Reflekta und Weltaflex

Reflekta und Weltaflex

Die Mitteldeutsche Photoindustrie wird derart prominent mit der Kamerabauart der Einäugigen Reflex in Verbindung gebracht, daß einem eigentlich kaum der Zweiäugige Typ in den Sinn kommen dürfte, wenn man an die großen Erfolgsmodelle aus Dresden und Umgebung denkt. Und trotzdem gehörten diese beiden Zweiäugigen Kameras zu den begehrtesten Aufnahmegeräten, die sich in den 50er Jahren ein Photoamateur in der DDR erträumen konnte...

1. Die Reflecta

Die einfache Zweiäugige Blechkamera "Reflecta" wurde schon vor dem Zweiten Weltkrieg durch die Kameramanufaktur von Fritz und Charlotte Richter in Tharandt gebaut. Das Produkt war bereits von der Vorgängerfirma Ferdinand Merkel entwickelt worden, doch erst nach der Firmenübernahme durch die Eheleute Richter wurde die Reflecta kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges auf den Markt gebracht.

Reflecta camera

Bild: Dirk Müller



Ein solcher zweiäugiger Photoapparat war für all diejenigen Amateure interessant, die bei niedrigem Preis vom Knipsen wegkommen wollten. Man führe sich vor Augen, daß die damals üblichen Rollfilmkameras oft nur einfachste Sucher zu bieten hatten und daß die Entfernungseinstellung der recht langbrennweitigen Objektive fast immer geschätzt werden mußte. Wollte man einen gekuppelten Entfernungsmesser, dann wurde es recht schnell recht teuer. Doch selbst diese schier unerschwinglichen Spitzenmodelle mit Entfernungsmesser hatten oftmals trotzdem nur geradezu piepslich kleine Sucher eingebaut. Eine Zweiäugige Reflexkamera bot dagegen sowohl einen großen Sucher, als auch eine präzise Scharfstellung per Mattscheibe. Und die Reflecta war einer der billigsten Zugänge in diese Kameraklasse. Deshalb wurde sie auch seit 1947 wieder in Tharandt gebaut und 1949 geringfügig weiterentwickelt [Vgl. Jehmlich, Pentacon, 2009. S. 93.]. Aus dem "C" in Namen wurde nun ein "K".

Reflekta

Ein Exemplar der hauptsächlich äußerlich modernisierten Reflekta aus der Zeit zwischen 1949 und 1950. Die Objektive sind noch unvergütet, wobei das Tessar nicht original sein dürfte.

Freital Tharandt 1949

In einer Zeit, als Firmen wie die Ihagee oder der VEB Zeiss Ikon gerade erst wieder anfingen, Kameras in größeren Stückzahlen zu fabrizieren, waren die Kamerawerke Welta Freital und KWT in Tharandt bereits feste Größen im Exportgeschäft der jungen DDR.

Die Reflekta als "Flektar" mit einem synchronisierten Verschluß "Blitz I" und mit einer Entfernungsskala in Fuß für den Export in die USA. Bild: David Sides

2. Die Reflekta II

Diese Kamera war dann aber doch noch etwas zu einfach aufgebaut. Ohne am Grundprinzip der Blechformteile etwas zu ändern, wurde auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1950 die Reflekta II vorgestellt, deren wichtigstes Merkmal die hinzugekommene Doppelbelichtungssperre war [Vgl. Die Fotografie, 4/1950, S. 92.]. Kurz vor Beginn der Messe, zum 1. März 1950, wurde der VEB Kamera-Werk Tharandt in den VEB Welta-Kamerawerk Freital eingegliedert [Vgl. Protokoll einer Betriebsbesichtigung vom 26. Februar 1951, Zeiss-Archiv Bestand 15983.], der dadurch auf 180 Beschäftigte anwuchs [Vgl. Blumtritt, Dresdner Fotoindustrie, 2000, S. 146.]. Betriebsleiter und zugleich wichtigster Konstrukteur war Heinrich Skolaude.

Reflekta II die Fotografie April 1950

Die Entwicklung dieser Reflekta II hatte 11.990,90 Mark gekostet  [Vgl. Protokoll einer Betriebsbesichtigung vom 26. Februar 1951, Zeiss-Archiv Bestand 15983.]. Die ersten 250 Stück dieser verbesserten Kamera gelangten im Februar 1950 zur Auslieferung. In der Folgezeit wird auf westdeutsche Zentralverschlüsse möglichst verzichtet. Stattdessen beteiligte sich der VEB Welta finanziell an der damals laufenden Entwicklung eines neuen Spannverschlusses im VEB Zeiss Ikon (dem späteren Cludor bzw. Vebur), der neben dem einfachen Selbstspannverschluß Junior der Gebrüder Werner bald große Anwendung bei der Reflekta II fand.

