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Phototechnik aus Jena, Dresden und Görlitz
Pentosix und Pentax
In der ersten Hälfte der 1950er Jahre war der VEB Zeiss Ikon zunehmend in einen existenzgefährdenden wettbewerblichen Rückstand abgerutscht, den er mit diesen beiden ambitionierten Spiegelreflexkameras zu überwinden versuchte.
Sie halten Pentax für eine japanische Kameramarke? In den Technischen Sammlungen im Ernemann Stammwerk in Dresden ist der Prototyp einer Kamera erhalten geblieben, an dem im Volkseigenen Betrieb Zeiss Ikon in den Jahren 1953/54 intensiv gearbeitet worden ist. Deutlich prangt auf ihm der Name „Pentax“, was ebenso eine Verkürzung des Ausdrucks „Pentaprisma Contax“ darstellt wie das bekannte „Pentacon“. Es handelt sich um eine würfelförmig aufgebaute Kleinbild-Spiegelreflexkamera mit Wechselmagazin, einem ungekuppelten Belichtungsmesser und einem ansetzbaren Federwerksantrieb. Mit dieser Neuentwicklung wollte der VEB Zeiss Ikon seine internationale Spitzenposition im Kamerabau wieder zurückerlangen.
1. Die Pentosix
Doch die unten ausführlich behandelte Überlieferung der zugehörigen Schutzschriften zeigt, daß die Entwicklung dieser Kamera quasi parallel zu den für die DDR schicksalhaften Ereignissen im Frühjahr und Sommer 1953 erfolgt war. Nachdem sich die Staats- und Parteiführung aus ihrer Schockstarre erholt hatte, sorgte eine radikale Umsteuerung des wirtschaftspolitischen Kurses dafür, daß insbesondere für die Konsumgüterproduktion gänzlich neue Prämissen gesetzt wurden. Eine Serienproduktion dieser komplizierten Kamera wurde aussichtslos, weil nicht nur der eigene Außenhandel ein geringes Exportpotential ausgemacht hatte [Vgl. Jehmlich, Pentacon, 2009, S. 65], sondern weil jetzt auch völlig neue Maßstäbe an die Befriedigung der Inlandsnachfrage gelegt wurden. Der VEB Zeiss Ikon stand deshalb mit leeren Händen da. Eilig wurde nun auf eine Volks-Spiegelreflexkamera nach westdeutschen Vorbild umgeschwenkt, wie die Patentüberlieferung zeigt. Doch der Großbetrieb hatte trotz seiner etwa 3000 Beschäftigten die sogenannte "Leitfunktion" im zersplitterten Dresdner Kamerabau verloren. Neben den drohenden Verlusten der Markenrechte an die Zeiss Ikon AG in Stuttgart waren diese internen Defizite der zweite Grund dafür, weshalb der VEB Zeiss Ikon im Laufe des Jahres 1957 zunächst seinen gesamten Stehbildsektor an den deutlich kleineren VEB Kamerawerke Niedersedlitz abtreten mußte und im Jahr darauf dann quasi vollständig ausgelöscht wurde.
