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Phototechnik aus Jena, Dresden und Görlitz
Domigor 4/135 mm
Spezial-Teleobjektiv für die Zentralverschlußreflexkamera Pentina
Fast sechs Jahre zurück lagen Anlaß und Ursache dafür, daß dieses wenig bekannte Görlitzer Teleobjektiv überhaupt geschaffen werden mußte. Beim VEB Zeiss Ikon hatte man im Laufe des Jahres 1954 – nicht zuletzt angestoßen durch die Ereignisse des 17. Juni 1953 – damit begonnen, eine Kleinbildspiegelreflexkamera zu erarbeiten, die durch einen völlig von der Spiegelcontax abweichenden Aufbau viel preiswerter zu fertigen und damit auch viel besser für die breite Bevölkerung geeignet sein sollte. Aus der Quellenüberlieferung des Betriebes lässt sich schließen, daß man sich in Dresden die Stuttgarter Contaflex zum Vorbild genommen hatte, die mit einem von einer Zulieferfirma gefertigten Zentralverschluß ausgestattet worden war, der nur noch im Kameragehäuse montiert werden mußte und damit dem Kamerhersteller viel Kapazität einzusparen half. Außerdem verfügte diese Contaflex über eine für Reflexkameras so überaus günstige vollautomatische Springblende. Das machte in Dresden Eindruck.
Doch aus diesem Projekt wurde nichts. Im Gegensatz zur Stuttgarter Konkurrenz hatte der Dresdner Kamerabau keinen Zulieferer für Zentralverschlüsse zur Hand. Vielmehr mußte jener selbst eintwickelt werden und das kostete viel Zeit. Als der Prestor-Verschluß dann 1958 endlich funktionstüchtig und produktionsreif war, da hatte man den VEB Zeiss Ikon bereits zerschlagen und die Einzelbetriebe in einem neuen "Kamerakonzern" namens VEB Kamera- und Kinowerke konzentriert. Das war zu Jahresbeginn 1959. Als nun aufgrund politischen Druckes die Entwicklung einer Zentralverschluß-Reflexkamera wieder aufgenommen wurde, da war das Contaflex-Konzept lange bereits veraltet. Statt eines fest eingebauten Normalobjektives wurden nun vor den Zentralverschluß zu setzende Auswechselobjektive gefordert. Durch die damit einhergehenden völlig neue Anforderungen an die Objektive wurde der Druck zur Konstruktionstätigkeit auch auf die Objektivhersteller ausgedehnt.
Welche Schwierigkeiten sich dabei ergaben, für diese Pentina ein langbrennweitiges Objektiv zu entwickeln, läßt sich sehr gut anhand eines Vergleiches des Domigons mit dem nur zwei Jahre später entwickelten Orestor 2,8/135 mm zeigen. Deutlich ist oben der wesentlich größere Durchmesser der bildseitigen Linsen beim Orestor erkennbar. Bei der Pentina war jedoch der Durchmesser der rückwärtigen Fassungsteile auf 22 mm begrenzt, wenn diese in den Zentralverschluß eintauchen sollten. Und sie mußten in ihn eintauchen, weil nur dann eine Ausleuchtung des Bildformates bis in die Ecken gewährleistet werden konnte. Immerhin ist der Bildkreis des Kleinbildformates mit 43,3 mm fast doppelt so groß wie dieser Verschlußdurchmesser. Und dieser Wert 22 mm bezieht sich auf die mechanische Begrenzung des Objektives. Der reine Linsendurchmesser war auf 14 Prozent der Objektivbrennweite festgesetzt, also nicht einmal 19 mm.
