zeissikonveb.de
Phototechnik aus Jena, Dresden und Görlitz
Altissa-Boxkameras
Diese kleine Dresdner Kameramanufaktur hatte ihren Ursprung in einem Marktbereich, der trotz der Einfachheit der Geräte nicht geringgeschätzt werden sollte.
Alle Bilder auf dieser Seite: Benjamin Kotter
Denn nichts hat die Amateurphotographie so beflügelt wie die einfachen Rollfilmkameras, die in den 20er und 30er Jahren plötzlich den Markt überschwemmten und vor allem junge Menschen in Scharen an das Metier Photographie "heranlockten". Heute mag das Altissa-Kamerawerk hauptsächlich noch für seine Altix-Kleinbildkamera bekannt sein. Die kam allerdings erst ziemlich spät ins Produktionsprogramm. Bis dahin hatte die kleine Kamerabau-Firma in Dresden-Striesen aber bereits beachtliche Erfolge mit einfachen Rollfilmkameras aus Blech erzielen können. Wegen ihrer spartanischen Ausstattung und ihrer unkomplizierten Bedienung konnten derartige Boxkameras nun Bevölkerungskreise an die Lichtbildtechnik heranführen, die sich dieses teure Hobby bislang nicht leisten konnten. Später gab es kaum einen Photokünstler oder Bildberichterstatter, der nicht mit einer solchen Einfachstkamera begonnen hätte.
Die Eho-Box: Oben mit einem einfachen Meniskus als "Objektiv", unten mit einem periskopischen Doppelobjektiv, bei dem durch den symmetrischen Aufbau Astigmatismus und Bildfeldwölbung etwas reduziert werden konnten. Trotzdem war die Abbildungsleistung bescheiden, was aber nicht groß auffiel, weil die 6x9-Negative ja nicht zum Vergrößern gedacht waren, sondern meist nur im Kontaktverfahren auf Papier kopiert wurden.
Emil Hofert ("EHO") hatte um 1930 angefangen, solche einfachen Kameras zu fertigen. Man sieht dieser Eho-Box noch gut an, woher der die Bezeichnung "Box" für diese Art der Photoapparate ursprünglich kam. Statt aufwendiger Springmechanik oder sogar Laufböden und dem nötigen Balgen war alles in einem starren Blechkasten untergebracht. Solcherlei Kästen gab es zwar schon vor dem Ersten Weltkrieg aus Holz, doch damals wurden noch Platten verwendet und die Bildgröße war meist 9x12 cm. Jetzt erleichterte der Rollfilm die Handhabung und durch das auf 6x9 cm reduzierte Bildformat war die Kamera größenmäßig händelbar geworden. Hoferts Firma wurde nun rasch zu einem der wichtigsten Hersteller dieser Kamerabauart. Sogar noch kleinere Formate wie 3x4 cm auf dem A8-Film (Typ 127) wurden ausprobiert, wie bei der Baby-Box unten.
Nach Übernahme der Fabrik durch Berthold Altmann Mitte der 30er Jahre und Umzug in die Lortzingstraße 38 versuchte dieser dadurch einen neuen Trend zu setzen, indem er vom 6x9- auf das quadratische 6x6-Format wechselte, welches durch die Rolleiflex beliebt geworden war und das eine deutlich kompaktere Bauform der Kameras zuließ. Außerdem bekam man nun 12 statt nur 8 Aufnahmen auf einen BII8-Film. Doch der Sektor der einfachen Boxkameras wurde in den 30er Jahren zusehends schwieriger, unter anderem weil nun auch die Filmhersteller mit billigst ausgestoßenen Massenprodukten den Markt überschwemmten ("Agfa-Preisbox" für lediglich 4 Mark). Altmanns Reaktion auf die sich ergebenden Sättigungserscheinungen lag darin, die eigenen Kameras komplexer werden zu lassen. Mit dem Einbau von Zentralverschlüssen und Triplet-Anastigmaten versuchte er sichtlich, auch auf die kritischer gewordenen Qualitätsansprüche der Amateurphotographen zu reagieren, zumal durch die Verfügbarkeit einfacher und bezahlbarer Vergrößerungsgeräte immer deutlicher ein Trend weg von der bloßen Kontaktkopie zu verzeichnen war.
Deutlich einen Übergang von der einfachen Boxkamera zur vollwertigen Sucherkamera stellten diese Super-Altissa bzw. die Altissa Super II mit ihren Zentralverschlüssen und dem anastigmatisch korrigierten Objektiv "Victar" dar.
