Taxona

Die Taxona

Eigentlich ein Kind der großen Boomphase der Kleinbildphotographie Ende der 30er Jahre, geriet diese kompakte Amateurkamera zu einer der ersten, die in Dresden nach dem Kriege wieder gefertigt wurden.

Tenax II Zeiss Ikon

Schon in den letzten Jahren vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zeichnete sich ab, daß die Ära der 6x9-Faltkamera als bis dahin dominierendes Amateurgerät einem Ende entgegengeht. Von Jahr zu Jahr wuchs der Absatz an Vergrößerungsgeräten, die es ermöglichten, größere Abzüge als die bloßen Kontaktkopien zu erzielen. Und wer sich einmal zur Anschaffung eines solchen Vergößerungsgerätes entschlossen hatte, der wechselte damit einhergehend oftmals gleich zur modernen Kleinbildkamera hinüber, mit der zudem die Aufnahmeprozedur in nie dagewesener Weise vereinfacht und verbilligt werden konnte. Als zweiter treibender Keil in diese Richtung erwies sich ab Ende der 30er Jahre die neue Farbphotographie, die lange Zeit gleichbedeutend mit Kleinbildphotographie gewesen ist. Nach der Zäsur des Krieges und der ärmlichen Nachkriegszeit setzte sich diese Entwicklung nun um so rascher fort und der VEB Zeiss Ikon reagierte darauf, indem er diese Kleinbildkameras wiederauflegte, die ganz und gar auf die Bedürfnisse des Amateurs zugeschnitten war.


Denn diese zierlichen Kleinbildkameras mit dem quadratischen Format 24x24 mm gingen auf die Zeit vor 1945 zurück. Sie folgten Konstruktionsprinzipien, die noch unter der Leitung Hubert Nerwins ausgearbeitet worden waren. Weg vom Balgen, weg vom Faltprinzip hin zur starren Tubuskamera. Technikgeschichtlich bedeutsam ist auch der erstmalige Einsatz des Zentralverschlusses als sogenannter Hinterlinsenverschluß. Man muß sich vergegenwärtigen, daß es sich hierbei durchaus um einen revolutionären Schritt im Kamerabau gehandelt hat, denn eigentlich ist es ja widersinnig, das komplette Objektiv VOR den Verschluß zu setzen. Anders als bei der konventionellen Bauweise, bei der in logischer Weise die vordere und die hintere Hälfte des Objektivs die Lamellen des Verschlusses und der Blende regelrecht einrahmen, benötigte das vor den Verschluß gesetzte Objektiv nämlich eine eigene Blende.


Am Beispiel der Tenax läßt sich nun aber besonders gut zeigen, weshalb der beträchtliche Mehraufwand dieser Bauweise gerechtfertigt ist und welche Vorteile sich aus ihr ergeben. Als erstes fällt einem auf, wie flach diese Kameras sind, wenn man sie in die Hand nimmt. Der Zentralverschluß ist ganz nah an den Kameragrundkörper gerückt. Wird der Zentralverschluß hingegen in der üblichen Weise zwischen den Linsen angeordnet, dann muß ebenjener stets im Ausmaß der Brennweite von der Bildebene weggerückt werden. Die Kamera wird dann entweder sehr dick (vergleiche dazu die Mimosa) oder es muß ein ziemlich langer Tubus zwischen Verschluß und Kamergehäuse eingebracht werden. Wird jedoch der Zentralverschluß zwischen Objektiv und Kameragehäuse gesetzt, so füllt er diesen "leeren Raum" der Schnittweite des Objektives in vortrefflicher Manier sinnvoll aus. Zweitens wird durch die Nähe von Verschluß und Kameragehäuse die Kupplung von Filmtransport und Spannvorgang stark vereinfacht bzw. überhaupt erst möglich gemacht. Das war übrigens einer der Hauptgründe dafür, weshalb diese Bauart nach 1950 so eine starke Verbreitung gefunden hat.


