zeissikonveb.de
Phototechnik aus Jena, Dresden und Görlitz
Spezialobjektive vom VEB Carl Zeiss Jena für Kameras des industriellen Fernsehens
In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen – also vor etwa einhundert Jahren – gelangte eine alternative Lösungsmöglichkeit für die Bildwiedergabe in den Bereich der Machbarkeit, die sich deutlich von den bisherigen photographischen Verfahren unterschied. Statt auf Basis von Silbersalz-Verbindungen erlaubte die rasche Entwicklung des Fachgebietes der Elektronik eine völlig neue Herangehensweise an diese Problemstellung. Die technische Grundlage dafür bildete die Elektronenröhre. Nach ersten Experimenten mit optomechanischen Verfahren (Paul Nipkow) wurde ab Anfang der 30er Jahre federführend durch Manfred v. Ardenne ein rein elektronisches Verfahren entwickelt, das sowohl für die Bildaufnahme wie auch zur Wiederabe mit Kathodenstrahlröhren arbeitete. Eine Entwicklung des elektronischen Fernsehens hin zum Massenmedium, die in Europa defacto erst nach dem Zweiten Weltkrieg nachgeholt wurde, konnte allerdings erst nach Schaffung einer adäquaten hochfrequenten Signalübertragung erfolgen. Die Fortschritte des Fernsehens waren schlichtweg an entsprechende Fortschritte in der Funktechnik gebunden.
Dies ist das charakteristische Hauptgebäude des ehemaligen Werkes für Fernsehelektronik in Berlin Oberschöneweide, der sogenannte "Behrens-Bau", der als eines der ersten Hochhäuser in Deutschland gilt. Oben zu sehen auf einer werkseigenen Abbildung vom Anfang der 1980er Jahre, unten etwa 40 Jahre später im November 2020. Hier wurden unter anderem die Bildaufnahmeröhren für DDR-Fernsehkameras gefertigt.
Abgekoppelt vom Fernsehen als reines Unterhaltungsmedium entwickelte sich aber parallel dazu eine Abart dieses bildgebenden Verfahrens, die unter dem Begriff industrielles Fernsehen bekannt geworden ist, weil sie in den 1950er Jahren durch starke Nachfrage in Industrie, Forschung und Gewerbe vorangetrieben wurde. Um in der DDR diesen neuen Technologiezweig abdecken zu können, wurde im Jahre 1960 das Werk für Fernsehelektronik in Berlin Oberschöneweide gegründet. Da aber in diesem Großbetrieb in Hinblick auf Fernsehkameras nur schleppend Fortschritte erzielt werden konnten [Vgl. Beutelschmidt, Studiotechnik; in: Rundfunk und Geschichte, Heft 4/1993, S. 155ff.], wurde im Jahre 1964 explizit für diesen Zweck der VEB Studiotechnik Berlin gegründet. In diesem Betrieb wurden ab 1965 kompakte, volltransitorisierte Schwarzweiß-Fernsehkameras mit reduziertem Aufwand (und damit reduzierter Bildqualität) speziell für den Bereich des industriellen Fernsehens produziert. Eines der ersten Modelle war die Telistor TFK 100. TFK steht dabei für "transistorisierte Fernsehkamera". Damit konnte sich die Fernbeobachtung als neues technologisches Verfahren in der Industrie durchsetzen. Solche miniaturisierte Kameras wurden beispielsweise ab den 70er Jahren im Braunkohletagebau für die Fernüberwachung des Schaufelradbaggers eingesetzt. Und bei der Berliner S-Bahn konnten wenig frequentierte Stationen, wo sich kein Einsatz einer örtlichen Aufsicht lohnte, von einer zentralen Stelle aus mittels Monitorbeobachtung abgefertigt werden. Das ermöglichte ab Anfang der 1970er Jahre insbesondere eine volltransistorisierte Fernehkamera in Kompaktbauform vom Typ TFK 500 aus dem besagten VEB Studiotechnik Berlin. Daß auch das Ministerium für Staatssicherheit als große innere Überwachungsmaschinerie des Regimes von dieser neuen Technologie profitierte, das war freilich eine der Kehrseiten dieses technischen Fortschrittes.