Das sichtbarste Anzeichen dafür, daß Berthold Altmann ernsthaft am Aufstieg seiner kleinen Kamerafabrik heraus aus dem Metier der billigen Massenkameras arbeitete, ist dabei seine Altiflex aus dem Jahre 1937. Derartige Zweiäugige Reflexkameras, die sich zwar die Bauart der Rolleiflex und Rolleicord zum Vorbild nahmen, die aber vom Aufwand und der Ausstattung her weit einfacher gehalten waren, erfreuten sich in den 30er Jahren großer Beliebtheit, weil sie mit ihrer präzisen Scharfstellung per Mattscheibe das Photographieren sehr erleichterten. Auch im benachbarten Tharandt ging man zur selben Zeit einen vergleichbaren Weg. Den wohl schwierigsten Schritt für solch eine kleine Firma, nämlich für die Objektive und Verschlüsse Kooperationen mit Zulieferern einzugehen, hatte ja Altmann zuvor bereits erfolgreich eingeleitet.
Interessant zu sehen an dieser frühen Altiflex: Während auf dem Lichtschacht noch das Emblem seines Vorgängers Hofert prangt, weist die Vorsilbe "Alti" zum ersten Mal auf den neuen Inhaber Altmann hin. Kurz darauf wird die Firma zunächst in "Amca" und während des Krieges letztlich in "Altissa" umbenannt.
Unten: Mit zwei Laack-Pololyt-Objektiven 1:2,9 und einem Ring-Compur war die Altiflex schon kurze Zeit später deutlich der Sparte der Boxkameras entwachsen.
Hier sieht man einen direkten Vergleich zwischen dem Vorkriegs- und dem Nachkriegsmodell der Altissa 6x6. Neben dem Fortfall der Herstellungsbezeichnung "Rodenstock" für das Objektiv wurde auch auf die Umschaltung von Durchsicht zu Aufsicht des Suchers verzichtet.
Berthold Altmann war 1950 oder 1951 aus der DDR geflohen und sein Betrieb wurde enteignet. Er arbeitete später für "Montanus - Camerabau, Potthoff & Co" in Solingen [Vgl. dazu DE1.007.614. vom 27. Februar 1954. Dieses Patent beweist auch, daß Altmann sehr wohl konstruiert hat und seinen alten Betrieb nicht nur kaufmännisch geleitet haben dürfte]. In Dresden machte man ohne ihn weiter. Mit dem auf der Leipziger Herbstmesse 1954 vorgestellten neuen Modell der Altissa-Box [Vgl. Fotografie, 10/1954, S. 230/232] wurde die Vorkriegskonstruktion umfassend modernisiert und die Kamera erhielt praktische Drehknöpfe zur Einstellung des Verschlusses und der Blende und sogar eine Blitzsynchronisation. Doch mit dem Überangebot an moderner wirkenden und auch reichhaltiger ausgestatteten Boxkameras ab Mitte der 50er Jahre trat die recht altmodische Altissa-Box ziemlich rasch in den Hintergrund. Da half auch ihr günstiger Preis von 25 Mark 50 nichts. Im Altissa-Werk konzentrierte man sich nun auf die äußerst beliebte Altix-Kleinbildkamera, von der im Jahre 1956 bereits die 100.000ste zur Auslieferung kam.
27. Oktober 1953: Präsentation eines Exemplars der Mittelformatkamera Altissa Box D gegenüber einer interessierten Personengruppe bei der Eröffnung des "Industrieladen für Photo, Kino und Optik" in der Leipziger Hainstraße 20-24. Bild: Roger Rössing, Deutsche Fotothek, Datensatz 88896207.
Auffällig an der Nachkriegs-Entwicklung des VEB Altissa ist, wie man nun mit kleinen Schritten versuchte, sukzessive von der gewohnten Blechkonstruktion abzukommen. Offenbar noch unter Federführung Altmanns wurde um 1950 bei der Altix III eine Gemischtbauweise eingeführt mit einem zentralen Druckgußteil aus Aluminium, das sehr der Stabilität und Präzision der Kleinbildkamera zugute kam. Das war insofern eine zusätzliche Herausforderung für den kleinen Betrieb, weil man sich mit diesem neuen Kern aus Druckguß von einem weiteren Zulieferteil abhängig machte. Denn die in der jungen DDR recht begrenzten Druckguß-Kapazitäten blieben noch längere Zeit ein problematischer Hemmschuh insbesondere für die kleineren Kamerabaubetriebe. Um so bemerkenswerter ist in diesem Zusammenhang die unten gezeigte Altuca, deren Gehäuse erstmals unter völligem Verzicht auf die Blechbauweise konstruiert war. Ob das etwa Probleme mit dieser nur kurze Zeit gebauten 6x6-Tubuskamera nach sich gezogen hat, die letztlich gar zur "Republikflucht" Berthold Altmanns beigetragen haben, darüber kann man freilich nur noch spekulieren...
Eine Rechnung der Eho-Kamera-Fabrik Emil Hofert in Dresden, Eilenburger Straße, vom Frühjahr 1934. [Dokument: SLUB, SignaturSMD_SD_2001_00237.]
Marco Kröger
letzte Änderung: 3. Februar 2024
Yves Strobelt, Zwickau
zeissikonveb@web.de
Wir bitten, von Reparaturanfragen abzusehen!