Weitere Vorteile lagen beispielsweise darin, daß eine Scharfstellung des Objektivs ohne Kompromisse möglich wurde. Wird der Zentralverschluß nämlich zwischen den Linsen eingebaut, dann hat man nur die Wahl entweder den gesamten Verschluß samt Objektiv zum Scharfstellen zu bewegen oder man muß die sogenannte Frontlinseneinstellung wählen, die stets mit einer Verschlechterung der Abbildungsgüte des Objektivs einhergeht. Beim Hinterlinsenverschluß bleibt das Objektiv hingegen eine Einheit und es kann in seiner Gesamtheit verschoben werden ohne jegliche optische Einbußen. Bei der Tenax I bzw. der späteren Taxona ist diese Problematik sogar derartig gelöst worden, daß das vordere Einschraubgewinde des Zentralverschlusses einfach mehrgängig ausgeführt wurde und damit als simple Fokussierhelix des kleinen Vorsatzobjektives fungiert. Aus Aufwandsgründen wurde auf eine Geradführung desselben verzichtet. 


Zu guter letzt – und das wird oben anhand der Tenax II von 1939 gut sichtbar erlaubte die Bauweise des Hinterlinsen-Zentralverschlusses sogar, die vorgesetzten Objektive auswechselbar zu gestalten. Dieser Objektivwechsel war möglich, ohne daß die Kupplung des gesamten Mechanismus mit dem Spanngetriebe, mit dem Entfernungs- und gegebenenfalls mit dem Belichtungsmesser, oder sogar mit der automatischen Springblende, verlorenging. Deshalb ist diese Bauart trotz des eigentlichen Widersinns, das Objektiv aus der Umklammerung des Verschlusses herauszunehmen, späterhin noch so erfolgreich gewesen. Es wurden sogar Einäugige Spiegelreflexkameras nach diesem Prinzip konstruiert. Und die Tenax/Taxona ist als eine der ersten Massenkameras anzusehen, die dieses neuartige Konzept in den Kamerabau einführte.

Für die Tenax gibt es etliche Patentanmeldungen, die sich zu einem großen Teil auf das oben gezeigte Spitzenmodell Tenax II mit Wechselobjektiv und Entfernungsmesser beziehen. Zwei Patente beschreiben aber die Grundkonstruktion dieser Kamera, die auch dem das etwas später herausgekommenen vereinfachten Modell Tenax I zugrundeliegt, aus der nach 1945 die Taxona weiterentwickelt wurde. Essentiell ist das Reichspatent Nr. 666.559 vom 9. Juni 1935, das den gekuppelten Filmtransport und Verschlußaufzug beschreibt. Dazu wurde ein um das Objektiv herum gelagerter Schwenkhebel vorgesehen, der sich bedienen ließe, ohne daß die Kamera vom Auge abgenommen werden müsse. Technikgeschichtlich wichtig ist zudem, daß gesamte Mechanik primär auf die für das Spannen des Verschlusses notwendige Schwenkbewegung ausgelegt wurde, die dann erst in einem zweiten Schritt in eine Drehbewegung für den Filmvorschub abgeleitet wurde. Das ist eine Besonderheit, denn bei vielen ähnlichen Kameras ist es gerade andersherum aus der Drehbewegung für den Filmtransport mußte oft in sehr aufwendiger Weise die hin und her gehende Bewegung für das Verschlußspannen abgeleitet werden. Einen vergleichbaren, wenn auch nicht identischen Ansatz, verfolgten später auch die Konstrukteure der Werra.

DE666559 - Tenax

Aus dem unteren Bild der obigen Patentzeichnung erkennt man auch noch einmal sehr gut, wie stark bei der Tenax/Taxona der Zentralverschluß in das eigentliche Kameragehäuse zurückgesetzt werden konnte. Er ist regelrecht versenkt angeordnet. Das war in diesem Falle natürlich auch eine Folge des quadratischen Formates mit den reduzierten Abmessungen 24x24 mm, bei dem das Problem der Abdunkelung der Bildecken viel geringer war, als beim sehr breitgestreckten Format 24x36 mm. Und weil das kleinere Format mit einer deutlich kürzeren Brennweite auskam, ragte das dem Verschluß vorgesetzte Objektiv auch nur sehr gering aus dem Kameragehäuse hervor.