Dieses Pentax-Projekt war allerdings erst der zweite Schritt. Es hatte einen unmittelbaren Vorläufer in Form einer Rollfilm-Spiegelreflexkamera, die ebenso mit Wechselkassetten ausgestattet war und die mit dem Nennformat 4,5x6 cm arbeitete. Aus der Literatur ist „Pentosix“ als der für sie angedachte Name herauszulesen. Und die ersten Anzeichen dafür, daß an solch einem Projekt einer würfelförmigen Reflexkamera gearbeitet wurde, gibt uns ein DDR-Patent Nr. 5618 vom 11. September 1952. Angemeldet wurde es vom damaligen Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung des VEB Zeiss Ikon Wilhelm Winzenburg sowie Heinz Schmidt. Zur Erinnerung: Das war eine Zeit, als endlich die großen Probleme mit der Spiegel-Contax überwunden worden waren. Denn kurz nachdem deren Serienfertigung angelaufen war, stellte sich heraus, daß ihr Schlitzverschluß nicht standfest funktionierte. Man hat bei Zeiss Ikon wohl das gesamte Jahr 1950 und zu großen Teilen auch 1951 gebraucht, um den Schlitzverschluß zu ertüchtigen, bereits ausgelieferte Kameras in großen Mengen umzubauen und mit dem Modell Contax D zur Frühjahrsmesse 1952 endlich eine serienreife Kamera herauszubringen. Das war fast sieben Jahre nachdem Wilhelm Winzenburg im Sommer 1945 die ersten Konstruktionsarbeiten zur Contax S aufgenommen hatte und der große Mangel an Kameras kurz nach dem Kriege war mittlerweile von einem erbitterten Wettbewerb abgelöst worden. Es wurde daher dringend nach einer Entwicklung gesucht, mit der man sich wieder deutlich von den Konkurrenten und Nachahmern abheben konnte.
Erwähnung der "Pentosix" im Handbuch für den Betriebsfunktionär des VEB Zeiss Ikon unter der vorläufigen Schlüsselnummer 09. Als Nennformat wird hier 4x6 cm angegeben. Unter dem Stichwort "Prismenkleinbildkamera (PKK)" verbirgt sich offenbar die spätere "Pentax". Auch die Entwicklung befindliche "Pentaplast" Stereo-Spiegelreflex sowie eine Rollflilmkamera "Ecasix" sind in der Liste enthalten, die ebenfalls beide nicht serienmäßig fabriziert wurden. Die "Kleinbild-Taschenkamera 18x24 mm" ist die spätere Orix/Penti, deren Herstellung an den VEB Welta ausgelagert wurde. Nimmt man all diese Projekte heraus, bleiben nur die Contax, die Taxona, die Ercona und die neue Pentona als tatsächlich ausgestoßene Produkte übrig - ziemlich wenig für einen Kamera-Großbetrieb.
Und nachdem nun endlich eine Kleinbildspiegelreflex mit Prismensucher in Serienproduktion war, hatte Winzenburg im Auge, etwas ähnliches auch für die größere Bildfläche des Rollfilmes zu verwirklichen. Der eigentliche Schutzanspruch des Patentes DD5618 bezieht sich darauf, daß für eine Kamera des quadratischen 6x6-Formates ein Prismenumkehrsystem sehr großvolumig ausfallen würde. Deshalb wird für die Kamera ein Zweiformatsystem vorgeschlagen, bei dem für das Format 6x6 ein Lichtschacht und für das Format 4,5x6 wahlweise ein Prismensucher oder ein Lichtschacht mit Abdeckmasken verwendet werden solle. Das ist ehrlich gesagt eine ziemlich seltsame Grundlage für ein Patent. Aber wie so oft ist eine solche Schutzschrift für uns heute immerhin ein wichtiges Zeitdokument, an dem wir ablesen können, welche Gedankengänge damals durch die Köpfe der Konstruktionsverantwortlichen gegangen sind.
Bereits im darauffolgenden Jahr war das Konzept zu einer solchen Rollfilm-Reflexkamera schon deutlich stärker gereift. Winzenburg, der zunächst nominell Leiter der Entwicklungsabteilung blieb, wendete sich wieder mehr den Kinogeräten zu, sodaß die eigentliche Konstruktionstätigkeit im Kamerabausektor an seinen Mitarbeiter Walter Hennig übergegangen war. Zusammen mit Arno Scharping und Horst Strehle hatte dieser am 25. Juni 1953 ein Patent Nr. DD9624 angemeldet, das beschreibt, wie eine Rollfilm-Wechselkassette mit dem Kameramechanismus gekuppelt werden kann (unten). Da Rollfilm keine Perforation hat, muß die Kamera für den richtigen Schaltschritt sorgen. Daß das nicht ganz unproblematisch ist, zeigte zu jener Zeit die Exakta 6x6, die unter anderem aufgrund von Filmtransportproblemen zum Fiasko für die Ihagee wurde. Um dies zu vermeiden, hatten die Konstrukteure des VEB Zeiss Ikon in der Kassette eine große Meßrolle vorgesehen (das Bauteil mit dem gekrümmten Pfeil), die nach einer vollständigen Bildlänge den Filmtransport vom Kameraspannmechanismus trennte. Zum spannen der Kamera und weiterschalten des Filmes diente der auch beim späteren Prototypen der Pentosix wiederzufindende gigantische Schnellschalthebel. Durch den verkürzten Transportweg des 4,5x6-Formates von etwa 48 mm mußte diese Meßrolle nur etwa 15 mm Durchmesser haben.