Reflekta II

Diese Kamera, die mit den verschiedensten Verschlüssen und Objektivbestückungen ausgerüstet wurde, fand rasch eine weite Verbreitung und wurde zu großen Anteilen vor allem in die USA exportiert. Im Jahr 1950 wurden 8200 Stück Reflekta gefertigt im Werte von 607.225,- Mark, die zu 75 Prozent in den Export gingen [Vgl. Protokoll einer Betriebsbesichtigung vom 26. Februar 1951, Zeiss-Archiv Bestand 15983.]. Für das Jahr 1951 waren 15.000 Stück Reflekta im Werte von 1.170.000 Mark im Plan vorgesehen – das mit Abstand einträchtigste Produkt des gesamten Betriebes. Und überdies damals eines der Gefragtesten der gesamten jungen DDR-Kameraindustrie!

Reflekta April 1950

Zwei Meldungen zum selben Thema vom 6. April 1950 in zwei verschiedenen Tageszeitungen. In beiden steht die Zahl 8200 die allein in die USA geliefert würden. Diese 8200 sollen jedoch laut der oben zitierten Quelle die Gesamtstückzahl der 1950 produzierten Reflektas gewesen sein. Da ein großer Export auch in andere Länder zu verzeichnen war, müssen in Wahrheit viel größere Mengen ausgestoßen worden sein. Mit 6x6 cm - Spiegelreflexkamera 1/250 Sekunde" ist die Reflekta II mit Prontor II gemeint.

Reflekta April 1950

Eine darüber hinaus von den Abnehmern geforderte weitere Steigerung der Stückzahl war erst möglich, nachdem im selben Jahr bei ROW in Rathenow das zuvor von der Firma Laack gefertigte Pololyt 3,5/75 mm wieder in Produktion genommen und damit eine Alternative zum Meritar 3,5/75 von Ludwig Weixdorf und Trioplan 3,5/75 von Meyer Görlitz geschaffen wurde, deren gelieferte Stückzahlen nicht ausreichten. Insbesondere für den US-Export mußte auf möglichst billige Herstellungskosten geachtet werden. So wurde beispielsweise ein vergütetes Meritar 3,5/75 für lediglich 8,- Mark pro Stück aus Weixdorf bezogen, für das je Kamera ja zwei Stück benötigt wurden. Um diese geringen Betriebsabgabepreise zu gewährleisten, wurden laut internen Protokollen Zugeständnisse beispielsweise an die Qualität der Entspiegelungsschichten gemacht. Trioplane von Meyer und Triotare von Zeiss waren deutlich besser vergütet.

Reflekta 1950

Aber auch dieses überarbeitete Modell der Reflekta II konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Entfernungseinstellung mithilfe einer Schnecke, die ja ausschließlich um das Aufnahmeobjektiv herum angeordnet war, eine ziemlich ungünstig Lösung ist. Die "Luft", die eine solche Schnecke stets braucht, um sich verstellen zu lassen, sorgt für so viel Spiel, daß das weit entfernte Sucherobjektiv durch die unvermeidliche Hebelwirkung merklich wackelt. Ein präzises Ausnutzen der doch recht hochwertigen Aufnahmeobjektive wie dem Meyer'schen Trioplan war damit nicht gewährleistet.

Penta Reflex Kamera-Werk Thranadt

Man kann es sich heute kaum noch vorstellen, aber die Reflekta gehörte in der Zeit um 1950 zu den exportträchtigsten Kameras des gesamten sächsischen Photogerätebaus. Das lag daran, daß sie so unheimlich billig war. Der Werksabgabepreis lag bei nur etwa 68,- Mark inklusive Optik und mit Verschluß entweder von Werner Tharandt oder der Velax von Mimosa. Etwa 15.000 Reflektas waren für das Jahr 1951 vorgesehen, die fast alle ins Ausland verkauft wurden. Die obige "Penta Reflex" ist dabei eine sehr frühe Ausführung dieser neuen Reflekta II. Sie wurde noch unter der Ägide des VEB Kamera-Werk Tharandt hergestellt (VEB KWT). Bild: Troy Nooe.

Reflekta advertisment

Werbeannonce für die Reflekta II in der "Popular Photography" zur Weihnachtszeit 1951

Peerflekta II

Oben eine Peerflekta speziell für den US-amerikanischen Importeur Peerless. [Bild: Mark Faulkner, Washington D.C.]. Es ist schon interessant, dass offenbar Restbestände der Reflekta ausgerechnet in den USA "verschleudert" wurden, denn die Anzeigen unten stammen aus den Jahren 1956/57.

