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Unter den Dokumenten finden Sie zeitgenössische Preise, Bücher sowie Zusammenstellungen von Betriebs-, Druckerei- und Bestellnummern.

Mangelware Batterie

Typisch DDR: Die Batterien für die Spiegelreflexkameras mußten aus dem westlichen (!) Ausland ("NSW") importiert werden. Und weil das  Devisen kostete, waren die Zellen kontingentiert. Man konnte also nicht einfach in einen Laden gehen und eine Batterie kaufen, sondern nur dann, wenn die Zeit dafür reif war und man nachweisen konnte, daß man auch  die zugehörige Kamera besaß.

Erst in den  80er Jahren wurden durch AKAelectric Knopfzellen vom Typ LR44 und sogar SR44 hergestellt. Den Kameras der Praktica B-Reihe wurde eine Plastikhülse beigegeben, um vier solcher LR44 einlegen zu können. Gegen Ende der 1980er Jahre wurde sogar noch die Praktica L-Reihe auf die kleinere Knopfzelle umgerüstet, um vom Import der Quecksilberoxydzelle weg zu kommen.

Bemerkenswert: Diese Knopfzellen, die im Januar 1988 durch den VEB Fahrzeugelektrik Ruhla hergestellt wurden, sind über 30 Jahre alt und immer noch nicht leer. Auch ausgelaufen sind sie nicht.  Es war ein Kampf, bis so etwas in der DDR hergestellt wurde. Aber wenn, dann war es Qualität :)

Zwei Arten Berliner

An dieser Stelle möchte ich auf ein historisch sehr interessantes Detail verweisen, das heute bereits in Vergessenheit zu geraten droht. Es dreht sich um die ganz spezielle Situation, in die Westberlin im Zuge der Deutsch-Deutschen Teilung geraten war. Mir war beispielsweise nicht bewußt, daß Westberliner zwar relativ problemlos Tagesausflüge nach Ostberlin machen konnten (auch nach dem Mauerbau), dabei durften sie aber keinesfalls das Stadtgebiet ("Großberlin") verlassen – also nicht in die restliche DDR fahren. Das Verlassen des Berliner Stadtgebietes war einzig und allein auf den dafür vorgesehenen Transitrouten Richtung Bundesrepublik gestattet.

Kamera-Paß Westberlin

Das besondere Besatzungsrecht Berlins änderte auch nichts daran, daß aus Sicht der Zollbestimmungen die Hauptstadt der DDR Ausland gewesen ist für Westberliner. Es ist im Osten durchaus bekannt, daß es bis zum Bau der Mauer Bürgern der DDR untersagt war, ihre Photogeräte in die Bundesrepublik und nach Westberlin zu verbringen. Eine zeitlang wurden die Geräte wohl sogar in den Paß bzw. den Personalausweis eingetragen. Jetzt hat mich allerdings ein Westberliner Praktica-Besitzer darauf aufmerksam gemacht, daß er wiederum stets einen Kamera-Paß mitführen mußte, wenn er mit seiner LTL 3 nach Ostberlin fuhr. Das war wichtig, um nachweisen zu können, daß er dieses Gerät ordnungsgemäß in Westberlin gekauft und nicht etwa vom Osten in den Westen geschmuggelt hatte. Das wurde nämlich beim Grenzübergang Friedrichstraße von den DDR-Behörden aufs Strengste überprüft.

Es ging dabei nicht unbedingt darum, ein Plündern der Ostberliner Geschäfte zu verhindern. Vielmehr wollte die DDR mithilfe "ihrer" Westberliner Vertriebsfirma BEROFLEX sicherstellen, mit den DDR-Photogeräten die angestrebten D-Mark einzunehmen. Was das angeht, durften keinerlei Schlupflöcher aufkommen! Immerhin konnte unser Westberliner Praktica-Interesent doch damit rechnen, auf dem Ostberliner Schwarzmarkt damals bis zu zehn DDR-Mark für seine D-Mark zu bekommen. Seine Praktica-Ausrüstung hätte ihn dann statt 710,- Westmark nur ein Bruchteil dessen gekostet.


Unten ist einmal ein Beispiel gezeigt, wie ein knappes Jahr vor dem Mauerbau ein in Ostberlin gekauftes Telefogar rechtmäßig nach Westberlin ausgeführt werden konnte. Von der Verkaufsstelle (hier der Zeiss Industrieladen in der Stalinallee) wurde ein "Warenbegleitschein" ausgestellt sowie am Grenzkontrollpunkt Friedrichstraße eine "Warenausgangsmeldung". Das war so geregelt im Gesetz für den Warenverkehr im innerdeutschen Handel vom 25. August 1954 in Paragraph 1 Satz 1: "Für den Warenverkehr zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den Westsektoren von Groß-Berlin gilt der Warenbegleitschein für den innerdeutschen Handel mit dem diagonalen Überdruck 'Groß-Berlin'". Etwas seltsam mutet das Ganze also dadurch an, daß es sich eigentlich um Dokumente für den Warenverkehr im innerdeutschen Handel handelt, dieses Telefogar ja aber ganz offensichtlich privat gekauft wurde. Vielleicht wurde das ganze Ausfuhr-Prozedere dadurch vereinfacht (und vielleicht auch zollmäßig verbilligt), indem Herr Günther Häbold einfach als Lieferer für Frau Hannelore Häbold fungierte. Interessant ist auch der Eintrag bei "Anlaß der Lieferung": Kauf aus Einnahmen in DM. Damit ist die damalige DDR-Mark gemeint. Nach dem Mauerbau waren solche Konstruktionen jedenfalls passé.