Ein zweites auf den Filmtranspot der Tenax bezogenes Patent mit der Nummer 660.603 wurde am 18. Juli 1935 angemeldet, das eine Sperrklinke (4) beschreibt, die ein Rückführen des Spannhebels (1) vor dem vollständigen Transporthub verhindert. Damit wurden rasche Aufnahmeserien ohne Absetzen der Kamera möglich.

DE660603 - Tenax Sperrklinke
Tenax 1942
Zeiss Ikon Tenax I

Dieser vereinfachte Abkömmling der Tenax Meßsucherkamera, der in der Folge den Namen Tenax I verpaßt bekam, während das ursprüngliche Modell zur Tenax II umbenannt wurde, hätte das Potential gehabt, für die Zeiss Ikon AG zu einer großen Massenkamera zu werden. Die Reduzierung der Brennweite des fest eingebauten Saalfelder Dreilinsers auf kurze 35 mm bei einer Lichtstärke von 1:3,5 ergab eine derart günstige Schärfentiefe, daß nun auf einen Entfernungsmesser verzichtet werden konnte. Allein die Anzettelung des Krieges noch im Erscheinungsjahr der Tenax I, einhergehend mit dem Verlust an Exportmärkten und einer drastischen Ausweitung der Rüstungsproduktion, vereitelte vorerst den Erfolg, den diese Konstruktion in sich barg.

Nach den beinah vollständigen Demontagen in den Werken der Zeiss Ikon AG im Verlaufe des Jahres 1945 sollte nun die Produktion wieder angefahren werden; unter anderem deshalb, weil die Sowjetische Besatzungsmacht nach exportfähigen Kameras verlangte. Aus dieser Zeit stammt die obige Aufforderung zur Rekonstruktion der Tenax vonseiten Zeiss Jenas. Zu einer Bestückung dieser Tenax mit Tessaren 3,5/3,75cm kam es übrigens vorerst nicht, da um den Jahreswechsel 1946/47 das Jenaer Zeisswerk umfassend demontiert wurde. Eine stete Belieferung Zeiss Ikons mit diesen Tessaren läßt sich dann erst ab Herbst 1947 nachweisen.

Einer der leergeräumten Werksäle im Ernemannbau. Im Photo festgehalten von Höhne/Pohl, Deutsche Fotothek

Der Vergleich dieser beiden Kameras zeigt sehr gut die kleinen Veränderungen, die bei der Taxona nach und nach Einzug gehalten haben. So ist bei der obigen Kamera mit der Seriennummer 68.881 das Tessar noch in einer verschromten Messingfassung eingebaut, während bei der Unteren mit der Nummer 94.227 die Fassung aus Aluminium besteht. Neu eingeführt wurde auch das Kunststoffteil über dem Auslösehebel, um einen handelsüblichen Drahtauslöser verwenden zu können. (Übrigens war bei den Vorkriegs-Tenax der Drahtauslöseranschluß dort, wo sich nach dem Krieg der Blitzanschluß befand.)

Bei der noch einmal deutlich späteren Taxona Nr. 125.201 unten ist statt des Tempor-Verschlusses mit der 1/300 Sekunde als kürzester Verschlußzeit nun ein Vebur mit einer 1/250 Sekunde eingebaut. Außerdem hat diese Kamera bereits die veränderten Spulengegenlager am Boden der Kamerarückwand. Auf diese Abänderung und der dahinterstehenden Begründung möchte ich im Folgenden noch etwas ausführlicher eingehen.

späte Taxona blau beledert

Oben sieht man eine blau belederte Taxona, deren Tessar im Januar 1956 hergestellt wurde. Ein Jahr später, im Februar 1957 wurde eine letzte Serie von 1500 Stück Tessaren 3,5/37,5 mm für diese Kamera hergestellt. Spätestens im Jahr darauf dürfte die Produktion der Taxona dann ausgelaufen sein. Bild: Stefan Lange