Die Seitenansicht der Pentosix zeigt ihr Filmmagazin und den über das Magazin hinausreichenden Einblick des Prismensuchers.
Rückwärtiger Blick auf den Pentosix-Prototypen und die Wechselkassette. Das war ein sehr moderner Aufbau für eine Mittelformat-Kamera, mit dem 20 Jahre später die Japanische Photoindustrie ziemlich erfolgreich gewesen ist.
Im "Thiele" findet sich genau dasjenige Tessar 2,8/80 wieder, das oben auf der Abbildung der Pentosix anhand der Seriennummer als deren Normalobjektiv erkennbar ist. Auch die beiden Flektogone 2,8/65 mm in der Zeile darüber sind sicherlich mit ihrer "Steck-Anpassung" speziell für diese Kamera hergestellt worden. Ihre Fertigung ist also etwa auf die Jahresmitte 1953 zu verorten.
2. Die Pentax
Aus den angemeldeten Patenten läßt sich schließen, daß zeitgleich bzw. gleich im Anschluß an einem zweiten Prototyp gearbeitet worden sein muß, der für den perforierten 35-mm-Film ausgelegt war und der zur späteren Pentax führte. Auch dieses Kiné-Material sollte in wechselbaren Kassetten untergebracht werden.
Dabei war die starke Verkomplizierung der Kamera, die diese Auslegung auf Wechselkassetten nach sich zog, durchaus durch damalige praktische Problemstellungen gerechtfertigt: Nach dem Zweiten Weltkrieg fand die Farbphotographie erstmals größere Verbreitung. Doch längst nicht jedes Motiv eignete sich für Farbphotos. Um den teuren Farbfilm nicht zu verschwenden, arbeiteten selbst Amateure oftmals parallel mit Schwarzweißfilm. Eine Kamera, die einen wahlweisen Wechsel zwischen Farbe und Schwarzweiß ermöglicht, würde also durchaus einen echten Bedarf erfüllen. Im damals noch zu den größten Konkurrenten zählenden VEB Kamerawerke Niedersedlitz versuchte zur gleichen Zeit Siegfried Böhm dieser Problemstellung mit einer speziellen Zweifilmkamera zu begegnen. Wechselbare Kassetten waren hingegen bereits im Zeitalter der Plattenkamera Normalität gewesen und daher als Lösung besonders naheliegend.
