Reflekta und Weltaflex

Reflekta und Weltaflex

Die Mitteldeutsche Photoindustrie wird derart prominent mit der Kamerabauart der Einäugigen Reflex in Verbindung gebracht, daß einem eigentlich kaum der Zweiäugige Typ in den Sinn kommen dürfte, wenn man an die großen Erfolgsmodelle aus Dresden und Umgebung denkt. Und trotzdem gehörten diese beiden Zweiäugigen Kameras zu den begehrtesten Aufnahmegeräten, die sich in den 50er Jahren ein Photoamateur in der DDR erträumen konnte...

Reflecta

Reflecta camera

Bild: Dirk Müller



Die einfache Zweiäugige Blechkamera "Reflecta" war schon vor dem Zweiten Weltkrieg durch die Kameramanufaktur der Eheleute Richter in Tharandt gebaut worden. Ein solcher Photoapparat war für all diejenigen Amateure interessant, die bei niedrigem Preis vom Knipsen wegkommen wollten. Man führe sich vor Augen, daß die damals üblichen Rollfilmkameras oft nur einfachste Sucher zu bieten hatten und daß die Entfernungseinstellung der recht langbrennweitigen Objektive fast immer geschätzt werden mußte. Wollte man einen gekuppelten Entfernungsmesser, dann wurde es recht schnell recht teuer. Doch selbst diese schier unerschwinglichen Spitzenmodelle mit Entfernungsmesser hatten oftmals trotzdem nur geradezu piepslich kleine Sucher eingebaut. Eine Zweiäugige Reflexkamera bot dagegen sowohl einen großen Sucher, als auch eine präzise Scharfstellung per Mattscheibe. Und die Reflecta war einer der billigsten Zugänge in diese Kameraklasse. Deshalb wurde sie auch seit 1947 wieder in Tharandt gebaut und 1949 geringfügig weiterentwickelt. [Vgl. Jehmlich, Pentacon, 2009. S. 93.] Aus dem "C" in Namen wurde nun ein "K".

Reflekta

Ein Exemplar der hauptsächlich äußerlich modernisierten Reflekta aus der Zeit zwischen 1949 und 1950. Die Objektive sind noch unvergütet, wobei das Tessar nicht original sein dürfte.

Die Reflekta als "Flektar" und mit einer Entfernungsskala in Fuß für den Export in die USA. Bild: David Sides

Diese Kamera war dann aber doch noch etwas zu einfach aufgebaut. Ohne am Grundprinzip der Blechformteile etwas zu ändern, wurde auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1950 die Reflekta II vorgestellt, deren wichtigstes Merkmal die hinzugekommene Doppelbelichtungssperre war. [Vgl. Die Fotografie, 4/1950, S. 92.] Diese Kamera, die mit den verschiedensten Verschlüssen und Objektivbestückungen ausgerüstet wurde, fand rasch eine weite Verbreitung und wurde zeitweilig sogar in die USA exportiert. Noch im selben Jahr wurde sodann das Herstellerwerk der Reflekta in Tharandt dem VEB Welta-Kamera-Werke in Freital angegliedert, der dadurch nunmehr 180 Beschäftigte aufzuweisen hatte. [Vgl. Blumtritt, Dresdner Fotoindustrie, 2000, S. 146.]

Reflekta II

Aber auch dieses überarbeitete Modell der Reflekta II konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Entfernungseinstellung mithilfe einer Schnecke, die ja ausschließlich um das Aufnahmeobjektiv herum angeordnet war, eine ziemlich ungünstig Lösung ist. Die "Luft", die eine solche Schnecke stets braucht, um sich verstellen zu lassen, sorgt für so viel Spiel, daß das weit entfernte Sucherobjektiv durch die unvermeidliche Hebelwirkung merklich wackelt. Ein präzises Ausnutzen der doch recht hochwertigen Aufnahmeobjektive wie dem Meyer'schen Trioplan war damit nicht gewährleistet.

Reflekta advertisment

Werbeannonce für die Reflekta II in der "Popular Photography" zur Weihnachtszeit 1951

Peerflekta II

Wohl um Markenrechtsstreitigkeiten aus dem Wege zu gehen: Eine Peerflekta speziell für den US-amerikanischen Markt. Bild: Mark Faulkner, Washington D.C.