Peerless Peerflekta 1956
Peerless Peerflekta
Peerless Peerflekta

Oben zwei Bedienungsanleitungen der Reflekta II einmal aus dem Jahr 1949 und einmal von 1953. Danke an Stefan Lange für die Scans.

3. Die Weltaflex

Die Entfernungseinstellung einer Zweiäugigen Reflexkamera mit einem allein um das Aufnahmeobjektiv herum eingebauten Schneckengang war eine technisch inadäquate Lösung. Die auf der Leipziger Herbstmesse 1954 [Vgl. Die Fotografie 9/1954, S. 233 und 235.] vorgestellte Weltaflex arbeitete daher mit einer gänzlich anders aufgebauten Scharfstellung, bei der nun die gesamte Objektivstandarte parallelverschoben wurde. Dazu wurde das Prinzip einer Kurvensteuerung aufgegriffen, das in den 1930er Jahren in der Firma Franke & Heidecke eigentlich als billige Lösung für die Rolleicord entwickelt worden war, sich dann aber als derart funktionell herausstellte, daß auch die Rolleiflex nach kurzer Zeit auf diese Bauart umgestellt wurde.

Weltaflex

Interessanterweise hielt man bei der Weltaflex übrigens am Grundkonzept der "Blechkamera" fest, wie man oben auf dem Bild gut sehen kann. Das war angesichts des im Kamerabau mittlerweile vorherrschenden Aluminiumdruckgusses ausgesprochen anachronistisch. Ein Grundchassis aus Druckguß wäre natürlich viel rationeller zu fertigen gewesen, als ein solches aus Dutzenden Blechformteilen, die von Hand miteinander vernietet oder verschraubt werden mußten. Auch das hohe Gewicht der Weltaflex erklärt sich aus diesem Umstand heraus. Aber mit dem Hinüberwechseln zur Druckgußtechnologie wären die Welta-Kamerawerke wohl von einer Zulieferindustrie abhängig gewesen, die in der DDR ohnehin schon ziemlich ausgelastet gewesen ist.

Weltaflex Innenaufbau

Bild: Sören Rothe

Weitere Verzögerungen beim Herausbringen dieser neuen Kamera waren aber angesichts einer nach dem 17. Juni "von ganz hoch droben" proklamierten Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgüterprodukten nun regelrecht verpöhnt. Ja, es war sogar namentlich gerade der VEB Welta-Kamerawerke, der dahingehend von der Führung öffentlich als besonderes Negativbeispiel angeprangert wurde:


"Diesem Beispiel [der Erfolge im VEB Rheinmetall Sömmerda] sollten alle Werke folgen, besonders der VEB Welta-Werke, der mit seiner Neuentwicklung unentschuldbar weit in Verzug ist." [Kresse, Walter: Entwicklung der Fotoindustrie im neuen Kurs; in: Die Fotografie, 6/1954, S. 153f.]

Walter Kresse SED

Dieser Hieb gegen die Welta-Werke kam von Walter Kresse [Bild: Bundesarchiv], dem damals für den Kamerabau Zuständigen im Maschinenbauministerium und späteren stellvertretenden Minister. Damit war die Weltaflex gewissermaßen zu einem Politikum geworden, als sie 1955 endlich in den Geschäften auftauchte. Mit dem an der rechten Seitenwand angebauten Gehäuseauslöser und dem auf der gegenüberliegenden Seite befindlichen großen Scharfstellknopf war diese neue Kamera nun deutlich einfacher bedienbar als die noch aus Tharandt stammende Vorgängerin. Der große Erfolg dieser nun alsbald in ziemlich großen Stückzahlen ausgestoßenen Weltaflex nach Jehmlich waren es bis 1956 schon 39.000 Kameras war damit bereits vorprogrammiert, stellte sie doch bis zum Erscheinen der Praktisix die einzige in der DDR produzierte Mittelformat-Reflexkamera dar. So kam es, daß sie zeitweilig sogar von Berufsphotographen eingesetzt wurde.

Weltaflex

Konkurrenz hatte die Weltaflex Mitte der 50er Jahre nur durch die aus der Tschechoslowakei importierte Flexaret bekommen. Mit dem Modell Flexaret Automat zog Meopta seinerzeit gegenüber der Weltaflex aber auf und davon. Eine Kupplung von Filmtransport und Verschlußaufzug konnte bei Welta leider nicht mehr verwirklicht werden. Aber wenigstens gab es noch ein Modell mit einem automatischen Bildtransport, bei dem kein Blick auf das Rotfenster mehr nötig war.