Damit diese Kassetten keine übertriebenen Ausmaße annahmen, mußte das Material mindestens zweimal umgelenkt werden. Das Problem dabei lag aber darin, daß sich schon nach kurzer Zeit des Verweilens an dieser Stelle ein deutlicher Knick in das Filmmaterial einprägt. Reinhold Heidecke soll später sehr bedauert haben, bei der Konstruktion seines Rolleiflex-Automaten 1937 die Chance nicht genutzt zu haben, den Filmlauf umzukehren und die Umlenkung um 90 Grad erst HINTER dem Bildfenster folgen zu lassen. So kann es bei der Rolleiflex leider vorkommen, daß sich nach einiger Zeit eine Wölbung in den Film einprägt, die nach dem nächsten Filmtransport genau im Bildfenster zu liegen kommt und dort zu einer häßlichen Bildunschärfe führt. Wenn man so will, war das die einzige wirkliche Konstruktionsschwäche dieser bemerkenswerten Kamera. Den Herren Fritz Köber, Heinz Bemann, Werner Schmidt, Walter Hennig und Horst Strehle beim VEB Zeiss Ikon dürfte dieses Problem also bekannt gewesen sein, weshalb sie eine spezielle Filmführung ersannen, die sie am 2. April 1953 in der DDR patentieren ließen [Nr. 12.856]. Die Lösung war einfach, aber wirksam: Der Krümmungsbogen wurde schlichtweg so groß gemacht, daß er einer kompletten Bildbreite entsprach und damit die „Elastizitätsgrenze“ des Materiales nicht überschritten wurde. Auf diese Weise waren selbst zwei komplette Richtungswechsel um 180 Grad realisierbar, wie die Patentzeichnung oben verdeutlicht.
Das Gesamtkonzept dieser bemerkenswerten Kamera ist dann im DDR-Patent Nr. 12.178 vom 25. Juni 1953 unter dem Titel „Reflexkamerakörper quadratischen bzw. angenähert quadratischen Querschnitts mit ansetzbarer Filmwechselkassette“ geschützt worden. Urheber war Walter Hennig. Die Grundidee lag also darin, nicht wie bei Nüchterleins Exakta die Filmspulen links und rechts des Spiegelkastens anzuordnen, sondern quasi alles hintereinander zu staffeln und somit alles so schlank wie möglich zu halten. Das gab es vorher schon (Primarflex); sogar mit Wechselkassetten (Hasselblad). Das Neue, Schutzwürdige war aber, daß zur Verbindung zwischen Kameragehäuse und Wechselkassette jenes so weit verlängert wurde, daß es unter dem Prismensucher die Kassette überdeckte (Schutzanspruch 1). Innerhalb dieses verlängerten Kameragehäuses waren die Antriebe für die Filmkassette untergebracht.
Interessant und wirklich neuartig war, daß auf der gegenüberliegenden Seite des zur Kassette hin verlängerten Reflexkörpers ein flach gehaltener Federwerkantrieb angebracht werden konnte, der das Spannen der Kamera und den Bildtransport übernehmen sollte (Schutzanspruch 6). Zudem war für die Standard-Kassetten vorgesehen, daß sich deren Grundriß nach hinten verjüngt (Schutzanspruch 9). Für Reproduktionen, technische Aufnahmen etc. war aber auch ein Langfilmmagazin von wesentlich größerer Breite vorgesehen.
Ein zum 7. Juli 1953 nachgeschobenes Patent Walter Hennigs [Nr. DD12.041] läßt erkennen, daß diese Pentax-Kleinbildkamera auf Wechselkassetten ausgelegt werden sollte, die für unterschiedliche Bildformate ausgelegt waren. In der Schutzschrift selbst ist von einer Umstellung zwischen den Formaten 24x36; 24x32 und 24x18 mm die Rede. Die konstruktive Schwierigkeit lag natürlich darin, diese unterschiedlichen Transportlängen des Filmes mit der immer konstanten Spannbewegung des Verschlusses in Einklang zu bringen. Abbildung 1 zeigt die Kamera aus der Sicht des Bodens.
Rückansicht der Zeiss Ikon Pentax mit dem Magazin für die Bildgröße 24x36 mm angesetzt.