Unten ein zwei Bedienungsanleitungen der Reflekta II einmal aus dem Jahr 1949 und einmal von 1953. Danke an Stefan Lange für die Scans.

Die Weltaflex

Weltaflex

Die auf der Leipziger Herbstmesse 1954 [Vgl. Die Fotografie 9/1954, S. 233 und 235.] vorgestellte Weltaflex arbeitete daher mit einer gänzlich anders aufgebauten Scharfstellung, bei der nun die gesamte Objektivstandarte parallelverschoben wurde. Dazu wurde das Prinzip einer Kurvensteuerung aufgegriffen, das in den 1930er Jahren in der Firma Franke & Heidecke eigentlich als billige Lösung für die Rolleicord entwickelt worden war, sich dann aber als derart funktionell herausstellte, daß auch die Rolleiflex nach kurzer Zeit auf diese Bauart umgestellt wurde.

Weltaflex Innenaufbau

Bild: Sören Rothe

Interessanterweise hielt man bei der Weltaflex übrigens am Grundkonzept der "Blechkamera" fest, wie man oben auf dem Bild gut sehen kann. Das war angesichts des im Kamerabau mittlerweile vorherrschenden Aluminiumdruckgusses ausgesprochen anachronistisch. Ein Grundchassis aus Druckguß wäre natürlich viel rationeller zu fertigen gewesen, als ein solches aus Dutzenden Blechformteilen, die von Hand miteinander vernietet oder verschraubt werden mußten. Auch das hohe Gewicht der Weltaflex erklärt sich aus diesem Umstand heraus. Aber mit dem Hinüberwechseln zur Druckgußtechnologie wären die Welta-Kamerawerke wohl von einer Zulieferindustrie abhängig gewesen, die ohnehin schon ziemlich ausgelastet gewesen ist.


Weitere Verzögerungen beim Herausbringen dieser neuen Kamera waren aber angesichts einer nach dem 17. Juni "von ganz hoch droben" proklamierten Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgüterprodukten nun regelrecht verpöhnt. Ja, es war sogar namentlich gerade der VEB Welta-Kamerawerke, der dahingehend von der Führung öffentlich als besonderes Negativbeispiel angeprangert wurde:


"Diesem Beispiel [der Erfolge im VEB Rheinmetall Sömmerda] sollten alle Werke folgen, besonders der VEB Welta-Werke, der mit seiner Neuentwicklung unentschuldbar weit in Verzug ist." [Kresse, Walter: Entwicklung der Fotoindustrie im neuen Kurs; in: Die Fotografie, 6/1954, S. 153f.]


Damit war die Weltaflex gewissermaßen zu einem Politikum geworden, als sie 1955 endlich in den Geschäften auftauchte. Mit dem an der rechten Seitenwand angebauten Gehäuseauslöser und dem auf der gegenüberliegenden Seite befindlichen großen Scharfstellknopf war diese neue Kamera nun deutlich einfacher bedienbar als der "Konkurrent" aus Tharandt. Der große Erfolg dieser nun alsbald in ziemlich großen Stückzahlen ausgestoßenen Weltaflex nach Jehmlich waren es bis 1956 schon 39.000 Kameras war damit bereits vorprogrammiert, stellte sie doch bis zum Erscheinen der Praktisix die einzige in der DDR produzierte Mittelformat-Reflexkamera dar. So kam es, daß sie zeitweilig sogar von Berufsphotographen eingesetzt wurde.

Weltaflex

Konkurrenz hatte die Weltaflex Mitte der 50er Jahre nur durch die aus der Tschechoslowakei importierte Flexaret. Mit dem Modell Flexaret Automat zog Meopta seinerzeit der Weltaflex aber auf und davon. Eine Kupplung von Filmtransport und Verschlußaufzug konnte bei Welta leider nicht mehr verwirklicht werden. Aber wenigstens gab es noch ein Modell mit einem automatischen Bildtransport, bei dem kein Blick auf das Rotfenster mehr nötig war.

