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Phototechnik aus Jena, Dresden und Görlitz
Vorbemerkungen zum Breitbild
Zu Beginn der 1950er Jahre zeichnete sich von den USA ausgehend eine Krise für das Kino ab. Das Fernsehen entwickelte sich zur echten Konkurrenz sowohl für den Rundfunk als auch für die Traumfabrik Hollywood. Die Kinoindustrie versuchte gegenzusteuern, indem sie sowohl künstlerisch als auch technisch in die Gigantomanie abdriftete. Monumentalfilme auf monströsen Leinwänden – das sollte das Gegenrezept darstellen.
Zu einem gewissen Teil funktionierte das auch. Breitwanddarstellungen sorgten für einen wirklich neuartigen Bildeindruck. Die volle Breite des Kinotheaters konnte nun für die Projektionsfläche ausgenutzt werden. Nach anfänglichen Spielereien, wie dem dreistreifigen Cinerama, und der Überwindung technischer Unzulänglichkeiten, setzte sich das anamorphotisch komprimierte Breitwandformat auf üblichem 35mm-Film durch. Auch der Versuch, die Filmbreite auf 70 mm zu steigern, hat sich letztlich nicht durchgesetzt. Zehntausende von Kinotheatern waren mit 35mm-Projektoren ausgestattet; und ein adäquates Breitwandverfahren mußte kompatibel zu dieser technischen Infrastruktur sein. Cinemascope hieß das zugehörige Zauberwort. Ein analoges Kompressionsverfahren.
Dieser Prismenanamorphot mutet ziemlich ungewöhnlich an. Und im Prinzip hat er sich auch international nicht durchsetzen können, obwohl er den ein oder anderen Vorteil gegenüber den bekannten Zylinderlinsenanamorphoten zu bieten hat. Letztere haben nämlich für die senkrechte und waagerechte Richtung zwei verschiedene Brechkräfte (für die Senkrechte liegt sie stets bei Null), weshalb der Schärfeabgleich für Horizontal- und Vertikallinien getrennt vorgenommen werden muß. Das fällt beim Prismenanamorphot weg, was ein Nachregulieren der Schärfe sehr vereinfacht. Er ließ sich auch ohne wesentliche Kostensteigerung mit weitem Durchmesser herstellen, was bei großen Kinotheatern mit ihren langen Brennweiten sehr vorteilhaft war, weil man trotzdem lichtstarke Objektive einsetzen konnte. Und noch etwas: Beim Prismenanamorphot läßt sich auf einfache Weise durch leichtes Verdrehen der Prismen der Entzerrungsfaktor zwischen 1:2 und 1:1,5 wechseln. Letzteres wäre sehr vorteilhaft gewesen, wenn sich in der DDR das VistaVisions-Verfahren durchgesetzt hätte.
In der DDR versuchte man Mitte der 50er Jahre ein eigenes, kompatibles Verfahren zu entwickeln. „Prokimaskop“ hieß der Prismenanamorphot, den der VEB Carl Zeiss JENA im Frühjahr 1956 herausbrachte. Damit ließen sich erstmals ausländische Breitwandfilme ohne Lizenznahme vorführen. Allerdings mußte so mancher Theaterprojektor ein klein wenig von der Saalwand weggerückt werden, um den riesigen Kasten vor das Projektionsobjektiv setzen zu können. Erst richtig durchsetzen konnte sich die "echte" Breitwandprojektion in der DDR, als ab Frühjahr 1959 mit dem Rectimascop von ROW ein wesentlich kleinerer (und vor allem preiswerterer) Zylinderlinsenanamorphot zur Verfügung stand. Der paßte sogar an die TK35-Maschinen des Landfilms. Wurden zuvor die ersten Breitwandfilme der DEFA noch im sog. Kaschverfahren aufgenommen, so konnte man nun auf ein eigenes anamorphotisches Breitwandverfahren namens „Totalvision“ umstellen.