Die charakteristische, nach hinten zulaufende Gestalt der Standard-Kassette bzw. die elliptische Formgebung der gesamten Kamera wurde noch einmal gesondert in einem Bundesdeutschen Patent Nr. 1.052.804 vom 15. Dezember 1953 geschützt. Neben Walter Hennig wurde hier außerdem Alfred Scheinert als Urheber benannt. In dieser Schutzschrift wird noch einmal explizit auf die ergonomischen Nachteile verwiesen, die bisherige Kameras der Breitbauform zu bieten hatten. Die beiden Erfinder stellen vor allem darauf ab, daß solche Kameras das Gesichtsfeld des nicht für den Kameradurchblick genutzten Auges abschatten, wodurch insbesondere das Verfolgen eines bewegten Objektes mit diesem freien Auge verunmöglicht wird. Zudem ist bei solchen Kameras der herkömmlichen Bauart – auch wenn das hier im Patent nicht erwähnt wird – auch irgendwie stets die Nase im Weg und macht das Durchblicken durch eine solche Kamera unbequem. Verdeutlicht werden beide Gesichtspunkte durch die unten gezeigte, dem Patent beigefügte Prinzipskizze.
Als zweiter wichtiger Beweggrund für die ellipsenförmige Gestaltung der ganzen Kamera wurde im Patent DE1.052.804 angegeben, daß auf diese Weise die Kamera bequem in einer einzigen Hand gehalten werden könne – eine anatomisch richtige Konstruktion also.
Der Prototyp der Pentax bekam einen ungekuppelten Selen-Belichtungsmesser verpaßt, dessen Meßwerk mittlerweile ausgebaut ist. Anhand dieser Aufnahme wird auch deutlich, daß sich der Spannhebel zwischen Prismensucher und Kassette auf der linken Seite befindet.
Auf den ersten Blick ergibt sich der Eindruck, die Pentax (und auch die Pentosix) seien mit einem Zentralverschluß ausgestattet, weil sich die Einsteller für die Verschlußzeiten wie bei einem Zentralverschluß als konzentrische Ringe hinter den Objektiven befinden. Beide Kameras haben aber einen Schlitzverschluß und die ringförmige Zeiteinstellung war bewußt so konstruiert worden. Vor allem bei der Pentax hätte das sicherlich weitere Vorteile ergeben, wenn der beim Prototypen noch ungekuppelte Belichtungsmesser später mit der Verschlußeinstellung verknüpft worden wäre (ähnlich wie bei der Lichtwertkupplung an Zentralverschlüssen). Ein Patent Nr. DD9583, das Walter Hennig am 15. Juli 1953 angemeldet hat, zeigt, daß sogar das Vorlaufwerk (Selbstauslöser) mit einem Hebel gespannt wurde, der koaxial um das Objektiv angeordnet wurde. Eine Skala sollte zudem ermöglichen, die gewünschte Vorlaufzeit sekundengenau präzise einstellen zu können. Außerdem wurde auf diese Weise erreicht, daß sich die Einstellung des Vorlaufwerkes organisch in die Gesamtkonzentration einfügt, anstatt als Hebel irgendwo hervorzustehen. Hennig strebte als sein "allgemeines Konstruktionsprinzip" an, "die Betätigungsorgane so zusammenzulegen, daß das Gerät leicht bedienbar [sei] und ferner ein geschlossenes, ruhiges Aussehen erhält".
Ein weiteres Patent Nr. DD11.360 von Walter Hennig und Erich Richter vom 24. Juli 1953 läßt erkennen, daß die Pentax so ausgelegt werden sollte, daß die Rückführung des Reflexspiegels in die Betrachtungsposition vom Spannvorgang des Verschlusses und dem Transport des Filmes entkoppelt werden sollte. Dies sollte die Anwendung sehr kurzbrennweitiger Objektive oder Spezialzubehörs wie beispielsweise für Stereoaufnahmen möglich machen, die so weit in die Kamera hineinragen, daß sich der Spiegel nicht mehr ungehindert bewegen könnte. Die Pentax wäre dann die einzige DDR-Reflexkamera gewesen, die diese Betriebsart zugelassen hätte. Mit Hinblick auf die Pionierrolle des DDR-Photoobjektivbaus im Bereich der Retrofokus-Weitwinkel hat sich auch später die in Japan oft übliche Möglichkeit der Außerkraftsetzung des Reflexspiegels nie als notwendig erwiesen.