Weltaflex ohne und mit Zählwerk und automatischer Bildschrittsteuerung. Für das "bessere" Modell durfte sogar hin und wieder der Prontor SVS aus der Bundesrepublik importiert werden.


Unten: Auszug aus einer Preisliste aus dem Jahre 1956.

Die Weltaflex genoß in den 50er Jahren eine große Nachfrage insbesondere bei anspruchsvollen Schwarzweiß-Photographen, denen das Kleinbild mit den damaligen Dickschichtfilmen zu unscharf war. Von zeitgenössischen Autoren wie Walter Dreizner oder Hans Kleffe wurde dazumal geradezu propagiert, sich neben einer Kleinbildkamera für Farbaufnahmen eine Zweiäugige Reflex für Schwarzweiß zu beschaffen. Mit den verbesserten Schwarzweiß-Dünnschichtmaterialien und den immer beliebteren Farbdias im Kleinbildformat ging das Interesse des Amateurs an einer Zweiäugigen 6x6-Reflexkamera jedoch gegen Ende der 50er Jahre rapide zurück. Der "Todesstoß" für die Weltaflex dürfte spätestens mit der völligen Neuorganisation des DDR-Kamerabaus im Zuge der Gründung der Kamera- und Kinowerke zum 1. Januar 1959 gekommen sein. Außer der Praktisix hatte der DDR-Kamerabau nun keine Mittelformat Reflexkamera mehr im Programm.

Weltaflex
Weltaflex Flexini

Die zweite Hälfte der 1950er Jahre ist die Ära, in der sich auch beim Amateur die Farbphotographie durchsetzen konnte. Und Farbe bedeutete damals in Deutschland fast ausschließlich Kleinbild-Diapositive, da sich einerseits das Negativ-Positiv-Verfahren für Papierbilder kaum jemand leisten konnte, andererseits jedoch in vielen Haushalten und öffentlichen Einrichtungen die notwendigen Bildwerfer für Kleinbilddias bereits vorhanden waren. Farbumkehrfilm als Rollfilm gab es hingegen lange Zeit überhaupt nicht und auch als er dann später zur Verfügung stand, konnten sich 6x6 Diapositive beim Amateur nie wirklich durchsetzen. Auch die dazu notwendigen Projektoren waren rar gesät und entsprechend teuer. Für die Weltaflex wurde daher ein Einsatz für die Umrüstung der Kamera zur Anfertigung von Kleinbildaufnahmen geschaffen. Walter Dreizner urteilte dazumal allerdings:


"Der Wert des 6x6-Formates war bereits eindeutig festgelegt. Wenn nun auch zur WELTAFLEX der Kleinbildeinsatz 'Flexini' geschaffen wurde, so nur, um den WELTAFLEX-Besitzer gelegentlich Kleinbildaufnahmen zu ermöglichen. Leider hat man sich bei der Konstruktion zu sehr von dem Begriff 'gelegentlich' leiten lassen, denn ausgereift ist der Flexini nicht. Trotzdem wird dieser Einsatz dem Amateur Kleinbildnegative (24 mm x 36 mm) liefern. Die Einfügung der beiden Zwischenstücke, die als Achsenverlängerung für die Filmpatrone dienen, erfordert allerdings etwas Geduld. Eine eingebaute Kontrolle über bereits belichtete Aufnahmen fehlt. Ebenso dürfte die gewonnene Bildzahl 27 kaum befriedigen. [...] Der Flexini-Kleinbildeinsatz ist nur für WELTAFLEX-Kameras ohne Zählwerk verwendbar, oder aber für solche mit Zählwerk, wenn diese Kameras mit dem zusätzlichen Entsperrer der Doppelbelichtungssperre versehen sind. Die Aufhebung der Doppelbelichtungssperre ist für den Transport des Kleinbildfilms nötig." [aus: Fotofalter 7/1959, S. 216.]

Weltaflex Annonce

Unten die Anleitung der Weltaflex und des Kleinbildeinsatzes Flexini. Danke an Stefan Lange für die Scans.

Marco Kröger


letzte Änderung: 20. Juni 2022