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Die Verwendung des Begriffs "Teleobjektiv" erfolgt in der Literatur nicht einheitlich. Unter einem Teleobjektiv versteht man allgemein eine Linsenkombination, die bei einer langen Äquivalentbrennweite eine vergleichsweise kurze Schnittweite aufzuweisen hat. Das führt dazu, daß gewisse Autoren beispielsweise auch Sonnartypen unter die Teleobjektive einordnen, weil sie ebenfalls eine vergleichsweise kurze Schnittweite aufbieten. Auch Hubert Ulbrich tut dies in seiner Patentschrift zum Orestor 2,8/135 [Nr. DD33.141], obgleich er angibt, der Systemteil hinter der Blende habe sammelnde Wirkung. Demgegenüber steht eine ältere Definition: "Zweigliedrige optische Systeme, bestehend aus einem sammelnden Vorderglied und einem in relativ großem Abstand angeordneten Hinterglied von zerstreuender Wirkung, nennt man Fern- oder Teleobjektive." [Pritschow, Karl: Die photographische Kamera und ihr Zubehör; in: Hay, Alfred (Hrsg.): Handbuch der wissenschaftlichen und angewandten Photographie, Band II, Wien, 1931, S. 304.] Teleobjektive "im engeren Sinne" zeichnen sich also dadurch aus, daß der bildseitige Systemteil zerstreuende Wirkung hat.
Ähnlich wie beim Telekonverter hat dieses Prinzip aber zwei entscheidende Nachteile: Erstens wird die Qualität des Grundobjektives erheblich beeinträchtigt, wenn beliebige Tele-Negative mit beliebigen Grundobjektiven kombiniert werden. Und zweitens bleibt je nach Verlängerungsfaktor kaum noch Lichtstärke übrig. In der Zeit, bevor Linsen vergütet werden konnten, kamen obendrein noch störende, wilde Spiegelbilder hinzu – hervorgerufen durch die zusätzlichen Glas-Luft-Grenzflächen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gingen die Objektivbauanstalten daher dazu über, komplette Teleobjektive herauszubringen. Einer der Vorreiter auf diesem Felde war Zeiss mit deren Magnaren. Ein solches Magnar hatte beispielsweise die Daten 1:10/45cm, zeichnete das 9x12-Format aus, benötigte aber nur einen Auszug von 15cm – also ziemlich genau denjenigen des Normalobjektives. [Vgl. Pritschow, Karl: Die photographische Kamera und ihr Zubehör; in: Hay, Alfred (Hrsg.): Handbuch der wissenschaftlichen und angewandten Photographie, Band II, Wien, 1931, S. 305.] Diese Zusammenhänge sind unten noch einmal bildlich dargestellt. [aus: Zeiss (Hrsg.): Photographische Objektive, Jena, 1926, S. 13.]
Diese "echten Teleobjektive" waren eine große Herausforderung für den Objektivkonstrukteur, der eine möglichst kompakte Bauweise erzielen wollte, ohne daß sein Teleobjektiv gegenüber den "normal gebauten" Fernobjektiven stark qualitativ hinterherhinkte. Insbesondere litten diese frühen Teletypen an einer ziemlich ausgeprägten kissenförmigen Verzeichnung, die sich kaum auskorrigieren ließ [Vgl. Merté, Willy: Das photographische Objektiv seit dem Jahre 1929; in: Michel, Kurt (Hrsg.): Handbuch der wissenschaftlichen und angewandten Photographie, Ergänzungswerk, Band I, Wien, 1943, S. 76.]. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg, im Jahre 1919, schlug der damals gerade erst 30-jährige Willy Merté daher einen anderen Weg ein. Benötigte das oben angegebene Magnar 10/45cm nur 15cm Balgenauszug (also 33% der Brennweite), so lag der erforderliche Auszug bei seinem Tele-Tessar bei beinah doppelt so hohen 60% der Brennweite [Vgl. Pritschow, photographische Kamera, 1931, S. 305]. Damit erlaubte dieses Tele-Tessar, eine Brennweite von 25cm an einer 9x12-Kamera zu verwenden, ohne über den normalen Balgenauszug von 15cm hinausgehen zu müssen. Diese Einschränkung bei der Schnittweitenverkürzung wurde durch einem deutlichen Zuwachs an Bildleistung aufgewogen. Das Tele-Tessar 1:6,3 wurde am 17. Juni 1919 unter der Nr. 347.838 im Deutschen Reiche zum Patent angemeldet. Daß Merté der Urheber gewesen ist, geht aus der Schutzschrift nicht hervor, sondern ist lediglich durch die Mitteilung Pritschows überliefert.
Und weil hier vom Magnar die Rede war, möchte ich noch eine Tatsache ergänzen, die trotz ihrer Bedeutung für die Geschichte der rechnenden Optik heute völlig unbekannt ist. Je nachdem in welcher Werbebroschüre man blättert, sind es mal die Firmen Leitz, Canon, Nikon usw. die sich mit der Pioniertat brüsten, als Erste Linsen in ihren Objektiven verbaut zu haben, deren Oberfläche von der Kugelform abweicht: Sogenannte Asphären. Das entspricht alles nicht den Tatsachen. Die Verwendung von asphärischen Linsen im Objektivbau ist wesentlich älter als gemeinhin gedacht.