Ferner existieren zu dieser Kamera noch etliche Patente bezüglich ihrer Wechselkassetten. So hat Walter Hennig beispielsweise unter der Nr. DD12.368 ein am 6. Februar 1954 angemeldetes Patent zugesprochen bekommen, das eine Klauenkupplung beschreibt, die sich beim abnehmen der Kassette automatisch vom Federwerkantrieb ausklinkt. Man erkennt daran auch, daß dieser Federmotor offenbar als letztes entwickelt wurde.
Wenn so eine Kassette abnehmbar gemacht wird, dann ist es natürlich notwendig, daß das Filmmaterial zuvor lichtdicht verschlossen wird. Zu den geradezu hanebüchnen Fehlkonstruktionen der Exakta 6x6 gehörte schließlich, daß diese Kamera zwar für Wechselkassetten ausgelegt war, jene aber nicht abgenommen werden konnten, weil man schlicht keinen Kassettenschieber vorgesehen hatte. Man fragt sich heute noch, was man sich im Ihagee Kamerawerk eigentlich dabei gedacht hat. Jedenfalls kann man mit Gewißheit sagen, daß man bei der Zeiss Ikon etwas gründlicher überlegt hat. Hier liegen nämlich zwei Patente vor, die sich explizit mit dieser Frage befassen. Das erste mit der Nummer DD10.836 vom 9. Juli 1953 beschreibt die Bauart eines flexiblen Rolloverschlusses, der anstelle des bisher bekannten starren Kassettenschiebers das Magazin vor Abnahme von der Kamera lichtdicht verschließen sollte.
In einem weiteren Patent Nr. DD10.336 vom 17. Juli 1953 ist die Kinematik zum Antrieb dieses Rollos beschrieben. Offensichtlich war geplant, daß sich das Rollo selbsttätig schloß, während die weiter oben im Patent Nr. DD12.368 dargelegte Klauenkupplung ausgerückt und das Magazin am Ende ausgeklinkt wurde. Das wäre also alles sehr bequem und technisch ausgeklügelt gelöst worden.
Die Entwicklung dieser Pentax und insbesondere ihrer Kassetten wurde der Patentüberlieferung zufolge auch während des gesamten Jahres 1954 weitergeführt. Vom 7. Dezember 1954 ist ein Patent DD13.705 von Horst Strehle und Arthur Mende erhalten geblieben, das eine Einrichtung beschreibt, die beim Ansetzen der Kassette den Film stramm hält und erst nach der Verriegelung an der Kamera eine lose Filmschleife bildet. Instruktiver als die originale Zeichnung aus dem DDR Patent ist diejenige, die erst im Jahre 1958 für eine französische Patentanmeldung angefertigt wurde, die daher unten wiedergegeben ist und dasselbe Prinzip darstellt. Nur der Vollständigkeit halber sei hier noch erwähnt, daß offenbar keine klassische Rückspulung des Filmes an dessen Ende vorgesehen war, sondern der Transport auf Rückwärts gestellt und mit dem Spannhebel vorgenommen wurde. Dazu hatten Hennig, Strehle und Mende noch zum 18. Januar 1955 ein DDR-Patent Nr. 13.552 angemeldet, das das nötige Getriebe schützt. Damit ist offensichtlich der weitgehende Abschluß der Entwicklungsarbeiten markiert.