Taxona Werbung

Speziell auf die Taxona bezogene Zeiss-Ikon-Bestellnummern



111 000 Taxona, Kleinbild-Taschenkamera 24 x 24mm, (wie 121 000) Exportausführung


121 000 Taxona, Kleinbild-Taschenkamera 24 x 24 auf Normalfilm, ohne Verschluß, ohne Optik


105 080 Tempor 00 ohne Vorlaufwerk mit Blitzeinrichtung (für Taxona) Normalausführung


105 090 Tempor 00 m. Vorlaufwerk u. Blitzeinrichtung (für Taxona)


100 270 Novonar 3,5/35 in Tempor 00, 1-300-B Blitzkontakt (Taxona)


100 271 desgl. engl.


100 360 Tessar 3,5/37,5 in Tempor 00, 1-300-B Blitzkontakt (Taxona)


100 361 desgl. engl.


202 061 Farbfilter Hellgelb 18,5 - G 1


202 062 Farbfilter Mittelgelb 18,5 - G 2


202 064 Farbfilter Orange 18,5 - G 4


202 065 Farbfilter Grün 18,5 - GR 50


202 066 Farbfilter Hellrot 18,5 - R 10


210 21 Drahtauslöser-Anschluß nur für Tenax/Taxona


206 050 Sonnenblende 18,5mm Außengewinde, Metall


206 060 Sonnenblende 18,5mm Innengewinde, Metall

Zur Problematik der klemmenden Filme bei der Taxona

Die Taxona ist auch heute noch eine sehr beliebte Kamera, weil sie so kompakt ist und man sie immer mit dabei haben kann. Leider gibt es immer wieder Probleme mit dem Filmtransport. Am Filmanfang klappt alles problemlos, aber mitten im Film geht der Transport zunehmend schwer und irgendwann geht gar nichts mehr. Die Ursache dieser Transportstörungen liegt darin, daß es während der Produktionszeit der Kamera eine Veränderung an den Spulen der Filmpatronen gegeben hat, die man unten im Bild recht gut erkennen kann.

Wie man sieht wurden zwei der vier inneren Stege einfach weggelassen. Die Führungsbolzen in der Rückwand der Taxona liefen ursprünglich inmitten der vier Stege. Diese Führungsfunktion wurde durch das Weglassen zweier dieser Stege vonseiten des Filmherstellers nun plötzlich eingebüßt. Der Spulenkern verhakte sich nun regelrecht, weil der Bolzen in den Ecken klemmte. Die Reaktion des Kamerherstellers lag alsbald darin, die Art und Weise der Führung der Filmspulen abzuwandeln. Statt innen wurden die Spulen nun durch eine Art Teller außen geführt. Damit waren die Transportprobleme in der laufenden Herstellung der Kamera gelöst.

Bleiben aber die Sorgen mit Kameras nach der alten Bauart, die ja vielleicht auch gerne weiterbenutzt werden wollen. Eine einfache Lösung besteht beispielsweise darin, den Führungsbolzen in der Rückwand im Durchmesser zu vergrößern, sodaß nun die innere Rundfläche der Spule die Führung übernimmt. Dazu reicht beispielsweise eine FLACHE Mutter der größe M5 (Maulweite 8 mm), die einfach auf den Bolzen in der Kamerarückwand gesteckt und ggf. festgekelbt wird.

Das "Fotobastelbuch" hatte dazumal noch eine andere Lösung für dieses Problem parat, die insofern einen Nachteil aufweist, als daß der abgesägte Kunststoffdübel in die Filmspule gesteckt werden muß und nicht Teil der Kamera ist. Dadurch kann er bei Abgabe des Filmes vergessen werden und geht verloren. Besser also, man macht die Lösung zu einem unverlierbaren Teil der Kamera selbst!

In einer Taxona, die offenbar seit den 50er Jahren nicht mehr angerührt worden war, lag noch ein Film. Ich habe ihn zurückgewickelt, aus der Kamera genommen und entwickelt. Aus den fast 50 völlig belanglosen Knipsbildchen stach einzig diese erschütternde Aufnahme hervor...

Yves Strobelt, Marco Kröger


letzte Änderung: 1. August 2022