Dieser Übergang vom Normalformat auf Breitwand erfolgte weltweit so oder so ähnlich, und schon zu Beginn der 1960er Jahre hätte sich niemand mehr mit einem normalformatigen Kinobild zufrieden gegeben. Daher hat es auch nicht an Versuchen gefehlt, den Amateur-Schmalfilm auf ein Breitformat umzumünzen. Hauptsächlich aus Frankreich, Großbritannien, der Bundesrepublik und den USA kamen Vorschläge, die mit den vorhandenen Filmmaterialien arbeiteten und auf die für den Amateur sehr problematischen Anamorphoten verzichteten. Der DEFA-Kameramann und geschätzte Fachbuchautor für Amateure Peter Sbrzesny stellte die beiden vielversprechendsten Lösungsansätze Mitte der 1960er den Filmamateuren der DDR folgendermaßen vor:
„Halb 16“ hat praktisch keine Bedeutung erlangt. Wer filmt schon mit einer querliegenden Kamera. Auch die Projektion hätte nicht so funktioniert, wie Herr Sbrzesny sich das hier so vorstellt. Ein nach dem Zerteilen 8mm breiter Film mit dem Perforationsabstand des 16mm Filmes wäre in keinem handelsüblichen Projektor der Welt vorführbar gewesen – "Umlenkprisma" hin oder her. Das alternativ beschriebene Doppelacht-Vollformat allerdings wurde tatsächlich vom französischen Hersteller Emel unter dem Namen "Panascope" vermarktet und eine dementsprechende Gerätebasis entwickelt. Das Verfahren hat trotzdem kaum Verbreitung gefunden. Emel selbst war sich wohl ob der Sinnhaftigkeit des sehr breiten Formates unsicher, sodaß sie nicht das volle zur Verfügung stehende Bildfenster von etwa 3,6 x 10mm (Projektion) ausnutzten. Ein Seitenverhältnis von 1:2,8 hätte sogar die professionellen 35- und 70mm-Formate in den Schatten gestellt.
Aber gerade das ist das Interessante an dieser Idee. Auf den ersten Blick könnte man Panascope als ein lediglich auf das Doppelte verbreitertes 8mm-Bild begreifen. Bei reiflicherer Überlegung erkennt man aber vielmehr ein 16mm-Bild, bei dem oben und unten die zu einem unästhetischen Endformat führende Bildfläche weggeschnitten wird. Also im Prinzip wie beim Kaschverfahren – allerdings mit dem Unterschied, daß bei Panascope die kaschierte Fläche für ein zusätzliches Filmbild zur Verfügung steht. Erst dieser Umstand führt zu ebenjener ökonomischen Filmausnutzung, wie sie für den Amateur von ausschlaggebender Bedeutung ist. Das horizontale Auflösungsvermögen ist dasselbe wie bei 16mm, sodaß hier kein Nachteil eintritt. Lediglich die Bildwinkelausnutzung vorhandener 16mm-Objektive ist bedeutend ungünstiger.
Panascope auf Doppel 8
Angeregt durch die oben gezeigte Literatur, habe ich mich an den Bau einer solchen Vollformat Doppelacht Kamera gewagt. Ein derartiges Vorhaben kann man schon nicht mehr als Bastelei bezeichnen. Legt man eine Doppelacht-Kamera zugrunde, dann muß der Verschluß verbreitert werden, da dieser ja nun die doppelte Bildbreite abzudecken hat. Ferner ist ein neuer Objektivanschluß einzubauen, der zudem um einige Millimeter nach außen zur neuen Bildmitte hin versetzt werden muß. Auch das ursprünglich eingebaute Objektiv ist natürlich nicht mehr brauchbar, da es das neue Format nicht auszuzeichnen imstande ist. Ich habe mich daher entschlossen, das internationale C-Gewinde einzubauen, wodurch nun alle 16mm-Schmalfilmobjektive verwendbar werden. Aus einer "Quarz" Doppel Super 8 Kamera entstand also meine erste Panascope Breitbildkamera.
Ein kurzer Test des Verfahrens
Der zweite Weg zum Breitformat führt über den Umbau einer 16mm-Kamera. Hier hat man nicht das Problem, Objektive versetzen und neue Verschlüsse einbauen zu müssen. Dafür ist aber der gesamte Transport umzubauen – zu halbieren quasi. Der Greifer stellt da meist noch das geringste Übel dar. Viel problematischer sind die Vor- und Nachwickelrollen, die nunmehr auf halbe Drehzahl gebracht werden müssen. Bei dieser Admira 16 electric mußten dazu einige neue Getriebeteile eingebaut und der gesamte Filmlauf abgeändert werden.