Dieser regelrechte Reigen an Patenten zeigt auf, wie weit diese neuartige Kamerabauform des VEB Zeiss Ikon vor allem in ihrer Kleinbildvariante sehr weit fortgeschritten war. Dem Prototypen wurde noch ein einfacher, ungekuppelter Selen-Belichtungsmesser verpaßt und als Objektivanschluß das damals als ideale Lösung angesehene Praktina Schraubbajonett verwendet. Diese Pentax 24x36 hätte gewissermaßen das vorweggenommen, was etwa ein Vierteljahrhundert später von Franke & Heidecke als Rolleiflex 2000F herausgebracht wurde. Und der Mißerfolg letzterer Kamera zeigt überdeutlich, auf welch dünnem konzeptionellen Eis man sich beim VEB Zeiss Ikon in den Jahren 1953/54 bewegte. Für solcherart Spezialkameras gab es nämlich stets nur einen sehr kleinen Markt. Ein Großbetrieb wie Zeiss Ikon wäre aber im Segment einer Kleinserienfertigung falsch aufgehoben gewesen. Zumal sich eindeutige Anzeichen einer Überkonstruiertheit erkennen lassen. Für mich deutet die Pentax 24x36 auf ähnliche Ansätze zu Höhenflügen hin, wie zwei Jahrzehnte vorher die Zweiäugige Contaflex. Und genau das war die falsche Antwort auf die wirklichen Bedürfnisse des damaligen Kameramarktes. Die schon zu jener Zeit in die Hunderttausende gehenden Verkaufszahlen der vergleichsweise einfach aufgebauten Praktica des VEB Kamerawerke Niedersedlitz bewiesen, was wirklich vom Markt verlangt wurde. Andererseits zeigte bereits die aus dem gleichen Hause stammende Praktina, daß sich eine vielseitige Sysetmkamera im Vergleich zur Praktica bereits deutlich schwerer verkaufen ließ. Außerdem gerieten solche hochgezüchteten Kameras angesichts der in den 50er Jahren noch recht bescheidenen Einkommen rasch zu überteuert. Immerhin war die DDR zu jener Zeit auch noch alles andere als ein Billiglohnland!
Der Produktname "Pentax" wurde am 22. September 1952 für den VEB Zeiss Ikon als Marke angemeldet [Nr. DD607.589]. Am 11. August 1955 endete die Widerspruchsfrist, wodurch die Wortmarke rechtmäßig erteilt wurde. Im September 1956 folgte die internationale Registrierung, weshalb die Firma Asahi in Tokio, die diesen Markennamen offenbar bereits für ihre Kameras verwendete, nun gezwungen war, die Markenrechte vom VEB Zeiss Ikon zu erwerben. Das geschah wohl im Jahr 1957.
Also verschwand dieses Projekt in der Schublade. Es wurde gar nicht erst produziert. Und weil auch keine vereinfachte Variante abgeleitet werden konnte, stand man bei der Zeiss Ikon in der zweiten Hälfte der 50er Jahre gewissermaßen mit leeren Händen da. Jahre der Entwicklungsarbeit waren verstrichen, ohne daß man im Bereich marktfähiger Produkte vorangekommen wäre. Unterdessen war die einzige wirklich international verkäufliche Kamera des VEB Zeiss Ikon – die Contax D – bereits deutlich in die Jahre gekommen und technisch zurückgefallen. Dieser einstmals so dominierende Betrieb geriet durch seine verzettelte Produktentwicklung nun mehr und mehr in eine schwere Krise, die letztlich in seiner schleichenden Auflösung mündete.
Etwa ein Jahrzehnt später war im zusammengelegten VEB Kamera- und Kinowerke noch einmal ein durchaus vergleichbarer Vorgang zu verzeichnen. Unter der Verantwortung Horst Strehles, der, wie oben gezeigt, schon an der Pentax-Entwicklung beteiligt gewesen war, wurde wiederum versucht, mit der Pentacon Super ein ambitioniertes Spitzenmodell zu kreieren, das gleichermaßen am Bedarf vorbeizielte. Doch diesmal lagen die Karten besser. Aus den Grundlagenentwicklungen und den Erfahrungen mit dem Kameraflop Pentacon Super ließen sich durchaus vereinfachte Varianten ableiten. Und in Form der Praktica L-Reihe eröffneten diese dem VEB Pentacon Dresden gegen Ende der 60er Jahre letztlich die Tür in ein neues Zeitalter.
Marco Kröger
letzte Änderung: 21. August 2024
Yves Strobelt, Zwickau
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