Das war das Werktor des VEB Studiotechnik Berlin, wo die Fernsehkameras produziert wurden, im Zustand kurz vor der Wende. Irgendwie vermittelt dieses Gebäude mit seiner abgeplatzten Fassade den Eindruck, als habe der Kampf um die Reichshauptstadt erst wenige Wochen zuvor stattgefunden... [Bild: Michael Fuchs; https://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/f/fe/STTWerk1.JPG]
Im Gleichzug mit der Schaffung der elektronischen Komponenten in den oben genannten Spezialfirmen begann der VEB Carl Zeiss JENA ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre eine breite Palette an neuen Objektiven bereitzustellen, die ganz auf die Erfordernisse dieses industriellen Fernsehens ausgerichtet waren. Die Abstufung der Brennweiten richtete sich dabei nach einem internationalen Standard, der von den Bildaufnahmeröhren ("Endikon") des 1-Zoll-Typus abgeleitet war. Diese Bezeichnung bezieht sich auf den Außen-Nenndurchmesser der Röhre. Die nutzbare Bildbreite beträgt dabei nur etwa die Hälfte dieses Röhrendurchmessers. Trotzdem hat sich diese Bezeichnung des 1-Zoll-Standards bis in die heutige Zeit der Digitalkameras erhalten, wo unter dieser Kategorie geringfügig voneinander abweichende Sensorgrößen eingeordnet werden. Ursprünglich war die Bildfläche der 1-Zoll-Videoröhre aber 12,8 x 9,6 mm groß, was eine Bilddiagonale von 16 mm ergibt. Für diesen Bildkreis, der etwa 25% größer ist als derjenige des 16-mm-Schmalfilmes, sind die Tevidone des VEB Carl Zeiss JENA ausgelegt.
Hier sieht man einmal einen Größenvergleich zwischen einem Exemplar einer solchen 1 Zoll Bildaufnahmeröhre und dem Tevidon 16 mm (das zugegebenermaßen das kleinste der gesamten Reihe ist). Unten das Datenblatt für eine derartige Röhre aus Oberschöneweide.
Doch diese gezielte Auslegung der Tevidone speziell auf Fernsehkameras (FSK) sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß ihre optische Leistung bei weitem die ziemlich bescheidenen Anforderungen der Fernsehtechnik übertrifft. Das gilt nicht nur im Hinblick auf das stark eingeschränkte Auflösungsvermögen von etwa 300.000 Bildpunkten, sondern auch darauf, daß die Bildröhren zunächst nur schwarzweiß arbeiteten. Sowohl die Schärfeleistung als auch die Farbkorrektur der Tevidone und Vario-Tevidone erfüllen problemlos die Anforderungen des 16-mm-Schmalfilmes, weshalb sie offenbar immer wieder auch für diesen Einsatzzweck gekauft wurden. Dabei war hilfreich, daß die Tevidone nicht nur mit dem speziellen Steckbajonett der TFK 500 Kamera ausgeliefert wurden, sondern auch mit dem universellen C-Gewinde (1 Zoll Gewindedurchmesser, 1/32 Zoll Gewindesteigung). Zudem gab es einen Adapter, mit dem das Steckbajonett auf C-Mount umgerüstet werden konnte. Dabei scheinen Tevidone zeitweilig sogar serienmäßig zusammen mit diesem sogenannten B-Adapter ausgeliefert worden zu sein.
Zu Beginn ihrer Fertigung in den späten 1960er Jahren wurden die Tevidone in der damals üblichen Zebrafassung geliefert. Ab der zweiten Hälfte der 70er Jahre folgten schwarze Fassungen. Anstelle einer normalen Rändelung scheinen die meisten dieser Objektive nun eine Schrägverzahnung an den Einstellringen aufzuweisen, die eine mechanische Kopplung des Objektivs mit der Blenden- und Entfernungseinstellung des Optik-Fernantriebs OFA ermöglichte (siehe Katalogauszüge am Ende der Seite). Einhergehend damit finden sich auch die in den Bildern unten sichtbaren Winkel, die offenbar für verstellbare Endanschläge vorgesehen waren. Äußerlich nicht erkennbar wurden die schwarz lackierten Tevidone zudem in zwei Fassungsvarianten geliefert: Eine schwere auf Basis von Messing und eine leichte auf Basis von Aluminium. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurden diejenigen Tevidone, die herstellerseits mit C-Gewinde versehen waren, zunehmend nicht mehr mit Schrägverzahnung, sondern mit einer normalen Rändelung an den Einstellringen ausgeliefert.