Der große Vorteil besteht natürlich darin, 30m-Spulen verwenden zu können. Das ergibt mehr als 7 Minuten Laufzeit bei 18 Bildern je Sekunde. Andererseits haben die üblichen Doppelacht-Kameras den Vorteil, sehr kompakt zu sein.
Wenn man gezielt mit den vergleichsweise langen Brenweiten des Kleinbilds arbeiten möchte, dann bietet sich ein M42-Anschluß an. Diese Objektive haben eine genügend große Schnittweite, um zwischen der Rücklinse und der Bildebene einen Spiegel unterzubringen, um ein Reflexbild zu erhalten. Da das Bild nur permanent ausgespiegelt werden kann, benötigt man aber einen speziellen Spiegel, der aus zwei Glaskeilen besteht, die mit ihren beiden um 45 Grad abgewinkelten Flächen miteinander verkittet sind, wobei eine der beiden Flächen teilverspiegelt ist.
Auch hier kam wieder eine sowjetische Quarz zum Einsatz, die mit ihrem sehr ruhigen und präzisen Laufwerk überzeugt. Trotz der Tatsache, daß nur ein sehr kleiner Anteil des vom Objektiv kommenden Lichtes ausgespiegelt wird, ist das Sucherbild hell genug. Zum Scharfstellen ist der Schnittbildindikator einer Kleinbildkamera eingebaut.
Panascope auf Doppel Super 8
Auf die Spitze kann man das ganze Unterfangen noch treiben, wenn man statt Doppelacht- Doppelsuperacht-Material verwendet. 12,7 x 4,2 mm könnte das Bildfenster der Kamera dann groß sein, wovon bei der Projektion also noch etwa 12,5 x 4mm übrig blieben. Das ergäbe ein Seitenverhältnis von 1:3,1. Das ist schon beinah zu viel des Guten. Die Bilddiagonale dieses Formates, für das Nicholas Kovats übrigens die Bezeichnung „Ultrapan 3.1“ vorgeschlagen hat, liegt dann allerdings bei ca. 13,3 mm. Das ist deutlich mehr, als die 10,6 mm des vollen Panascope-Vollformates und übertrifft sogar die Diagonale des üblichen 16mm-Filmes (12,7mm). Damit weist Ultrapan 3.1 eine hervorragende Bildwinkelausnutzung der üblichen Objektive des 16mm-Formates auf, ohne daß aber bereits Vignettierungserscheinungen zu befürchten wären.
Auch eine solche Kamera habe ich gebaut. Basis war eine ältere Version der Quarz DS8 mit Durchsichtssucher. Die ersten Ergebnisse sind sehr vielversprechend.
Panascope als Grundlage für ein Stereoverfahren
Aufgrund der Tatsache, daß beim Panascopeverfahren die volle Bildbreite zugleich belichtet wird, müßte es im Grunde genommen sehr gut für ein stereoskopisches Verfahren auf Basis der bekannten Strahlungsteilungsprismen geeignet machen. Das Resultat würde wohl in etwa so aussehen, wie unten dargestellt. Mit demselben Strahlenteilerprisma vor das Projektionsobjktiv gesetzt müßte eigentlich ein Lichtwurf möglich sein. Die beiden Halbbilder bräuchten dann lediglich auf bekannte Weise mit gekreuzten Polfiltern voneinander getrennt werden. Bei Gelegenheit werde ich das mal ausprobieren.
Projektor für Panascope
Für das Doppelacht-Material habe ich sogar einen Projektor in Angriff genommen. Das ganze gestaltete sich aber nicht weniger kompliziert, als die Kameras. Mit Unterbrechungen hat es fast zwei Jahre gedauert, bis das Gerät wirklich fertig war.