Oben die Seitenansicht der Weltaflex einmal ohne und einmal mit Zählwerk und automatischer Bildschrittsteuerung. Für Kameras, die wohl hauptsächlich in den Export gingen, kam auch der der Prontor SVS aus der Bundesrepublik statt des Veburs zum Einsatz. Er hatte eine nominell kürzere Verschlußzeit, einen besseren Wirkungsgrad und bot eine Vollsynchronisation für Lampen- und Elektronenblitzgeräte.


Unten: Auszug aus einer Preisliste aus dem Jahre 1956 mit Endverbraucherpreisen noch in Deutscher Mark der DDR.

Die Weltaflex genoß in den 50er Jahren eine große Nachfrage insbesondere bei anspruchsvollen Schwarzweiß-Photographen, denen das Kleinbild mit den damaligen Dickschichtfilmen zu unscharf war. Von zeitgenössischen Autoren wie Walter Dreizner oder Hans Kleffe wurde dazumal geradezu propagiert, sich neben einer Kleinbildkamera für Farbaufnahmen eine Zweiäugige Reflex für Schwarzweiß zu beschaffen. Mit den verbesserten Schwarzweiß-Dünnschichtmaterialien und den immer beliebteren Farbdias im Kleinbildformat ging das Interesse des Amateurs an einer Zweiäugigen 6x6-Reflexkamera jedoch gegen Ende der 50er Jahre rapide zurück. Der "Todesstoß" für die Weltaflex dürfte spätestens mit der völligen Neuorganisation des DDR-Kamerabaus im Zuge der Gründung des VEB Kamera- und Kinowerke zum 1. Januar 1959 gekommen sein. Außer der Praktisix hatte der DDR-Kamerabau nun keine Mittelformat Reflexkamera mehr im Programm.

Weltaflex
Weltaflex Flexini

Die zweite Hälfte der 1950er Jahre ist die Ära, in der sich auch beim Amateur die Farbphotographie durchsetzen konnte. Und Farbe bedeutete damals in Deutschland fast ausschließlich Kleinbild-Diapositive, da sich einerseits das Negativ-Positiv-Verfahren für Papierbilder kaum jemand leisten konnte, andererseits jedoch in vielen Haushalten und öffentlichen Einrichtungen die notwendigen Bildwerfer für Kleinbilddias bereits vorhanden waren. Farbumkehrfilm als Rollfilm gab es hingegen lange Zeit überhaupt nicht und auch als er dann später zur Verfügung stand, konnten sich 6x6 Diapositive beim Amateur nie wirklich durchsetzen. Auch die dazu notwendigen Projektoren waren rar gesät und entsprechend teuer. Für die Weltaflex wurde daher ein Einsatz für die Umrüstung der Kamera zur Anfertigung von Kleinbildaufnahmen geschaffen. Walter Dreizner urteilte dazumal allerdings:


"Der Wert des 6x6-Formates war bereits eindeutig festgelegt. Wenn nun auch zur WELTAFLEX der Kleinbildeinsatz 'Flexini' geschaffen wurde, so nur, um den WELTAFLEX-Besitzer gelegentlich Kleinbildaufnahmen zu ermöglichen. Leider hat man sich bei der Konstruktion zu sehr von dem Begriff 'gelegentlich' leiten lassen, denn ausgereift ist der Flexini nicht. Trotzdem wird dieser Einsatz dem Amateur Kleinbildnegative (24 mm x 36 mm) liefern. Die Einfügung der beiden Zwischenstücke, die als Achsenverlängerung für die Filmpatrone dienen, erfordert allerdings etwas Geduld. Eine eingebaute Kontrolle über bereits belichtete Aufnahmen fehlt. Ebenso dürfte die gewonnene Bildzahl 27 kaum befriedigen. [...] Der Flexini-Kleinbildeinsatz ist nur für WELTAFLEX-Kameras ohne Zählwerk verwendbar, oder aber für solche mit Zählwerk, wenn diese Kameras mit dem zusätzlichen Entsperrer der Doppelbelichtungssperre versehen sind. Die Aufhebung der Doppelbelichtungssperre ist für den Transport des Kleinbildfilms nötig." [aus: Fotofalter 7/1959, S. 216.]

Weltaflex Annonce

Unten die Anleitung der Weltaflex und des Kleinbildeinsatzes Flexini. Danke an Stefan Lange für die Scans.

Marco Kröger


letzte Änderung: 20. Mai 2025