Tevidon 2/10 mm
Das Tevidon 2/10 mm hat ein Rechnungsabschlußdatum vom 27. Oktober 1964. Es handelt sich um ein Retrofokusweitwinkel mit stark verlängerter Schnittweite, das als ein Ableger der Entwicklungsarbeiten an den Flektogonen 4/25 bzw. 4/20 mm durch eine Entwicklergruppe um Wolf Dannberg hervorgegangen sein wird. Es besteht aus sieben einzelnstehenden Linsen und deckt einen Bildwinkel von etwas mehr als 75 Grad ab. Zwischen April 1968 und Februar 1991 wurden über 22.500 Stück hergestellt – mit erst ab Mitte der 1970er Jahre stark steigender Tendenz. Diese wachsenden Stückzahlen dürften freilich im Einklang mit der zunehmenden Verbreitung solcher Fernsehkameras gestanden haben. Daher trifft dieser Umstand auch auf die anderen Objektive dieser Tevidon-Serie zu.
Oben ist einmal das Tevidon 2/10 mm in der schweren Fassung aus Messing der leichten auf Basis von Aluminium gegenübergestellt. Äußerlich lassen sich die beiden Fassungsarten nur durch den bei der Messingversion vorn angeschrägten Abschluß des Entfernungseinstellrings auseinanderhalten. Dieses Merkmal trifft auch für die gesamte restliche Tevidon-Reihe zu. Speziell beim Tevidon 2/10 mm gibt es zudem ein "schlankes" Modell mit einem Filtergewinde von 46 mm Durchmesser und ein voluminöseres mit 49 mm.
Tevidon 1,8/16 mm
Das Tevidon 1,8/16 mm bildet mit seinem Bildwinkel von deutlich über 50 Grad gewissermaßen den Übergang zwischen dem Weitwinkelbereich und einem Normalobjektiv. Für einen Gaußtyp verlangt ein derart großer Bildwinkel nach einer sorgfältigen Konstruktion.
Das obige Linsenschnittbild läßt erkennen, daß dazu eine Retrofokus-Konstruktion gewählt wurde. Als Grundobjektiv diente dabei die Bauform des Visionars, die Ende der 50er Jahre eigentlich als Kinoprojektionsobjektiv entwickelt worden war [DD22.291 vom 29. Oktober 1958]. Dieser Gaußtypabwandlung wurde nach dem Retrofokus-Prinzip ersten Typs ein zerstreuender Meniskus vorangestellt. Letztere Maßnahme war nicht das Erreichen eines besonders großen Bildwinkels nötig; vielmehr ging es darum, den freien Luftraum zwischen dem hintersten Linsenscheitel und der Bildebene nicht zu kurz werden zu lassen. Diese sogenannte Schnittweite beträgt bei diesem "Retrofokus-Visionar" etwa 83 Prozent der Brennweite [Vgl. Dietzsch: Retrofokusobjektive, 2002, S. 120]. Im Falle des Tevidons 1,8/16 waren das also mehr als 13 mm freier Luftraum hinter dem Objektiv. Das ist groß genug, um mechanische Anpassungsprobleme dieser kurzbrennweitigen Optik an Kameras auszuschließen, bei denen zwischen Objektiv und Filmebene bzw. Bildaufnahmeröhre weitere optische oder mechanische Komponenten untergebracht sind. Bei den üblichen, als reiner Gaußtyp konzipierten Objektiven dieser Brennweite, wie sie von 16 mm Schmalfilkameras her bekannt sind, ragt hingegen die hintere Objektivfassung oftmals so weit in die Kamera hinein, daß kaum Platz zur Filmebene verbleibt. Durch die Auslegung als Retrofokus schließt jedoch beim Tevidon 1,8/16 mm die hinterste Linsenfassung fast plan mit dem C-Anschlußgewinde ab, wie dies auf dem Bild unten rechts gut zu erkennen ist. Dadurch dürfte es mit keiner Kamera zu Kompatibilitätsschwierigkeiten kommen.
Die Abbildung oben zeigt auch generell noch einmal einen Vergleich zwischen dem Bajonett- (links) und dem Gewindeanschluß (rechts), mit denen die Tevidone wahlweise serienmäßig ausgestattet wurden. Außerdem befindet sich wieder links die Variante mit Messingfassung und rechts jene aus Aluminium. Vom Tevidon 1,8/16 mm, dessen Objektivrechnungsabschluß auf den 6. Juli 1965 datiert, wurden zwischen Juni 1968 und Oktober 1990 26.250 Exemplare hergestellt.