Auch hier gibt es grundsätzlich zwei Herangehensweisen. Am naheliegendsten scheint es auf dem ersten Blick, einen 16mm-Projektor umzubauen. Hier hat man ja eine 16mm breite Filmbahn und kann 16mm breite Spulen aufstecken. An dieser Stelle hören die Vorteile aber schon auf. Es ist in der Praxis sehr schwer möglich, einen handelsüblichen 16mm-Projektor auf die Doppelacht-Perforation zu trimmen. Selbst wenn man professionelle Gerätschaften für die Metallbearbeitung zur Verfügung hätte, kommt man hier an seine Grenzen. Warum? Bei einer 16mm-Kamera mit ihrer durch Kurbeln angetriebenen Schlepp- oder D-Greifern kann man den Schaltschritt durch Verkürzen des Kurbelhubs durchaus noch halbieren. So geschehen bei der oben gezeigten Admira electric. Bei 16mm-Projektoren werden die Greifer aber zumeist durch Kurven gesteuert. Diese Kurven sind mit großem Aufwand berechnet und genauestens hergestellt worden. Der Schaltwinkel muß genau stimmen, das Zusammenspiel zwischen Transport- und Hubbewegung auch. Das Know How der Projektorenhersteller liegt zudem darin, daß die Beschleunigung und das Abbremsen der Greiferspitze möglichst gleichförmig und damit filmschonend erfolgt. Irgendwelches nachträgliches befeilen oder abfräsen der Steuerkurve ist also von vornherein zum scheitern verurteilt. Einzig per Kurbelgetriebe gesteuerte Greifersysteme böten noch Eingriffsmöglichkeiten; aber diese Bauform wird man im 16mm-Bereich kaum antreffen. Falls doch, dann hätte man zudem immernoch das Problem, daß auch die Vor- und Nachwickeltrommeln auf halben Bildtransport umgerüstet werden müßten. Das ist insgesamt ein mit Amateurmitteln kaum lösbares Unterfangen.
Mittlerweile habe ich einen deutlich ausgereifteren "Scanner" gebaut, der alle 16 mm breiten Materialien digitalisiern kann, ganz gleich ob 16mm-, Doppelacht-, oder Doppel-Superacht-Perforation vorliegt. Damit kann ich jetzt auch Panascope/Ultrapan 3.1 sinnvoll verarbeiten.
Nachtrag zum Halb-16-Format: Ich habe mittlerweile eine sehr interessante Information gefunden, die wohl heute keiner mehr weiß. Das Halb-16-Format ist WESENTICH älter, als bislang gedacht. Zu diesem Verfahren liegt nämlich tatsächlich unter der Nummer 722 200 eine Patentanmeldung aus dem Jahre 1939 vor. Als Erfinder wurde Gerhard Schwieger benannt. Fast zwei Jahrzehnte später hat dieser Mann seine Idee, die durch die nachfolgenden Kriegsereignisse wohl rasch in Vergessenheit geriet, in einer Fachzeitschrift in Erinnerung gerufen [Schwieger, Gerhard: Kann der 16-mm-Amateur die laufenden Kosten senken?; in: Bild und Ton, Heft 10/1956, S. 278.]. Wenn man diesen Text aufmerksam liest, dann wird einem schnell klar, wieso sich dieses auf den ersten Blick so einfach klingende Verfahren nie durchgesetzt hat. Schwieger meinte, es genüge, wenn man in das Bildfenster des Projektors eine "schmale Führungsschiene" einlege. Diese solle zur Anlenkung des Filmes mit zwei Ösen versehen sein, durch die jener liefe und dadurch nicht von den Zahnrollen rutsche. Zur Verdeutlichung fügte er die Zeichnungen seines Patentes von 1939 bei. Natürlich läuft ein halbierter 16mm-Film keineswegs sauber über die 16mm breiten Zahntrommeln. Da helfen auch Ösen an der Bildfenstereinlage nicht. Nach wenigen Durchläufen wäre der Film verkratzt. Bliebe noch die Idee, den Film unzerschnitten zu belassen. In diesem Falle würde zumindest eine Bildfenstermaskierung und ein kurzbrennweitiges Projektionsobjektiv mit integrierter Bilddrehung um 90 Grad genügen. Das hätte aber wiederum den Nachteil, daß ein solcher unzertrennter Halbsechsehn Film nicht mehr geschnitten werden könnte, denn wie beim in beide Laufrichtungen bespielten Tonband würde man stets auch die gegenläufige Spur mit verstümmeln.
Marco Kröger 2016
letzte Änderung: 9. Februar 2023
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