Warenbegleitschein
warenausgangsmeldung

"In der Hauptstadt gibts alles"

Wartungsvertrag Industrieladen Foto
Industrieladen
Garantieschein Sonnar
Kassenzettel Sonnar

In den obigen Dokumenten ist als Verkaufsstelle öfters der "Industrieladen Foto-Kino-Optik" des VEB Carl Zeiss JENA benannt. Dieses ausgesprochene Spezialgeschäft wurde in den 1950er Jahren zunächst in der Stalinallee 157 eröffnet (Block C Nord, Richard Paulick, 1952). Mit der Umbenennung in Karl-Marx-Allee wird daraus ab 1961 die Hausnummer 83. Zeitzeugen schwärmen heute noch von diesem Zeiss-Industrieladen. Die schiere Größe, die Ausstattung, das Angebot und der Kundendienst müssen weit über dem gelegen haben, was  der gemeine DDR-Bürger üblicherweise gewohnt war. Nicht-Berliner haben mir mit leuchtenden Augen erzählt, wie sie beispielsweise im Rahmen einer Geschäftsreise die freie Zeit nutzten, um dieses republikweit bekannte Geschäft zu besuchen. Anfang der 70er Jahre wurde dieser Zeiss-Industrieladen dann ins neu errichtete "Haus der Elektroindustrie" am Alexanderplatz Nummer 6 (heute Alexanderstraße 5) verlegt. Unten ist jenes Gebäude im September 2018 gezeigt.

Eines der wenigen privat geführten Fachgeschäfte in der Ostberliner Innenstadt von Bedeutung war Photo Häberle (Inh. Gerhard Lüdke) an der Neuen Promenade 5, direkt gegenüber vom S-Bahnhof Hackescher Markt (dazumal "Marx-Engels-Platz"). Ich habe mir sagen lassen: hier gabs immer mal was Besonderes. Vor allem auch Dinge aus zweiter Hand, die sonst im staatlichen Einzelhandel nicht zu kriegen waren. Deshalb war dieser kleine Laden auch oft Anlaufpunkt für Berufsphotographen. Photogeräte gibt es hier leider heute nicht mehr zu kaufen. Dafür kann man an diesem Orte heute wie sollte es in der Berliner Innenstadt auch anders sein Speisen und Getränke zu sich nehmen. Selbiges kann man freilich auch in den Etablissements direkt rechts und links daneben, sowie geradewegs gegenüber vor den Stadtbahnbögen. Als Berlinbesucher laufen Sie heute also keine Gefahr mehr, verhungern zu müssen.

Herrn Aurigs Leidensweg mit seiner Exa

Herr Aurig aus Thalheim im Erzgebirge hatte nämlich am 15. März 1986 eine Exa 1c für 350,- Mark vermutlich im Centrum Warenhaus in Karl-Marx-Stadt erstanden. Das Entzücken darüber wäre bestimmt doppelt so groß gewesen, wenn er gewußt hätte, daß ihm seine neue Exa schon bald einen Einblick in die Kundendienstfreundlichkeit der DDR-Photoindustrie ermöglichen wird.

Zwar ist nicht überliefert, was genau passiert ist, aber offenbar währte die Freude über seine Errungenschaft nur kurz. Das können wir daraus schließen, daß Herr Aurig am 23. September 1988 eine Postkarte vom VEB Pentacon Dresden zugeschickt bekam, mit welcher der Kundendienst dieser Weltfirma den Erhalt seiner Kamera quittierte. Aus diesem Schreiben geht hervor, daß zuvor bereits die dritte Reparatur erfolgt war, weil der Verschluß Probleme bereitete.

Ein paar Tage später, am 30. September 1988, teilte die Hauptabteilung Kundendienst des VEB Pentacon Dresden  Herrn Aurig mit, daß sie es zwar bedaure, wenn seine Exa trotz mehrerer Reparaturen nicht zufriedenstellend arbeite, ihn aber für eine (offenbar vierte) Reparatur wieder an das Dienstleistungskombinat Plauen verweisen müsse. Mit dem Werkstattleiter der dortigen Vertragswerkstatt habe es zuvor eine "kritische Aussprache" gegeben, sprich da hat jemand einen gewaltigen Anschi.... na Sie wissen schon.