Tevidon 1,4/25 mm
Das Jena Tevidon 1,4/25 mm ist das einzige aus dieser Fernsehkamera-Serie, das nicht explizit für jenen speziellen Anwendungsfall neu geschaffen wurde. Das ist daraus zu erkennen, daß es mit dem 1. September 1955 ein viel früheres Rechnungsabschlußdatum aufweist. Diese Tatsache offenbart vielmehr, daß es sich beim Tevidon 1,4/25 mm um das ursprünglich für die AK 16 Schmalfilmkamera geschaffene Biotar 1,4/25 mm handelt, das optisch unverändert weitergebaut wurde. Zwischen April 1968 und September 1990 wurden über 38.000 Stück hergestellt. Unten im Vergleich dazu ein sehr spätes Tevidon 1,4/25 aus dem Jahre 1989, das keine Schrägverzahnung, sondern ein normales Einstellrändel aufweist.
Tevidon 1,9/35 mm
Trotz seiner kurzen Brennweite baulich sehr lang geraten ist das Tevidon 1,9/35 mm. Das liegt daran, daß es sich um eine auf 35 mm Brennweite skalierte Version des obigen Tevidon 1,8/16 mm handelt [Vgl. Dietzsch: Retrofokusobjektive, 2002, S. 120]. Beide Objektive sind aus dem Visionar hervorgegegangen, das von Robert Tiedeken als Kino-Projektionsobjektiv entwickelt worden war und bei dem alle Verkittungen in Einzelelemente aufgelöst wurden. Es handelt sich um eine Retrofokusbauart des ersten Typs, bei dem diesem Grundobjektiv ein zerstreuender Meniskus im Abstand der Brennweite vorgesetzt wurde, ähnlich wie beim Flektogon 2,8/35 mm.
Weshalb trotz der im Vergleich zum obigen Tevidon 25 mm deutlich längeren Brennweite (und damit auch Schnittweite) hier nun wieder die Bauart des Retrofokus gewählt wurde, ist mir nicht bekannt. Die Bildwinkelausnutzung liegt zudem nur bei etwa 25 Grad, weshalb auch kein Weitwinkel erzielt werden sollte. Von diesem etwas seltsamen Tevidon 35 mm wurden zwischen April 1968 und April 1990 trotzdem über 16.400 Stück hergestellt.
Tevidon 1,8/50 mm
Obgleich man beim Tevidon 1,8/50 mm problemlos auf die damaligen Normalobjektive für das Kleinbild hätte zurückgreifen können, wurde auch hier eine eigenständige Konstruktion errechnet, die zum 15. April 1966 abgeschlossen wurde. Der Grund könnte darin gelegen haben, daß bei diesen Objektiven ein besonderes Augenmerk darauf gelegt wurde, daß die Bilder für das blaue, grüne und rote Bild möglichst gleich groß sind. In Hinblick auf eine Anwendung beim Farbfernsehen ist eine Hebung der chromatischen Querabweichung sehr vorteilhaft, also dafür zu sorgen, daß das rote, grüne und blaue Bild möglichst dieselbe Größe aufweisen. Und je länger die Brennweite ist, um so schwieriger wird es, diese Bedingung zu erfüllen.
Gerade das Fernsehen mit seinen wenigen 100.000 Bildpunkten ist der Literatur zufolge aber geradezu anfällig für Interferenzerscheinungen aufgrund von Farbsäumen. Ein benachbarter Bildpunkt kann eben gerade noch oder gerade nicht mehr vom betreffenden farbigen Teilbild gestreift werden. Zwischen diesen groben Bildpunkten liegende Farbdichten werden einfach nicht aufgelöst. Daraus resultierende Lageverschiebungen zwischen Rot, Grün und Blau verursachen im schlimmsten Fall sehr störende Überlagerungseffekte ("Moiré"). Ein für Video-Anwendungen gerechnetes Objektiv muß daher auf andere Gesichtspunkte hin abgestimmt werden, als ein Photoobjektiv, zumal mit wachsender Brennweite auch Abbildungsfehler wie die chromatische Aberration immer größere Ausmaße annehmen. Allgemein kann jedoch gesagt werden, daß die Tevidone die Auflösungsanforderungen des Fernsehens weit übertreffen.
Zwischen Mai 1968 und März 1990 wurden über 14.000 Exemplare vom Tevidon 1,8/50 gebaut.
Tevidon 2,8/70 mm
Das Tevidon 2,8/70 mm hat seinen Rechnungsabschluß vom 7. April 1968. Zwischen Mai 1968 und Juni 1989 wurden reichlich 9000 Stück hergestellt.
