XD7 oder die Pentax ME nun eine Belichtungsvollautomatik aufzuweisen hatten, sie waren gleichzeitig auch noch kompakter und leichter geworden. Mit der B200 fand man nun zwar rasch Anschluß an diesen Trend, aber die Entwicklung dieser Praktica B-Reihe war nur unter Hinnahme weitgreifender Kompromisse möglich gewesen. Der wichtigste Kompromiß war natürlich der Import des gesamten Elektroniksystems aus japanischer Fertigung. Aber kaum minder schwerwiegend dürfte sich ausgewirkt haben, daß die Entwicklung einer Spiegelreflexkamera in Kompaktbauweise unter immensem Zeitdruck zu einer recht kompliziert aufgebauten Kamera führte. Der große Vorteil der L-Reihe, daß ein übersichtlicher Aufbau eine rasche Montage und eine gute Wartbarkeit mit sich brachte, den hatte man bei dieser Nachfolgegeneration leider weitgehend verspielt.

Praktica BX 20

Die Praktica B200 war also konstruktiv nur eine Übergangslösung. Das Wesen der Nachfolgereihe Praktica BX und die dazu angemeldeten Patente weisen meiner Anschauung nach darauf hin, daß man in Dresden wieder zu einem ähnlich übersichtlichen Grundaufbau zurückkehren wollte, wie man ihn zwei Jahrzehnte zuvor minutiös für die L-Reihe erarbeitet hatte. Wenn auch Einzelkomponenten wie der neue Zweimagnet-Metalllamellenschlitzverschluß deutlich komplexer ausfielen, als das bislang der Fall war, so fällt doch auf, daß bei der BX großer Wert auf klar voneinander abgegrenzte Einzelbaugruppen Wert gelegt wurde, die sich auch wieder deutlich einfacher in das Chassis montieren lassen sollten. Auch der Abgleich und die Wartungsfreundlichkeit waren dadurch wesentlich verbessert worden. Leider dauerte es bis 1987, bis die neue Generation eingeführt werden konnte. Und das war leider auch nur halbherzig möglich. Gerade die funktionell abgespeckte Amateurvariante Praktica BX10 hätte man dringend benötigt, um die Kameraproduktion in Dresden wieder in den Bereich der Rentabilität zu bringen. Die Einführung dieses Modells, das ganz auf die Eingabe der Filmempfindlichkeit über den DX-Code angewiesen war, scheiterte freilich daran, daß sich der VEB Filmfabrik Wolfen außerstande sah, auf die dazu notwendigen Filmpatronen aus Metall umzustellen. Auf diese Weise blieb es gerade im Bereich der Amateurmodelle, mit denen ohnehin kaum noch Gewinn zu machen war, bis zum Untergang des Kombinates bei der problematischen B-Reihe.

DD216.336

Doch das ist Geschichte. Mir bleibt nur, darauf hinzuweisen, wie frühzeitig man mit der Konzeption einer deutlich rationeller herstellbaren Spiegelreflexkamera  begonnen hatte. Eines der Schlüsselpatente dazu sehe ich in der Schutzschrift Nr. DD216.336 vom 24. Juni 1983, das trotz seines einfachen Erfindungsgegenstandes das gesamte neuartige Grundkonzept verkörpert. Herbert Welzel und Gerhard Liebscher hatten sich nämlich hiermit die Gehäuseschalen schützen lassen, mit denen die fertig montierte BX20 auf einfache Weise abgedeckt wurde. Insbesondere die Frontkappe, die sich durch die  oben gezeigte Bauweise einfach rund um das Kamerabajonett klemmen läßt. Damit brauchte es bei der BX-Reihe nur noch wenige Sekunden, um nach der Justage der mechanischen und elektrischen Abgleichstellen die Montage der Kamera abzuschließen. Die bisherige Bauweise, bei der der sogenannte Träger die Kamera nach vorne abschließt, konnte damit aufgegeben werden. An diesem Träger war sowohl der Spiegelkasten als auch das Suchersystem befestigt. Das Verschließen der Kamera nach vorn und die Montage dieser beiden Baugruppen wurden nun also prinzipiell voneinander entkoppelt. Das war sicherlich günstig für die Herstellung der Kamera – geradezu ein Segen ist dieser Aufbau aber für nachträgliche Reparatur- und Wartungsarbeiten.

Die unter das Bajonett geklemmte Frontkappe wurde nun nur noch mit insgesamt sechs Schrauben am Chassis fixiert. Es folgten anschließend Boden- und Deckkappe und schon waren alle mechanischen und elektronischen Komponenten der Kamera abgedeckt. Es mußte keinerlei Belederung mehr aufgeklebt werden. Und ganz gleich was wir heutzutage vom Aussehen der Praktica BX20 halten – ihr durch die Kappen verliehener roher Plastik-Look wurde in den 80er Jahren alles andere als billig empfunden. Ganz im Gegenteil: er galt damals geradzu als chic. Immerhin hätte man die Plastikkappen auch verchromen können, wie bei der L-Reihe, oder zumindest schwarz lackieren, wie bei der B-Reihe. Aber genau das war damals gerade außer Mode gekommen.

Praktca BX20
Praktca BX20

Abgesehen von allen technischen Gesichtspunkten hatte dieser Aufbau noch einen anderen Vorteil: Die Gehäusekappen ließen sich problemlos neu modellieren und dem Zeitgeschmack anpassen.  Hätte ich für das Bild ganz oben statt einer BX20 eine BX20s (die eigentlich eine BX21 ist) auseinandergebaut, dann hätten Sie das entblößte Innere kaum voneinader unterscheiden können können. Gehäusekappen machen eben Kameras. :)

Marco Kröger


letzte Änderung: 22. Mai 2021