In Dresden und zwar im ehemaligen Certo-Werk stellte man die Exa zwar her, reparieren wollte man sie dort aber nicht. Dafür hatte man schließlich seit Jahren Vertragswerkstätten authorisiert. Was konnte Pentacon dafür, wenn die Werkstätten  in eine Hierarchie aufgeblasener und oft überforderter Dienstleistungskombinate gepreßt wurden. Diese und ihre "Komplexannahmestellen" waren in der DDR hinreichend für ihre Eulenspiegeleien bekannt. Also wurde die  Exa (sicherlich zur Begeisterung Herrn Aurigs) erneut an ein solches Dienstleistungskombinat weitergeleitet. Daß man dabei Herrn Aurigs Originalkarton hat stehen lassen, beweist doch, mit welchem Elan und Wiedergutmachungswillen man nun an die Sache heranging.

Und so geschah es nun endlich, daß am 24. Oktober 1988 Herrn Aurigs Exa 1c  läppische  zweieinhalb Jahre nach ihrem Kauf schließlich doch noch in den Zustand der Funktionstüchtigkeit überführt werden konnte. Da auf den Rechnungen keinerlei Beträge ausgewiesen sind, scheint es sich offenbar nach wie vor um Garantiereparaturen gehandelt zu haben. Mich würde heute natürlich interessieren, wo sich im einfachen Mechanismus dieser Kamera der "verdeckt liegende Mangel" wohl versteckt haben mochte. Aber egal; immerhin war die Operation nun im vierten Anlauf geglückt. Das sollte uns auch nicht weiter verwundern, denn schließlich war der VEB Dienstleistungskombinat Karl-Marx-Stadt, Sitz Werdau, Betriebsteil "Werkstatt Kamera/Blitzer" in  Plauen ja Träger des Ordens "Banner der Arbeit". :-)

Einstmals weit über Chemnitz hinaus bekannt: Kratzsch

Hier noch ein anderes Detail, aus dem DDR-Konsumalltag, den man heute kaum noch für möglich halten mag. Photoapparate gab es eigentlich zu kaufen auch wenn es vielleicht am Ende nur eine Exa war. Viel schwieriger hatten es in der DDR die Freunde des Amateurfilms. Nachdem Ende der 60er Jahre die inländische Produktion von Schmalfilmgeräten eingestellt worden war, mußten die hiesigen Kunden allein mit Importprodukten aus der UdSSR und der ČSSR Vorlieb nehmen. Über deren Qualität will ich mich mal lieber nicht weiter äußern. Es genügt, daß selbst diese im westlichen Vergleich eher bescheiden ausgestatteten Gerätschaften nur sehr schwer zu bekommen waren. Aus diesem Grunde waren selbst betagte Schmalfilmgeräte aus zweiter Hand  begehrt und wurden hoch gehandelt. Ein Hort für den An & Verkauf im Photobereich war das "Drogengewölbe Otto H. Kratzsch" in Karl-Marx-Stadt. Hier wurde im August 1984 ein damals brandaktueller (und übrigens gar nicht so schlechter) Zweiformat-Projektor vom Typ MEOS duo zum Preise von stolzen 710,- Mark angeboten. Die Pointe liegt nun darin, daß der Endverbraucherpreis eines Neugerätes des MEOS duo (ohne Leuchtmittel) mit 705,- Mark veranschlagt war. Aber neu gabs wohl keinen nicht...

Dieses auf eine im Jahre 1837 gegründete Drogerie zurückgehende Fachgeschäft war übrigens eine Institution in Chemnitz und Karl-Marx-Stadt. Seit das Geschäft 1872 von Otto H. Kratzsch übernommen worden war, befand es sich in Familienbesitz. Zunächst durch seine Witwe fortgeführt, übernahm der oben abgebildete Karl Kratzsch die Geschäftsleitung im Jahre 1900 im Alter von 25 Jahren. Sechzig Jahre lang sollte er fortan im Drogengewölbe hinter der Ladentheke stehen. Leute, die ihn noch kannten, haben ausnehmend mit Hochachtung und Begeisterung von ihm gesprochen. Karl Kratzsch hatte in seinem Geschäft eine Lebensaufgabe gefunden. Für ihn war im Laden jeder Tag wie ein erster Tag. Wie mir versichert wurde, mußte er nicht mehr miterleben, wie das Drogengewölbe Mitte der 1960er Jahre aus seinem Stammhaus am Markt 10 vertrieben und im Neuen Rathaus zu Miete einquartiert wurde. Der Sohn Werner, der Enkel Rainer und die Urenkelin Petra führten das Geschäft fort, bis dessen Geschichte im Jahre 2012 nach 175 Jahren (!) – davon 140 Jahre in Familienbesitz – zuendeging.

Kratzsch Chemnitz

Das Drogengewölbe Otto H. Kratzsch im Herbst 2009. Photographiert mit einer Reisekamera 13x18 cm und einem Aplanaten aus den 1880er Jahren.


Die lange Existenz des Geschäftes brachte es hervor, daß bei Kratzsch bereits vor beinah hundert Jahren mit einer fast hundertjährigen Geschichte geworben werden konnte. Dabei zeigt die oben abgebildete Handwerkskarte, daß die Drogerie erst 1934 in Richtung Photographenhandwerk bzw. Photofachgeschäft ausgeweitet wurde. Der Verkauf von Photochemikalien mag aber bereits im 19. Jhd. eine gewisse Rolle gespielt haben.

Marco Kröger 2018


letzte Änderung: 29. Juli 2022