Tevidon 2,8/100 mm
Die Rechnung zum Tevidon 2,8/100 mm wurde ebenfalls im April 1968 abgeschlossen. Zwischen Mai 1968 und Oktober 1990 wurden 9600 Exemplare hergestellt. Mit diesem Objektiv, dessen Brennweite mehr als sechs mal größer als die Bilddiagonale ist, wurde die Reihe der Fernsehkamera-Objektive vorerst abgeschlossen.
Bleibt noch zu erwähnen, daß sich die Blenden all dieser Objektive beim Hinausdrehen über den kleinsten Blendenwert vollständig verschließen lassen. Das kann heute noch nützlich sein, wenn die Tevidone an Filmkameras verwendet werden sollen und man ab- bzw. überblenden und rückwickeln will. Für heutige Anwender sei auch noch einmal betont, daß die Tevidone mindestens das Super 16 Format abdecken, selbst wenn das Objektiv nicht auf die neue Bildmitte hin zentriert wurde. Insbesondere das Tevidon 10 mm ist dahingehend ein echter Geheimtip. Übliche, für das 16 mm Format ausgelegte Objektive mit solch kurzen Brennweiten, sind dabei meist völlig überfordert. Bei den längerbrennweitigen Exemplaren (ab 50 mm) reicht der rückseitige Bildwinkel sogar weit über das veranschlagte Format hinaus.
Vario-Tevidon 2/18-90 mm
Fast anderthalb Jahrzehnte nachdem die oben gezeigten festbrennweitigen Tevidone konstruiert worden waren, setzte man sich im VEB Carl Zeiss JENA im Jahre 1980 an die Konstruktion eines variofokalen Fernsehobjektivs für 1 Zoll Röhren. Es sollte den Brennweitenbereich etwa von der Normalbrennweite bis zum 5,5-fachen dieser Brennweite abdecken. Eine erste Rechnung wurde zum 31. März 1980 fertiggestellt und anschließend zwischen November 1981 und Juni 1984 weniger als 1500 mal gebaut. Eine neue Rechnung vom 16. November 1981 wurde anschließend bis März 1987 noch einmal über viereinhalb tausend mal gebaut. Insgesamt existieren etwa 6200 Vario-Tevidone 2/18-90 mm.
Zum Vario-Tevidon 18-90mm konnte noch der oben zu sehende 2-fach Extender geliefert werden, der den Brennweitenbereich des Zooms insgesamt verdoppelte. Es gab auch noch einen Telekonverter mit dem Faktor 1,5. Dieser war wahlweise auch am im Folgenden beschriebenen Vario-Televidon 15-150 mm zu verwenden.
Vario-Tevidon 2/15-150 mm
Ein noch viel höheres Niveau erreichte man beim VEB Zeiss Jena mit dem ambitionierterten Vario-Tevidon 2/15-150 mm, das im Juni 1982 errechnet worden war und von dem zwischen 1985 und 1989 lediglich 350 Exemplare fabriziert wurden. Dieses Monstrum scheint in der Herstellung sehr aufwendig gewesen zu sein, weshalb seine Produktion bereits vor Beginn der Wende wieder auslief.
Geschaffen wurde dieses Objektiv von Harald Maenz, der bei Zeiss Jena schon seit den 1960er Jahren an Zoomobjektiven gearbeitet hatte und der auch maßgeblich für das Vario-Sonnar 4/80-200 mm verantwortlich zeichnete. Das DDR-Patent Nr. 215.639 vom 4. April 1983 zeugt von dem enormen Aufwand, der für diesen großen Brennweitenbereich betrieben werden mußte, insbesondere da bessere Leistungen erzielt werden sollten als das bei den bisher bekannt gewordenen Zehnfach-Zooms der Fall war.
Dabei mußte große Aufmerksamkeit auf die Farbkorrektur gelegt werden, insbesondere auf das Anwachsen des sekundären Spektrums in den längeren Brennweiten. In den vorderen Wirkungsgruppen wurde dazu das neue Lanthan-Schwerkron LaSK3 eingesetzt, das mit seinen abweichenden Teildispersionen gute Voraussetzungen dafür mit sich brachte. Des weiteren wurde im Kittglied des Grundobjektives extrem niedrig dispergierendes Glas eingesetzt. Die Patentschrift enthält zwei Konstruktionsvarianten, die sich im wesentlichen im Glaseinsatz an dieser Stelle unterscheiden. Dort wurde entweder eine Linse aus Flußspat, oder aus einem flußspatähnlichen Glas eingesetzt (das offenbar mittlerweile in der DDR gefertigt wurde; ähnlich PK52).