Diese Tatsache geht aus der Schutzschrift hervor, mit der das Domigor am 25. Februar 1960 in der DDR zum Patent angemeldet wurde [Nr. 29.586], bzw. in der Bundesrepublik einen Tag später [Nr. 1.120.735]. Aus dem dieser Patentschrift mitgegebenen Linsenschnittbild ist ersichtlich, wie das Domigor zunächst als typischer Vertreter echter Teleobjektive aus einem vorderen Systemteil mit insgesamt sammelnder Wirkung und einem hinteren Systemteil mit insgesamt zerstreuender Wirkung aufgebaut ist. Um den oben genannten kleinen Durchmesser dieses hinteren Systemteiles zu gewährleisten und außerdem die richtige Schnittweite im Bereich zwischen 27 und 31 Prozent der Brennweite zu erzielen, mußte jedoch die Blende deutlich näher an diese hintere Gruppe verschoben werden, als das sonst bei Teleobjektiven der Fall ist. Das brachte aber nicht nur eine starke Verschlechterung der astigmatischen und komatischen Fehler mit sich, sondern hätte auch zu einem übermäßigen Anwachsen des Durchmessers der vorderen Systemhälfte geführt. Um das zu verhindern, hatten Hubert Ulbrich und Otto-Wilhelm Lohberg zwischen dem vorderen Systemteil und der Blende einen sammelnd wirkenden Meniskus eingeschaltet, der neben einer strahlenlenkenden, den Querschnitt des Lichtbündels verringernden Wirkung auch dabei half, den allgemeinen Korrektionszustand des Objektives zu bessern. Dazu mußte seine Mittendicke zwischen dem 0,08- und 0,1-fachen seiner Brennweite liegen und der Scheitelabstand vom vorderen Systemteil mindestens 5% der Gesamtbrennweite des Objektivs betragen. Die Brechkraft dieser relativ dicken Linse war jedoch nur gering.
Darüber hinaus ist die kurz zuvor mit dem Telemegor 4,5/300 mm begonnene Aufsplittung von den bislang meist miteinander verkitteten zwei Teilen des Teleobjektivs zu bemerken, um neue Korrekturparameter aufzutun. Beim Domigor ist dieser Prozeß jedoch bis zur völligen Abwesenheit von Kittflächen getrieben worden, was einen für den Beginn der 60er Jahre sehr modernen Aufbau aus fünf einzelnstehenden Linsen ergab. Derartige vielflächige Konstruktionen begannen sich erst etwa ein Jahrzehnt später allgemein durchzusetzen. So ist es bezeichnend, daß sich beispielsweise die Firma Canon in ihrer Patentschrift für das FD 2,8/300 mm auf das Domigor-Patent bezieht [Vgl. DE2.339.461 vom 3. August 1973.]. Anhand der Daten aus der Patentschrift läßt sich zudem ermitteln, daß für das Domigor ausschließlich hochbrechende Glasarten Verwendung fanden. Für den besagten mittleren Meniskus kam sogar das neuartige Lanthan-Schwerkron SK 24 zum Einsatz.
Das Domigor 4/135 mm dürfte aus heutiger Sicht zu den kurzlebigsten Objektiven gehören, die in Görlitz jemals – oder zumindest nach 1945 – gefertigt worden sind. Das lag daran, daß es ganz und gar auf die Pentina zugeschnitten war und anders als das ebenfalls für diese Kamera entwickelte Domigon 3,5/30 mm einfach nicht sinnvoll für andere Kameras umgewidmet werden konnte, als die Pentina nach ihrem katastrophalen kommerziellen Mißerfolg rasch aus der Produktion genommen wurde. Dazu trug auch der aufwendige Aufbau aus teuren Schwerkron- und Schwerflintgläsern bei. So war das Domigor mit einem Verkaufspreis von 260,- Mark für ein Amateurobjektiv viel zu kostspielig. Das doppelt so lichtstarke Orestor 2,8/135 kostete demgegenüber nur 191,- Mark und selbst das große Orestegor 4/200 war mit 220,- Mark deutlich günstiger. Freilich hatten diese beiden Objektive auch nicht die automatische Springblende des Domigors zu bieten. Eine vergleichbare Pleite erlebte übrigens auch der VEB Zeiss JENA, der mit seinem Cardinar 2,8/85 mm ebenso ein Teleobjekiv für diese Kamera geschaffen hatte, das sich nun nicht an anderen Kameras verwenden ließ. Es ist fraglich, ob beide Betriebe überhaupt ihre Entwicklungskosten eingespielt hatten, bevor sie nun nach kurzer Zeit ihre Neuentwicklungen wieder aus dem Programm nehmen mußten. So ist das Domigor heute ein beinah vergessenes Meyer-Objektiv – nicht nur weil es in geringen Stückzahlen gefertigt wurde, sondern weil es sich durch den fehlenden Blendenring einer Nachnutzung an anderen Kamerasystemen vollständig entzieht.
Marco Kröger
letzte Änderung: 17. November 2023
Yves Strobelt, Zwickau
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