Diese beiden Holzkoffer geben uns einen Eindruck davon, welch monströse Gerätschaften diese Vario-Tevidone 2/15-150 mm gewesen sind [Bild: Stig Berthelsen]. Das linke Exemplar hat eine Motorsteuerung für Entfernung, Blendenöffnung und Brennweite, hergestellt vom VEB Studiotechnik Berlin.
Die der Patentschrift beigefügten Kurven der Kontrastübertragungsfunktion bei 20 Linien je Millimeter Ortsfrequenz lassen lassen erkennen, daß Harald Maenz angesichts des großen Brennweitenbereichs ein für die damalige Zeit außergewöhnlich gutes, sehr ausgewogenes Zoomobjektiv geschaffen hatte. Auch die darunter angegebene Kurve für den sogenannten Geometriefehler läßt erkennen, daß sich nach dem Verlassen des Weitwinkelbereichs die Verzeichnung auf einen niedrigen konstanten Wert einpendelt. Das ist eine wichtige Eigenschaft bei Video- und Filmaufnahmen, wo geometrische Veränderungen beim Durchfahren des Zoombereichs besonders störend auffallen. Dieses Vario-Tevidon 2/15-150 mm dürfte damit dem damaligen Qualitätsniveau der 1-Zoll-Fernsehtechnik deutlich voraus gewesen sein.
Tevidon 0,95/25 mm
Bleibt noch zu erwähnen, daß Harald Maenz im Jahre 1987 noch ein Objektiv für die Tevidon-Reihe mit der Öffnung 1:0,95 entwickelt hatte, das mit seinen neun Linsen in sechs Gruppen sehr aufwendig gebaut war. Ziel war eine möglichst hohe Bildleistung zu erreichen und die Blendendifferenz, also das wandern des schärfsten Bildkerns entlang der optischen Achse beim Abblenden, auf einen Wert unter 0,3 Prozent der Brennweite zu begrenzen.
Die nach diesem Patent DD269.693 vom 29. Dezember 1987 erstellte Abbildung oben zeigt, daß Maenz umfassend moderne Lanthan-Flint- und Lanthan-Schwerkron-Gläser eingesetzt hat. Dieses hochwertige Objektiv ging jedoch offenbar nicht mehr in die Serienfertigung.
Oben eine Aufstellung aller Typen und der zugehörigen optischen und mechanischen Daten inkl. der unterschiedlichen Bildwinkelausnutzungen, wenn die Tevidone an Bildaufnahmeröhren der kleineren Formate verwendet wurden, wie sie international gebräuchlich waren. Die Masseangaben beziehen sich wohl ausschließlich auf Versionen mit Alu-Fassungen. Diejenigen aus Messing sind auffallend schwerer.
Oben: Ein Prospekt speziell zu den Tevidon-Objektiven, der allerdings nicht von Zeiss Jena, sondern vom VEB Studiotechnik Berlin herausgegeben wurde.
Unten: Ein Auszug aus einem RFT-Katalog zum Gesamtgebiet der elektrischen Fernbeobachtungstechnik aus dem Jahre 1973. Neben der Fernsehkamera FK20 und der oben bereits erwähnten TFK 500 ist auch ein Farbaufnahmesystem FFBA 2 mit der mit der auf Farbteilung basierenden Kamera FFIK 2 beschrieben. Letztere wurde damals serienmäßig mit einem Zoom 3,7/24-180 mm von Taylor & Hobson ausgestattet.
Zum Abschluß noch etwas zum schmunzeln. Im Werk für Fernsehelektronik wurden zwar komplizierte technische Geräte im Wert von vielen tausend DDR-Mark hergestellt, aber was auf gar keinen Fall wegkommen durfte, das war die Umverpackung der Röhre bestehend aus ein paar Gramm Schaumpolystyrol. In der DDR herrschte halt immer an irgend einer Ecke Knappheit. :)
Ich danke Sebastian Philipp Manke, der diesen Artikel möglich gemacht hat.
Marco Kröger 2020
letzte Änderung: 24. August 2024
Yves Strobelt, Zwickau
zeissikonveb@web.de
Wir bitten, von Reparaturanfragen abzusehen!